Die Fraktionen greifen damit teilweise einen schon im Frühjahr 2015 von der CDU-Fraktion gestellten Antrag (Dämmwahn bremsen) auf, der in erweiterter Form auch im aktuellen NRW-Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP Niederschlag gefunden hat. Anscheinend wollen die Fraktionen nun dafür sorgen, dass das Thema schnell nach Berlin getragen wird. Konkret findet sich in dem Antrag „NRW muss auf Bundesebene Impulsgeber für eine Neuausrichtung der Energieeinsparverordnung werden“ folgende Vorlage zur Beschlussfassung:
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Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
1. sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass die Energieeinsparverordnung 2016 zunächst für drei Jahre ausgesetzt wird und die Vorgaben der Verordnung umfassend evaluiert werden. Hierbei ist ausdrücklich auch auf das gesunde Wohnraumklima, Schimmelbildung und die Auswirkungen von Fungiziden, die von Dämmfassaden in Umwelt und Grundwasser gelangen, einzugehen;
2. gleichzeitig in dem Evaluierungsprozess eine grundsätzliche Systembetrachtung vorzunehmen. Anzustreben ist, anstelle von Einzelfallbetrachtungen eine Bilanzierung auf Quartiersebene vorzunehmen;
3. sich im Rahmen der Bundesratsinitiative für die Entwicklung eines Konzepts einzusetzen, das die nach Gebäudeklassifizierung differenzierte Förderung spezifischer Dämmmaßnahmen und Heizungssanierung – insbesondere für einschalige Bauweisen der 1950er bis 1980er-Jahre – zum Ziel hat;
4. die bisher nach § 25 EnEV gemachten Ausnahmen durch einen entsprechenden Erlass so umzuwandeln und zu handhaben, dass analog zum Bundesland Hessen eine unbürokratische Befreiung möglich gemacht werden kann.
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„Stillstand statt Impulse“ kam sogleich Kritik von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Ein Aussetzen der EnEV 2016 für drei Jahre sei für den Klimaschutz fatal. Der Antrag offenbare fehlenden Sachverstand, mit hanebüchenen Begründungen werde versucht, die energetischen Standards herabzusetzen.
Es sei ein Irrglaube, dass abgeschwächte Energieeffizienzstandards automatisch zu zusätzlichem Wohnraum und zu sinkenden Mieten führen würden. Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Das Gegenteil ist der Fall: Preise werden von Angebot und Nachfrage bestimmt. Im Neubaubereich fallen andere Kostentreiber sehr viel stärker ins Gewicht als Energieeffizienzstandards. Anstatt wirklich sinnvolle Lösungen für mehr bezahlbaren Wohnraum zu erarbeiten, werden sogenannte ‚Bauexperten‘ und die ‚Fachwelt‘ zitiert und längst widerlegte Argumente wieder aus der Schublade geholt. […] Anstatt die EnEV immer wieder infrage zu stellen und damit die Akteure zu verunsichern, braucht es berechenbare und langfristige Ziele und Rahmenbedingungen, um die Umsetzung planbar zu machen. Wer den Klimaschutz ernst nimmt, der muss die Relevanz von Energieeffizienzstandards anerkennen.“
Die Deutsche Umwelthilfe und der Deutsche Mieterbund haben diesbezüglich ein 6-Punkte-Sofortprogramm für sozialverträglichen Klimaschutz im Gebäude vorgelegt. Während der NRW-Koalitionsverhandlungen gab es auch Kritik aus der Branche, beispielsweise vom BWP.
Alle fünf im Landtag von NRW vertretenen Fraktionen hatten sich zur Plenarsitzung am 17. November 2017 darauf verständigt, den Antrag ohne Aussprache zu überweisen, und zwar an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung. Die abschließende Aussprache und Abstimmung soll nach der Vorlage der Beschlussempfehlung im federführenden Ausschuss erfolgen.
Insgesamt ist die in NRW geführte Diskussion um den EnEV-2016-Standard grotesk, denn der in der Praxis durch die KfW-Förderprogramme etablierte Standard war bereits lange vor der EnEV 2016 auf dem nun obligatorischen Niveau und liegt aktuell deutlich darunter (GEG-Standard ist längst Baupraxis). Von Juli 2016 bis Juni 2017 übertrafen mehr als die Hälfte aller neuen Wohnungen die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) deutlich. Zudem wurde die Wirtschaftlichkeit des aktuellen Anforderungsniveaus durch zahlreiche Begleitgutachten zur letzten Novellierung der Energieeinsparverordnung belegt. Eine Studie im Auftrag der Hamburger Behörde für Umwelt und Energie hat schon im September Ende 2016 aufgezeigt, dass energetische Standards (im geförderten Wohnungsbau in der Hochkostenregion Hamburg) keine Preistreiber bei den Baukosten sind (Energiestandards sind kein Preistreiber). Die Studie setzt sich in einer Querschnittsauswertung u.a. auch mit einer Studie auseinander, mit der die NRW-CDU hauptsächlich argumentiert. ■