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Unter der „neuen“ Frankfurter Altstadt DomRömer befindet sich eine 20 000 m2 große, zweigeschossige Tiefgarage. Aufgrund ihres verwinkelten Baukörpers wurden statt Brandschutzabschnitten für den notwendigen Rauchschutz virtuelle Brandabschnitte gebildet.
Das anhand von CFD-Berechnungen entwickelte Konzept beinhaltet unter anderem 67 Jetventilatoren, fast 30 Zu- und Ablüfter, eine CO-Warnanlage, eine Schaltschrankanlage für die Regelung und Steuerung sowie zwei Feuerwehrtableaus.
Die Steuer- und Regelungstechnik wurde bewusst „hardwarelastig“ ausgelegt, um die Betriebssicherheit zu erhöhen und die Verfügbarkeit einfach kontrollieren zu können. Zudem wurden die turnusmäßige Sachverständigenprüfung und eine Teilinbetriebnahme durch zwei Bauabschnitte vereinfacht.
Frankfurt am Main – heute weltbekannt als die Bankenmetropole, als „Mainhatten“ – hatte einmal eine der schönsten gotischen Altstädte Deutschlands. Bis zum Zweiten Weltkrieg, als etwa 75 Luftangriffe das architektonische Kleinod in Schutt und Asche legten: Im Feuersturm der März-Angriffe des Jahres 1944 brannten nahezu alle 1800 Fachwerkhäuser der Alt- und der Neustadt nieder. Die besonders klaffende Wunde dieser Feuersbrunst, das historische Rathaus, wurde schon wenige Jahre später durch originalgetreue Neubauten geschlossen. Mit dem vor wenigen Monaten vollendeten Wiederaufbau des dahinter, zum Kaiserdom St. Bartholomäus gelegenen Areals hat Frankfurt jetzt aber auch das Herz seiner Altstadt zurückgewonnen (1).
Auf den ursprünglichen Parzellen einer rund 7000 m2 großen Fläche entstanden insgesamt 35 Neubauten, 15 davon als Rekonstruktionen. Die fünf- bis sechs-geschossige Bebauung entlang des „Krönungsweges“ besticht durch eine harmonische Kleinteiligkeit mit einem lebendigen Wechsel der Architektur, genauso aber auch der Nutzung. Läden, Cafés, Restaurants, Wohnungen über mehrere Ebenen und im Zentrum das Stadthaus mit dem Archäologischen Garten – hier hat qualifizierte Stadtentwicklung in bemerkenswerter Weise die Beton-Bausünden der 1960er- und 1970er-Jahre geheilt …
Baukörper als „Lüftungskanal“
Nur den wenigsten der vielen Tausend Touristen, die jetzt (in normalen Zeiten) täglich durch diese Straßen flanieren, dürfte sich allerdings die konstruktive Basis der neuen Altstadt erschließen: Eine rund 20 000 m2 große, zweigeschossige Tiefgarage, unter der auch noch die Frankfurter U-Bahn-Linien U4 und U5 verlaufen. Ihre statische Belastung ist durch die aufstehende mehrgeschossige Bebauung enorm. Mindestens genauso hoch sind aufgrund der exponierten Lage zwischen Hauptverkehrsadern und hoch frequentierter Altstadt die technischen Anforderungen an den Brandschutz, denn ein sich ausbreitendes Schadenfeuer hätte verheerende Folgen.
Dass die Tiefgarage DomRömer (2) (3) dennoch mit ihren beiden Bauabschnitten termingerecht und bei der Bauabnahme beanstandungsfrei in Betrieb genommen werden konnte, beruht nicht zuletzt auf einem vom Fachplanungsteam der DomRömer GmbH und der Branddirektion Abteilung vorbeugender Brandschutz gemeinsam mit Systemair entwickelten Brand- und Rauchschutzkonzept: Auf der Ebene –1 ersetzen insgesamt sechs virtuelle Rauchschutz- und CO-Abschnitte und auf der Ebene –2 vier Abschnitte die sonst üblicherweise durch Türen und Tore getrennten Brandschutzabschnitte – was hier aufgrund des verwinkelten Baukörpers nicht realisierbar war.
Kommt es jetzt in der Tiefgarage beispielsweise zu einem Fahrzeugbrand, treten auf den zwei Ebenen insgesamt 67 Systemair-Jetventilatoren (4) (überwiegend vom Typ AJ8) in Aktion, die gezielt nach den Ergebnissen aufwendiger CFD-Berechnungen (CFD: Computational Fluid Dynamics, computersimuliertes Strömungsverhalten) angeordnet und unter der Decke montiert wurden. Sie unterstützen die Mindestluftgeschwindigkeit, die zur Rauchabschnitttrennung nötig ist, um eine Ausbreitung der Rauchgase zu verhindern. Dabei korrigieren die Schublüfter die Bereiche der natürlichen Luftströmung – also Zu- nach Abluft ohne Jetventilatoren –, die eine zu niedrige Luftgeschwindigkeit oder im Sinne der Rauchabschnittstrennung eine falsche Strömungsrichtung haben.
Die Schublüfter werden erst nach der Phase der Eigenrettung der Personen im Gefahrenbereich aktiviert. Dafür ist eine zeitabhängige Steuerungsmatrix programmiert, die die sich ausbildende Rauchschicht unter der Decke in der Eigenrettungsphase nicht zerstört. Erst nach Ablauf dieser Phase – mit Rauchgasen unter der Decke und Frischluft im Bereich von 0 bis 1,8 m Höhe – werden für den Feuerwehrangriff die Rauchgase über die Lüftungstechnik gezielt in den betroffenen Rauchabschnitten konzentriert und abgesaugt. Die angrenzenden Zonen sind als rauchfrei anzusehen und dienen den Einsatzkräften als gesicherter Ausrüst- und Angriffsweg.
Abluftpunkte sind dabei (je nach Szenario) sowohl die Hauptzufahrt als auch ein durch alle Stockwerke der darüber liegenden Bebauung geführter Schacht. Für diese Abströmung musste Anlagenbauer Pleitz (Erfurt) sogar noch eine spezielle Rauchgashaube entwickeln. Sie ist jetzt als Fortluftdüse ausgeführt, die aufgrund ihrer Geometrie die Rauchgase vertikal mit einer erhöhten Strömungsgeschwindigkeit von 10 m/s ausbläst und so eine mögliche Entzündung der umgebenden Dachhaut verhindert.
Konzept durch Rauchtests bestätigt
Dass die über die reversibel zu fahrenden Jetventilatoren sowie die intelligente Schaltung von fast 30 weiteren Zu- und Ablüftern der Typen AXR 630 und AXC 630 (7) konzipierte Bildung der virtuellen Brandschutzabschnitte tatsächlich funktioniert, bestätigten bei der Abnahme mehrere zusammen mit der Frankfurter Feuerwehr durchgeführte Rauchtests (3).
Dipl.-Ing. Reiner Kelch (5), Bereichsleiter / Director Systems and Applications bei Systemair: „Schon zu Beginn der Entwurfsplanung wurde das Rauch- und Brandschutzkonzept in aufwendigen CFD-Analysen immer wieder durchgerechnet und während der Umsetzung verifiziert. Durch die Einbeziehung baulicher Eigenheiten, beispielsweise von Fluren als ‚Lüftungskanäle‘, blieben aber immer noch gewisse Variablen. Der Praxistest hat jedoch gezeigt, dass die Simulationen wirklichkeitsgetreu waren und die Anlage inklusive Steuerung wie vorgesehen in Betrieb gehen konnte.“
Zulässig sind solche virtuellen Brandabschnitte, wenn die einzelnen Rauchabschnitte kleiner als 2500 bzw. 5000 m2 sind (ohne / mit Sprinkleranlage). Nach den Garagenverordnungen einzelner Länder dürfen sie dann wie in sich geschlossene Einheiten behandelt werden.
Mehrfachnutzen durch Multifunktion
Eine so komplexe Brand- und Rauschutzanlage wie die im DomRömer-Parkhaus installierte hat aber nicht nur eine funktionale, sondern zugleich eine wirtschaftliche Dimension. Mit der Konsequenz, dass über die jetzt installierte Systemair-Technik zugleich die CO-Lüftung im Betriebsfall und zweimal täglich zeitgesteuert die Belüftung der Nebenräume erfolgt. Auf diese Weise konnten die Gesamtinvestitionskosten deutlich reduziert werden (6).
In der zweigeschossigen Tiefgarage war die CO-Belastung dabei interessanterweise sogar eher nachrangig. Als viel wichtiger stellte sich die tägliche Bedarfslüftung vor dem Hintergrund der enormen Wärmebelastung dar, da im Rahmen der regulären Nutzung der darüber liegenden Einheiten deren Abwärme in die Garage geleitet wird.
Kelch: „Wie in jeder Landesbauordnung sind auch in der hessischen Garagenverordnung Rechenwerte zum Luftaustausch vorgegeben, die auch zur Wärmelastberechnung für den zusätzlichen Wärmeintrag zugrunde gelegt wurden. Durch die moderne Fahrzeugtechnik werden die zur Entwärmung im Sommer erforderlichen Volumenströme aber mittlerweile deutlich unterschritten. Anstelle der für die Auslegung vorgegebenen 16 m3/(h ∙ m2) werden in der Praxis durch die niedrigen Fahrzeugemissionen nur etwa 3 bis 6 m3/(h ∙ m2) benötigt. Im Sommer könnten sich bei einem so geringeren Luftwechsel allerdings Temperaturen von bis zu 40 °C und mehr in der Tiefgarage einstellen.“
Die im Betrieb reversierbaren für die Rauchgasabfuhr installierten Jetventilatoren und Lüfter sind deshalb zusätzlich temperaturgesteuert so geschaltet, dass beim Erreichen der Temperaturgrenzwerte kühle Frischluft aus dem Innenhof der Altstadtbebauung in die Tiefgarage eingeblasen wird. Dabei wird der Taupunkt der Frischluft berücksichtigt, damit keine Kondensation innerhalb der Garage auftritt.
Für einen energiesparenden und schonenden Betrieb sind die Zu- und Ablüfter mit Frequenzumformern ausgestattet, die Jetventilatoren werden bedarfsbezogen zweistufig auf Teil- oder auf Volllast gefahren. Die notwendigen Eingangssignale für die Lüftung im Standardbetrieb liefern fast drei Dutzend CO-Sensoren an eine integrierte CO-Warnanlage.
Redundante Funktionssicherheit
Zusammengeführt ist die Steuer- und Regelungstechnik für die beiden Parkebenen in einer drei Felder umfassenden Schaltschrankanlage (5). Auch sie und zwei großformatige Feuerwehrtableaus wurden von Systemair konfiguriert und in Betrieb genommen. Für Kelch ist die „hardwarelastige“ Auslegung der Schränke und ihrer Peripherie eine Frage der grundsätzlichen Herangehensweise an das Gesamtkonzept „Brand- und Rauchschutz“ in einer Tiefgarage:
„Im Gegensatz zu anderen Anbietern mit überwiegend programmierten Steuerungen setzen wir bei Systemair bewusst auf fest verdrahtete Anlagen, die speziell für das jeweilige Projekt konzipiert werden. Bei Garagenanlagen wie unter dem Römer gehen wir damit zum einen dem EMV-Risiko aus dem Weg, also dass Bussignale aufgrund einer in der Betondecke integrierten 10-kV-Mittelspannungsversorgung nicht mehr ankommen. Zum anderen schalten wir die Schütze und Relais im Ruhezustand immer auf Last.“
Kelch: „Jede Unterbrechung des Signals, sei es durch Kabelbruch, oder durch andere Gegebenheiten werden als Störung und ggf. als Auslösung der Entrauchung ausgegeben. In Kombination mit der redundant ausgelegten Lüftungstechnik ist die Betriebssicherheit also deutlich höher, als dies bei weitestgehend softwaregesteuerten Anlagen der Fall ist.“
Hinzu komme die einfachere, turnusmäßige Kontrolle der Anlagentechnik und ihrer Funktionsfähigkeit durch die einschlägigen Prüforganisationen, die für die drahtgebundene „analoge“ Lösung sprächen, so Projektingenieur Christof Stegmann (5). Er hat von Anfang an über den Projektsteuerer „Drees & Sommer“ (Frankfurt) die Konzepterstellung, aber auch die spätere Umsetzung und Inbetriebnahme der Brand- und Rauschutzanlage im DomRömer verantwortlich begleitet:
„Das theoretische Modell einer solchen Anlage ist das eine. Ihre Praxistauglichkeit muss sie aber nach der Übergabe an den Betreiber während der täglichen Nutzung unter Beweis stellen. Durch die zwei Bauabschnitte mit Teilinbetriebnahme der Tiefgarage schon vor knapp fünf Jahren hat sich aber bereits mehrfach bestätigt, wie belastbar und funktional das hier umgesetzte Konzept tatsächlich ist.“
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