Noch nie Stromüberschuss durch Erneuerbare
Falls die konventionellen Anlagen weiterhin so inflexibel bleiben, werden im Jahr 2022 voraussichtlich an rund 1000 h/a negative Strompreisen zu verzeichnen sein, mit entsprechend höheren Belastungen der Stromkunden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie von Energy Brainpool im Auftrag von Agora Energiewende . Einen Stromüberschuss durch erneuerbaren Energien hat es hingegen bislang noch nie gegeben. Selbst in Spitzenstunden wurden nie mehr als 65 % des Strombedarfs in Deutschland aus Windkraft, Photovoltaik, Biomasse und Wasserkraft gedeckt.
Dass konventionelle Kraftwerke mit einer Leistung von 20 bis 25 GW bei sehr niedrigen oder sogar negativen Strompreisen nicht vom Netz genommen werden – obwohl die Anlagen in diesen Zeiten Verluste erwirtschaften – hat im Wesentlichen drei Ursachen, wie die Studie zeigt:
- Braunkohle- und Kernkraftwerke lassen sich bei einem hohen Angebot von Strom aus Windkraft und Photovoltaik nicht für wenige Stunden ausschalten. Das An- und Abfahren wäre für die Kraftwerksbetreiber teurer als die Inkaufnahme von negativen Strompreisen, bei denen die Kraftwerksbetreiber dann für die Abnahme des Stroms zahlen.
- Kraftwerke, die neben Strom auch Wärme für Industrie und Haushalte liefern (KWK-Anlagen), können bislang auch bei einem Überangebot von Strom nicht vom Netz genommen werden, weil damit die Wärmelieferungen gefährdet würden.
- Für die Zuverlässigkeit des Stromsystems wichtige Systemdienstleistungen – etwa Regelenergie – fallen derzeit in konventionellen Kraftwerken quasi als Nebenprodukte der Stromerzeugung an. Etliche Kraftwerke laufen daher aus Gründen der Systemstabilität selbst dann, wenn der von ihnen erzeugte Strom vom Markt gar nicht gebraucht wird.
„Es ist höchste Zeit für ein Flexibilitätsgesetz“
„Die Studie zeigt, dass es höchste Zeit für ein Flexibilitätsgesetz ist“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Damit können Barrieren, die einem flexibleren Kraftwerksbetrieb auch regulatorisch entgegenstehen, abgebaut werden. So sollten etwa erneuerbare Energien Systemdienstleistungen übernehmen können oder Stromverbraucher ihren Stromverbrauch in Zeiten mit hoher Stromproduktion aus erneuerbaren Energien verlagern. Ohne ein flexibleres Stromsystem drohen an immer mehr Tagen negative Strompreise. Für die Stromverbraucher könnte das über die steigende EEG-Umlage zu zusätzlichen Belastungen führen.“ ■
Download der Studie „Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen“