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EEWärmeG

Quadratur der Sonne

Mitte Oktober hat das Bundesumweltministerium (BMU) den Entwurf für ein EEWärmeG vorgelegt – mit einer Verpflichtung, den Wärmeener­giebedarf anteilig mit erneuerbaren Energien zu decken. Die Nutzungspflicht soll mit Biomasse, Geothermie, solarer Strahlungsenergie und Umweltwärme erfüllt werden können. Ganz entfällt sie, wenn der Wärmeenergiebedarf unter bestimmten Bedingungen über KWK gedeckt wird oder mit einer energetischen Sanierung des Gebäudes das EnEV-Niveau um mindestens 15 % unterschritten wird.

Bei der Einkopplung solarer Strahlungsenergie (thermisch) wird die Nutzungspflicht laut EEWärmeG-Entwurf dadurch erreicht, dass Sonnenkollektoren mit mindestens 0,04 m2 Kollektorfläche je m2 Nutzfläche installiert werden. Bei der Nutzung fester Biomasse, Geothermie und Umweltwärme wird die Pflicht erreicht, wenn der Wärmeenergiebedarf darüber zu mindestens 50 % gedeckt wird. Sie wird aber nur anerkannt, wenn die anderen Maßnahmen öffentlich-rechtlichen Pflichten widersprechen, technisch unmöglich oder über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren nachgewiesen unwirtschaftlicher sind.

Als Zeitpunkt der Pflichterfüllung ist momentan vorgesehen, dass sie für jeden Neubau gilt, der nach dem 31. Dezember 2008 fertig gestellt wird. Gebäude, die vor dem 1. Januar 2009 fertig gestellt worden sind, müssen die Pflicht erst mit Abschluss einer „grundlegenden Sanierung“ erfüllen. Sie liegt vor, wenn „in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang a) ein Heizkessel ausgetauscht oder die Heizungsanlage auf einen anderen fossilen Energieträger umgestellt wird und b) die beheizte Nutzfläche des Gebäudes um mehr als die Hälfte erweitert oder die Außenwände beheizter oder gekühlter Räume oder das Dach überwiegend erneuert oder gedämmt werden“. Damit greift das EEWärmeG im Bestand nur, wenn der Eigentümer es durch seine Terminplanung zulässt.

Verbände lehnen Entwurf ab

Eine Reihe von Verbänden haben ihre Stellungnahmen zum Entwurf öffentlich gemacht. Die meisten enthalten zwar eingangs noch Höflichkeitsfloskeln wie „wir begrüßen das Vorhaben der Bundesregierung“, danach folgt aber zumeist harsche Kritik. Tenor: „Völlig untauglich.“ Besonders schwerwiegende Kritikpunkte sind die Einschränkung des freien Wettbewerbs, die Nichtbeachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und die geplante Ermächtigung zum Anschluss- und Benutzungszwang an Fern- und Nahwärme.

Interessanterweise wird von den Verbänden ziemlich gleichlautend gefordert, die Klimaschutzziele nicht über ein EEWärmeG, sondern über oder in Übereinstimmung mit der Energieeinsparverordnung umzusetzen. Auch wird mehrfach vorgeschlagen, die Anforderungen nicht mehr (nur) am End- und Primärenergieverbrauch, sondern auch an den CO2-Emissionen einer umgesetzten Lösung (individueller Energiemix) festzumachen.

Neustart erforderlich

Die breite Ablehnung überrascht kaum, man könnte fast vermuten, dass man sie in dieser Art bewusst provoziert hat, um das EEWärmeG in der vorliegenden Fassung wieder zu den Akten legen zu können. Deswegen sollte man vielleicht noch einmal zu den Wurzeln zurückgehen. § 1 legt Zwecke und Ziele fest: „Zweck dieses Gesetzes ist es […] der Schonung fossiler Ressourcen und der Minderung der Abhängigkeit von Energieimporten, eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Wärme aus Erneuerbaren Energien zu fördern.“ Dazu soll der Anteil erneuerbarer Energien für die Heizung, Warmwasserbereitung (und Erzeugung von Kühl- und Prozesswärme) bis zum Jahr 2020 auf 14 % erhöht werden.

Dem Ziel kann und muss man sich aus zwei Richtungen nähern. Der wichtigste und nachhaltigste Schritt dabei ist, den Wärmeenergieverbrauch drastisch zu senken, der Anteil erneuerbarer Energien steigt dadurch automatisch und die Energieimporte sinken. Insofern ist die hauptsächlich vom Bundesverband Solarwirtschaft kritisierte Kompensationsmöglichkeit über Energieeinsparmaßnahmen bemerkenswert kurzsichtig und von augenscheinlichen Verbandsinteressen geleitet. Denn der bisherige Passus über den Verweis auf EnEV §§ 3, 4 und 9 sieht vor, dies ebenfalls durch verbesserte Anlagentechnik zu leisten, also anteilig auch durch eine bedarfsgerecht dimensionierte Solaranlage.

Tatsächlich wäre die Bevorzugung von Solarthermie für die gesteckten Ziele besonders sinnvoll. Unter den Erneuerbaren erzielt sie in der Summe den maximalen Effekt – allerdings trotz Förderung auch mit besonders hohen Kosten pro eingesparter kWh. Und das will das EEWärmeG künftig noch verschlechtern: Es ist vorgesehen, dass Solaranlagen nur noch oberhalb der ­Mindestfläche von 4 % der Nutzfläche gefördert werden. Hintergrund: Maßnahmen zur Erfüllung der Nutzungspflicht werden grundsätzlich nach einer zweijährigen Übergangszeit nicht mehr ­gefördert, es sei denn, es handelt sich um inno­vative Technologien oder um Anlagen zur Nutzung von Tiefengeothermie. Statt der Quadratur der Sonne in Form möglichst vieler Solarkollektoren, wie es aus den BMU-Szenarien der künftigen ­Energieversorgung eigentlich abzulesen ist, könnte das EEWärmeG in der aktuellen Aus­gestaltung genau das Gegenteil bewirken. Außerdem kann es für Bauherren finanziell attraktiver sein, die Hülle ungefördert bis zum Erreichen der Nutzungsverpflichtung zu verbessern, sich dann aber noch eine Solaranlage inkl. Förderung ab dem ersten Quadratmeter aufs Dach zu setzen.

Biomasse mit zweierlei Maß

Es gibt aber noch weitere Ungereimtheiten. Während feste Biomasse (i.d.R. Holz) zur Erfüllung der Nutzungspflicht uneingeschränkt verwendet werden darf, will der BMU-Entwurf die Nutzung von flüssiger und gasförmiger Biomasse stark einschränken. Die den Gesetzesentwurf begleitende Begründung argumentiert: „Angesichts des Umstandes, dass bei gasförmiger und flüssiger Biomasse grundsätzlich eine Nutzungskonkurrenz zu dem wichtigen Strom- und Verkehrsbereich sowie zur Nahrungsmittelproduktion besteht, dürfen durch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz keine gezielten Anreize zur verstärkten direkten Nutzung von flüssiger und gasförmiger Biomasse im Wärmebereich gesetzt werden.“ Offensichtlich ist die Politik weiterhin nicht bereit, bei der Biomasse die Pfade mit dem größten CO2-Einspar- und Ressourcenschonungspotenzial zu beschreiten. Der Verkehrsbereich mit flüssigen Kraftstoffen gehört jedenfalls nicht dazu – allerdings bei flüssiger Biomasse nach allen bisher vorgestellten Konzepten auch nicht der Wärmebereich.

Und die Wärmepumpen? Ohne Differenzierung nach der Wärmequelle sind Jahresarbeitszahlen von mindestens 3,3 bei elektrischem Antrieb und 1,2 bei Gasantrieb gefordert. Zum Vergleich, das verabschiedete Wärmegesetz in Baden-Württemberg sieht hier Werte von 3,5 und 1,3 vor. Aber selbst die BMU-Werte sind dem Bundesverband Wärmepumpe noch zu scharf, insbesondere weil es die Luft/Wasser-Wärmepumpe im Altbau so schwieriger hätte. 3,0 sei für die Sanierung sinnvoll und technologisch erreichbar, so Verbandgeschäftsführer Karl-Heinz Stawiarski im Interview mit der Fachzeitschrift „neue Wärme“ 00-2007. Schaut man sich dann noch die real gemessenen Jahresarbeitszahlen an, muss für eine Zielerreichung Strom in Deutschland noch um einiges sauberer produziert werden als heute.

Statt EEWärmeG EnEV verschärfen

Die Bundesregierung würde sich selbst einen Gefallen tun, wenn sie die Ziele des EEWärmeG in der EnEV umsetzt. Hier halten sich die Änderungen in Grenzen, eine Novellierung ist ohnehin vorgesehen. Einzelne Maßnahmen können miteinander kombiniert und die Wechselwirkungen (z.B. ein sinkender Kesselnutzungsrad oder steigende Verteilverluste nach der Installation einer Solaranlage) berücksichtigt werden. Und wie man die Grenzwerte erreicht, besser unterschreitet, kann dann für jedes Gebäude individuell zu minimalen Kosten erreicht werden. Faktisch lässt der Entwurf zum EEWärmeG dies als Ersatzmaßnahme ohnehin zu.

Fördern kann man dann dort, wo es not­wendig ist bzw. wo durch Förderung mittelfristig Effizienzsteigerungen wirtschaftlich erschließbar sind. Das wäre auch sinnvoll und erforderlich, sonst wird das EEWärmeG, dass das Stop-andgo auflösen will, schon ab 2011 für die nächste Unruhe im Markt sorgen. Denn dann dürfte die Innovationsvoraussetzung zur Förderung auf gewöhnliche Solaranlage, Scheitholz- und Pellet-Heizkessel und heute verbreitete Wärmepumpen kaum mehr zutreffen.

Es bleibt zu hoffen, dass der Entwurf des EEWärmeG wieder in der Schublade verschwindet und bestenfalls als Druckmittel gegenüber den Branchenverbänden gegen eine Verschleppung der EnEV-Novelle eingesetzt wird. Noch wirkungsvoller wäre es, die nicht mehr erwünschten Energieträger stetig zu verteuern und die Einnahmen für Investitionen in zukunftsfähige erneuerbare Energie und Energieeinsparung auszuschütten. Die Erhöhung der Energiepreise ist zwar in der aktuellen Debatte ein extrem heißes Eisen, aber für viele kostengünstiger als in die Erfüllung einer Nutzungspflicht zu investieren. Zudem kommt niemand in Versuchung eine Investition aufzuschieben, sondern er erhält vielmehr einen Anreiz, früher zu handeln.

Wie weitsichtig das Bundeskabinett in Sachen Energie und erneuerbare Energie ist, wird sich bis zum 5. Dezember zeigen. An diesem Tag und unmittelbar vor der Weltklimakonferenz auf Bali soll über mehrere Teile des in Meseberg beschlossenen Gesetzespakets entschieden werden. Auch um auf die indonesische Insel ein Signal „es geht“ zu senden. Manchmal heiligt der Zweck die Mittel. Vielleicht muss man deswegen etwas nachsichtig sein und auf die notwendigen Korrekturen im weiteren Gesetzgebungsverfahren warten. Jochen Vorländer

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