Die Bauordnungen der Bundesländer verfolgen im Hinblick auf den Vorbeugenden Brandschutz alle dasselbe übergeordnete Schutzziel: Schutz von Menschenleben, Begrenzung der Ausbreitung von Bränden und Sicherstellung von wirksamen Löscharbeiten.
Dabei spielt der sogenannte erste Rettungsweg (der meist auch Fluchtweg ist) eine äußerst wichtige Rolle. Seine Länge, seine Lage im Gebäude, seine brandschutztechnische Bewährung – alles ist darauf ausgelegt diesen Rettungsweg auch im Brandfall nutzbar zu erhalten.
Der Gesetzgeber schreibt immer auch einen zweiten Rettungsweg vor, an den wesentlich geringere Anforderungen gestellt werden. Die Verfasser der Bauordnungen gehen somit davon aus, dass in nahezu 100 % aller Brandszenarien der erste Rettungsweg funktioniert.
Das Treppenhaus muss im
Brandfall als Rettungsweg nutzbar bleiben
Die Geschosse eines Gebäudes sind durch Treppenräume miteinander verbunden. Sie sind der erste Rettungs- und Fluchtweg in vertikaler Richtung. Wer nun in einem Brandfall aus dem fünften Stock eines Hotels ins Freie will, muss den Treppenraum nutzen können. Andernfalls bleibt ihm nur die Rettung über eine Drehleiter, die auch in einem Hotel (bis 60 Betten) als zweiter Rettungsweg akzeptiert wird (Musterbauordnung: „Der zweite Rettungsweg kann eine weitere notwendige Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit sein.1)“). Wohl wissend mit welchen Problemen diese Art der Rettung verbunden sein kann.
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Laut Musterbauordnung MBO gilt: „Ein zweiter Rettungsweg ist nicht erforderlich, wenn die Rettung über einen sicher erreichbaren Treppenraum möglich ist, in den Feuer und Rauch nicht eindringen können (Sicherheitstreppenraum).“
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Das Treppenhaus sollte also im Ernstfall tatsächlich nutzbar und damit rauchfrei sein. Und weil die Erfahrung zeigt, dass der in den brennenden Nutzungseinheiten entstandener Rauch in den Treppenraum eindringen kann, fordert der Gesetzgeber eine funktionierende Rauchableitung für den ersten Fluchtweg.
Wenngleich die Anforderungen in den Landesbauordnungen etwas unterschiedlich formuliert sind, so ist im Prinzip jedoch klar, dass eine ca. 1 m2 große Öffnung an der obersten Stelle vorhanden sein muss, über die der ins Treppenhaus eingedrungene Rauch sicher abgeführt werden kann.
Treppenräume im Brandfall sind eine erhebliche Herausforderungen für die Feuerwehr
Wie sieht das in der Praxis also aus mit dem rauchfreien Treppenräumen im Brandfall? Alleine die Tatsache, dass Ventilatoren zur Platzierung an der Eingangstüre schon zur Standardausrüstung bei den Feuerwehren gehören, zeigt die Notwendigkeit zur Entrauchung des Treppenraums.
Denn viele Brandszenarien zeigen, dass genau das Gegenteil von dem, was der Gesetzgeber erwartet, der Fall ist. Die Treppenräume sind verraucht, wenn die Feuerwehr die Personenrettung und den Löschangriff startet. Oft genug schaffen spektakuläre Bilder von Rettungsaktionen mit Drehleitern den Weg in die Medien.
Die Hochhausgrenze liegt bei 22 m! Bis zu dieser Höhe gelten die Regelungen der Bauordnung und bis auf diese Höhe wird in Kauf genommen, dass im Zweifelsfall eine Rettung mehrerer Menschen jeglichen Alters über die Geräte der Feuerwehr in kurzer Zeit notwendig ist.
Jedes Mitglied einer Feuerwehr weiß, wenn das Treppenhaus nicht zur Rettung und zum Löschangriff nutzbar ist, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit unter erschwerten Bedingungen.
Wäre es also vor diesem Hintergrund nicht nur logisch und sinnvoll, der automatischen Entrauchung von Treppenräumen eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken? Denn die Anlage zur Rauchableitung in einem Treppenraum kann im Zweifelsfall sicher dafür sorgen, dass Flucht- und Rettungswege in der Brandentstehungsphase rauchfrei bleiben.
Ein mit Atemschutz ausgerüstetes Mitglied der Feuerwehr muss sich dann nicht erst durch das Treppenhaus nach oben kämpfen, um gewaltsam und von Hand eine Entlastungsöffnung zu schaffen. Diese Öffnung ist selbstverständlich unumgänglich, um den Rauch aus dem Treppenhaus ableiten zu können. Die Ventilatoren funktionieren nur, wenn eine solche Gebäudeöffnung vorhanden ist.
Automatisierte Entrauchungsanlagen
haben einen wichtigen Zusatznutzen
In den letzten Jahren, und verstärkt mit den aktuellen Problemen der Coronavirus-Pandemie, ist zunehmend eine weitere Forderung des Gesetzgebers in den Fokus der Gebäudetechnik geraten: Die Notwendigkeit effektiver Lüftung von Räumen zu denen auch die Treppenräume gehören.
Auch hierfür regeln die Gesetzgeber in den Landesbauordnungen klar: „Treppenräume sind zu lüften“. Bisher wurde es als selbstverständlich angesehen, dass die Fenster im Treppenraum „gekippt“ sind. Wer auch immer sich dazu berufen fühlt, öffnet das oder die Fenster im Treppenhaus; frische Luft bzw. Luftzirkulation sorgen für eine niedrige Konzentration schädlicher Luftbestandteile und verhindern Schimmelbildung.
Im Sommer ist das auch eine praktikable Lösung. Um jedoch zu verstehen, dass ein offenstehendes Fenster in den Wintermonaten auch große Nachteile mit sich bringen kann, dazu braucht es keinesfalls einen Blick ins neue Gebäudeenergiegesetz. Auch in der bisherigen Energieeinspargesetzgebung widmen sich die Regelungen der strikten Abdichtung der Gebäudehülle im Sinne einer Energieeinsparung bzw. -optimierung.
Womit wir bei einem hohen Zusatznutzen einer automatisierten Entrauchung des Treppenraums angekommen sind: Der automatisierten natürlichen Be- und Entlüftung.
Treppenhäuser: Moderne RWA-Anlagen überzeugen in vielerlei Hinsicht
Moderne RWA-Anlagen in Treppenhäusern spiegeln die allgemein anerkannten Regeln der Technik wider und sind für diese tägliche Aufgabe geschaffen. Dabei sind den Lüftungstechniken keine Grenzen gesetzt. Denn egal ob es um temperaturabhängiges Spaltlüften, automatisiertes Schließen, Nachtauskühlung oder sonstige sinnvolle Lüftungsszenarien geht – moderne Steuerungen beherrschen diese Aufgabe weit besser als jede von Menschenhand gesteuerte Luftzufuhr.
Dazu gehören auch Komfortlösungen, wie automatisches Schließen bei Regen oder Windereignissen. Und, dass damit ein nachhaltig energetisches Wirtschaften im Sinne des Gebäudeenergiegesetzes einhergeht, ist selbstverständlich.
Moderne RWA-Anlagen erfüllen darüber hinaus die Aufgabe der Entrauchung im Brandfall weit besser, als einfache elektrische oder gar manuelle Lösungen dazu in der Lage sind:
In der Regel kommen die Rettungskräfte an einen Einsatzort und finden ein verrauchtes Treppenhaus vor, wenn es keine automatisierte Entrauchungsanlage gibt. Diese Brandgase sind oft auch sehr heiß, sodass sie an Bauteilen aus Kunststoff wie sie in üblichen Lüftungsantrieben üblich sind, schon erheblichen Schaden angerichtet haben. Bei solchen Szenarien funktionieren nur wärmebeständige Bauteile die bis 300 °C getestet und entsprechend zertifiziert sind.
Es folgen also die von der Feuerwehr standardisierte Aktionen: Netzzuleitung abschalten, Ventilator an der Eingangstüre positionieren, Einsatzkraft ins Treppenhaus schicken mit der Aufgabe eine Entlastungsöffnung im oberen Bereich zu schaffen.
Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn eine moderne RWA-Anlage verbaut ist. Die Rettungskräfte können durch die manuelle Auslösemöglichkeit am Eingang die RWA-Öffnung im oberen Bereich des verrauchten Treppenraumes auslösen. Zusätzlich zum meist vorhandenen thermischen Auftrieb, den der Rauch ohnehin hat, wird mit den Ventilatoren im Eingangsbereich binnen Sekunden das Treppenhaus entraucht. Der wichtige erste Rettungsweg steht damit sofort zur Verfügung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die hausinterne Netzversorgung von der Feuerwehr abgeschaltet wurde, denn die Steuerungen sind mit Akkus notstromversorgt.
Noch bessere Ergebnisse erzielen die Anlagen, wenn eine automatisierte Auslösung durch Rauchmelder installiert ist. Rauchmelder aktivieren die Entrauchungsöffnung unmittelbar nach dem ersten Auftreten von Rauchpartikeln im Treppenraum. Somit ist auch für eine sehr lange Zeit der Fluchtweg über den ersten Rettungsweg nutzbar und spektakuläre Rettungsaktionen über Drehleitern sind nicht notwendig.
Kosten-Nutzen-Betrachtung einer RWA- und Lüftungsanlage
Der Wunsch des Gesetzgebers nach „Bauen soll billiger werden“ ist nachvollziehbar, fehlt es in Deutschland nach wie vor an günstigem Wohnraum. Dieser Wunsch sollte aber keinesfalls einer so sinnvollen wie letztlich auch günstigen Lösung einer modernen RWA- und Lüftungsanlage im Treppenraum geopfert werden. Denn diese Anlagen
Diese Anlagen bedeuten im Zuge des Neubaus eine Investition von vielleicht 300 bis 400 Euro pro Stockwerk (gerechnet auf fünf Geschosse), die dafür über viele Jahre hinweg den notwendigen Brandschutz mit dem täglichen Zusatznutzen perfekt miteinander verbindet.
Es bedarf allerdings einer qualifizierten Auswahl an sicheren Geräten, der richtigen Auslegung von Querschnitten und einer fachgerechten Installation. Ein Bauherr oder Architekt sollte sich hier nicht auf Laien verlassen. Die Digitalisierung stellt neben anderen technischen Veränderungen auch große Anforderungen an die Installation von RWA-Anlagen. Mit eigens dafür ausgebildeten Errichterbetrieben ist auch die Ausführung der Systeme von der Werkplanung bis zur Wartung in fachlich besten Händen.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGAdossier Brandschutz
Dieser Artikel ist eine Überarbeitung des Artikels „Gute Gründe für ausgereifte Technik“ von Martin Weber, erschienen in TGA 01-2021.