Aus einer im Jahre 1969 eröffneten Würzburger Boutique entstanden, entwickelte sich die Marke s.Oliver in den letzten vier Jahrzehnten rasant zu einem der führenden deutschen Modehersteller und einem weltweit agierenden Konzern mit über 3000 Mitarbeitern. In direkter Nähe zum Gründungsort wurde auf dem Gelände der heutigen Firmenzentrale in Rottendorf zwischen April 2007 und Juli 2008 ein neues Hauptgebäude errichtet, das die moderne, dynamische Unternehmensphilosophie des Konzerns widerspiegeln soll: Auf einem rechtwinkligen Grundriss erhebt sich eine lichtdurchflutete Fassadenkonstruktion aus Glas und Aluminium, deren außergewöhnliche Optik durch zwei markante Einbuchtungen verstärkt wird.
Die stirnseitige Einbuchtung lädt in das weitläufige, helle Foyer ein; die rückwärtige Einbuchtung bietet Zugang zu einer Erholungszone mit verschiedenen Ebenen und Wasserflächen.
Über dem Zugang zum Foyer schwebt eine freitragende Besprechungsbox, die über die Flucht der Fassade hinausragt und somit die geometrische Strenge der Fassade aufbricht. Ein zweiter schwebender Meetingraum befindet sich im hinteren Bereich des Baus. Auf insgesamt 14000 m2 bietet das neue Gebäude circa 300 Mitarbeitern ein Arbeitsumfeld, das mit seinem ansprechenden Raumeindruck das kreative Wirken unterstützten soll.
„Weil hier im Hause die Kreativbüros untergebracht sind, waren einige Besonderheiten schon in der Planung zu berücksichtigen“, berichtet Karl Hartl vom Ingenieurbüro für technische Gesamtplanung IBG aus Leipzig. „Das Gebäude musste im Innenraum nicht nur sehr hell sein, die Designer benötigen auch eine hohe Lichtechtheit für ihre Arbeit. Auch eine Raumhöhe von mehr als drei Metern war gefordert.“ Damit die Büros und Ateliers auch künftig neuen Erfordernissen angepasst werden können, besteht die Raumaufteilung aus flexiblen Trennwänden, die jederzeit versetzt werden können.
Betonkernaktivierung…
Bei so viel vorausschauender Planung liegt es auf der Hand, dass vor dem Hintergrund knapper werdende Ressourcen und hohen Energiepreisen auch ein besonderes Augenmerk auf die Wahl des Heiz- bzw. Kühlsystems gelegt wurde: Die Heizlast deckt eine Batterie von zwei mal vier Wärmepumpen, die Wärmeverteilung erfolgt über ein deckennahes Betonkernaktivierungssystem, das mit sehr niedrigen Vorlauftemperaturen arbeitet.
Zwar ist die Anlage auf eine Vorlauftemperatur von bis zu 30 °C ausgelegt, doch dies ist nur eine planerische Sicherheitsvorkehrung, um Aufheizreserven für extrem kalte Tage zu haben. Normalerweise wird das System mit einer Vorlauftemperatur zwischen 20 und 23 °C betrieben. Weiterer praktischer Nebeneffekt der Betonkernaktivierung: Das System verfügt quasi über eine Selbstregulierung. „Gesetzt den Fall, in einem Raum ohne Temperierung wäre es im Sommer etwa 26 °C warm, dann hätte die Betonkernaktivierung bei einer Vorlauftemperatur von 21 °C einen Kühleffekt. Mit derselben Vorlaufstemperatur an einem kalten Tag heizt sie jedoch den Raum auf eine behagliche Temperatur“, erläutert Hartl.
Einzig in den Treppenhäusern war es nicht möglich, mittels einer Deckenbetonkernaktivierung zu temperieren. Hier kam deshalb eine Fußbodenheizung und -kühlung zum Einsatz. „Gerade in den Treppenhäusern ist diese Doppelfunktion besonders wichtig, da es durch die großen Glasfassadenflächen trotz sehr guter Verschattung witterungsabhängig sehr schnell kühl oder umgekehrt auch heiß werden könnte“, so der Fachplaner. „Mit der Fußbodenheizung und -kühlung kann somit schnell reagiert werden, dafür wäre eine Betonkernaktivierung schlicht zu träge gewesen.“
…und Wärmepumpe
Im Zusammenhang mit dem Niedrigtemperatur-Wärmeverteilsystem hat sich die Wärmebereitstellung über Wärmepumpen als besonders wirtschaftliche Versorgungsvariante angeboten. Bei der Hauptwärme- und -Kältebereitstellung entschied man sich für vier umschaltbare Sole/Wasser-Wärmepumpen von Glen Dimplex, Kulmbach. „Ein weiteres Argument für Dimplex war zusätzlich die örtliche Nähe und generell der gut strukturierte Kundendienst – sollte doch einmal etwas sein“, weiß Hartl. Die vier Sole/Wasser-Wärmepumpen können die Gesamtarbeit der Wärmebereitstellung alleine besorgen. Weil der Kunde jedoch zwei autarke Systeme wollte, um nicht von einer einzigen Energiequelle abhängig zu sein, wurden auch noch vier Gas-Wärmepumpen mit Direktverdampfer von Robur in das System integriert. So kann s.Oliver preisflexibel entscheiden, ob die Antriebsenergie für die Erdwärmenutzung aus dem Stromnetz oder über auf dem Gasmarkt bezogen wird.
Außerhalb des 50 m2 großen Heizungskellers ist die Wärmepumpenanlage völlig unsichtbar. Die insgesamt 60 Erdwärmesonden liegen direkt unter dem Gebäude. Jede Sonde verfügt über eine Tiefe von 90 m. Tiefer konnte nicht gebohrt werden, da an dieser Stelle das Grundwasserniveau beginnt, aus welchem die Stadt Würzburg mit Trinkwasser versorgt wird.
Eine Besonderheit des Projekts s.Oliver war die detaillierte Vorplanung der Wärmepumpenanlage. Zwar wurde wie üblich auch eine konventionelle Heiz- und Kühllastberechnung durchgeführt. Die Basis für die Auslegung der Wärmepumpenanlage bestand jedoch in einer dynamischen Computersimulation. „Im Gegensatz zum statischen System der konventionellen Berechnung wurde die Firmenzentrale ganz individuell simuliert und dadurch die komplette Versorgungsanlage optimal ans Gebäude angepasst“, berichtet Hartl.
So wurden neben der Wärmepumpenheizung und -kühlung auch andere Aspekte des Neubaus am Computer simuliert, etwa die Sonnenschutzverglasung an der Ostfassade des Treppenhauses. Die Unterstützung der Gebäudesimulation bei der Gebäudeplanung hat sich bereits ausgezahlt. Seit bald einem Jahr in Betrieb hat sich das System als äußerst sparsam erwiesen.DR