Wäre der Antrag angenommen worden und hätte Deutschland – dem Beispiel vom britischen Unterhaus, dem irischen Parlament, dem französischen Parlament und zahlreichen Städten und Gemeinden, darunter 27 in Deutschland, folgend – mit dem Ausrufen des Klimanotstands den Klimaschutz ganz oben auf die politische Agenda gesetzt, wäre der am 29. Mai 2019 vom BMWi und BMI vorgelegte Referentenentwurf für das EnEG, EnEV und EEWärmeG zusammenfasssende Gebäudeenergiegesetzes in entscheidenden Punkten zu überarbeiten. Zumindest nach der Auffassung zahlreicher Verbände, die dem Entwurf in Sachen Klimaschutz wenig Positives attestieren.
Ebenfalls am 28. Juni 2019 endete die Frist, Stellungnahmen zum GEG-Referentenentwurf einzureichen, zwei Tage vorher fand im BMWi eine Anhörung statt. Aus Pressemittelungen von Verbänden und Organisationen haben wir ein Stimmungsbild zusammengestellt (wegen der besseren Lesbarkeit haben wir einheitlich für den Referentenentwurf den Begriff GEG-Entwurf verwendet):
- Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) fordert von der Politik klare Entscheidungen für erneuerbare Energien im Wärmesektor. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) biete eine wichtige Chance, das Bauen und Wohnen in Deutschland stärker auf die Klimaschutzziele auszurichten. Das bedeutet aber, dass der Gesetzgeber sich von der Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2018 lösen muss, wonach das aktuelle energetische Anforderungsniveau nicht angehoben werden soll. Diese Entscheidung sollte nun im Klimakabinett getroffen werden, so der BWP. Konventionellen Energieträgern werde im GEG-Entwurf nach wie vor zu viel Spielraum eingeräumt – dadurch werde das Erreichen der Klimaschutzziele gefährdet, wenn nicht gar verhindert. Beim GEG gelte es, die positive Entwicklung, welche die Wärmepumpe seit der letzten EnEV-Novelle zumindest im Neubau genommen hat, fortzuführen. In dieser Hinsicht beinhalte der Gesetzentwurf einige Aspekte die stark korrekturbedürftig seien.
- Das Deutsche Energieberater-Netzwerk (DEN) lehnt den vorgelegten GEG-Entwurf ab. Er gehe vom Irrglauben der Politik aus, durch die Wahrung des Status quo im Gebäudebereich eine Baukostensteigerung zu vermeiden. Das DEN kritisiert ferner, dass der GEG-Entwurf nicht den Notwendigkeiten der Klimaziele im Gebäudebereich entspricht und sich die Regierung durch ein entsprechendes Gesetz mit Blick auf die gesetzten Klimaziele selbst blockieren würde. Deshalb hat das DEN einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der die klimarelevanten Benchmarks im Gebäudebereich schärfen und neu justieren soll.
- Der Verband Beratender Ingenieure (VBI) kritisiert, dass der GEG-Entwurf Energieeinsparverordnung, Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und Energieeinsparungsgesetz lediglich additiv zusammenführt und gültige energetische Standards festschreibe, aber keine wegweisenden Impulse zur besseren Nutzung der energetischen Potenziale des Gebäudesektors zum Klimaschutz enthalte. Der Entwurf gehe in die richtige Richtung, gehe aber bei weitem nicht weit genug. Aus VBI-Sicht ist eine Verschärfung der Anforderungen für Neubauten, insbesondere aber bei Sanierungen im Bestand, um 30 bis 40 % vertretbar und zum Erreichen der Klimaschutzziele erforderlich. Der VBI kritisiert außerdem, dass der GEG-Entwurf durch die unveränderte Anwendung der DIN V 18599 für den Nachweis des Jahresprimärenergiebedarfs keine Vereinfachung der komplexen Berechnungsverfahren vorsieht. Auch das vorgeschlagene Modellgebäude-Verfahren zur Bemessung energetischer Qualitäten ist aus VBI-Sicht ungeeignet, da dies die Gefahr berge, dass Bauträger und Investoren die Errichtung standardisierter Gebäude forcieren, statt architektonische Vielfalt zu fördern. Darüber hinaus tritt der VBI in seiner Stellungnahme dafür ein, den Kreis der Ausstellungsberechtigten für Energieausweise im Nichtwohngebäudebereich nicht zu erweitern.
- Der Energieberaterverband GIH blickt mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den GEG-Entwurf: Auf der einen Seite stünden Vereinfachungen, Planungssicherheit und eine Anbieteröffnung, auf der anderen Seite seien weder beim Niedrigstenergiegebäude-Standard noch bei den Energieausweisen wirkliche Fortschritte erkennbar. Man könne sich auch nicht vorstellen, dass sich die EU mit einer Lösung abspeisen lässt, die in etwa dem KfW-70-Standard gleichkommt. So ließen sich weder die zugesagten EU-Klimaschutzziele 2030 und 2050 erreichen, noch die Energiewende stemmen.
- Für die dena und die von ihr koordinierten Initiativen Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) und Biogaspartner geht der GEG-Entwurf in die richtige Richtung, da er bisher getrennte und teils widersprüchliche Gesetze und Verordnungen im Gebäudebereich in einem stringenten Gesetz zusammenfasst. Dass in diesem Rahmen die energetischen Anforderungen an Neubauten zunächst beibehalten werden, sei vor dem Hintergrund der intensiven und dringenden Debatte um bezahlbares Wohnen akzeptabel. Gleichwohl sei es wichtig, dass die Bundesregierung das Ziel im Blick behalte, die Energieeffizienz im Gebäudebereich weiter zu verbessern und den Einsatz von erneuerbaren Energien zur Wärmeerzeugung zu erhöhen. Bereits heute würden die vorhandenen Förderprogramme bewirken, dass etwa die Hälfte der Neubauten energetisch besser ist als gesetzlich vorgeschrieben erstellt werden. Hebt die Bundesregierung die gesetzlichen Standards mit dem GEG nicht an, sollte sie durch eine Verbesserung der Förderung dafür sorgen, dass noch mehr Neubauten energetisch optimiert entstehen. Spätestens ab 2025 sollte ausschließlich so gebaut werden, dass jedes Haus die Energie- und Klimaziele erfüllt.
- Für das vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm Zukunft Altbau geht der Entwurf in die falsche Richtung. „Die Sanierungsbranche braucht dringend die Einführung zukunftsfähiger gesetzlicher Energiestandards bei Neubau und Sanierung sowie Vereinfachungen bei der energetischen Bilanzierung von Gebäuden. Wir können unsere Klimaschutzziele nur erreichen, wenn deutlich mehr Bestandsbauten umfassend saniert werden. Kleinere Verschärfungen für Neubauten reichen bei weitem nicht.“
- Die Stiftung Energieeffizienz kritisiert, dass der GEG-Entwurf allein in § 37 eine Energieverschwendung verursache, die im Jahr 2030 zu rund 4 Mio. t vermeidbarer CO2-Emissionen und 1,6 Mrd. Euro überhöhten Heizkosten führen würde. Hintergrund sei die mangelnde Effizienz vieler realer Wärmepumpenanlagen in der Praxis. Eine Effizienzbewertung mittels der Arbeitszahl als messbare und praxisbewährte Relation von Wärme zu Strom sei aber gegenüber dem Referentenentwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vom 23.1.2017 im aktuellen GEG-Entwurf nicht mehr enthalten. Der zusätzliche Strombedarf von nicht in der Praxis kontrollierten Wärmepumpen gefährde die Sektorenziele im Klimaschutzplan. Um die bekannten Vollzugsdefizite der EnEV nicht fortzuschreiben, müssten praxisbewährte Arbeitszahlen verbindlich definiert und mittels geeichter Zähler kontrolliert werden.
- Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert, „den völlig unzureichenden GEG-Entwurf zurückzuziehen und im Einklang mit den Klimazielen neu aufzusetzen“. Mit dem GEG-Entwurf würde die Bundesregierung den Klimaschutz im Gebäudesektor gegen die Wand fahren, da er veraltete und unzureichende energetische Anforderungen fortschreibe. Neubauten von heute müssten aber schon jetzt mit dem Klimaziel 2050 kompatibel sein, daher müsse für Neubauten der KfW-Effizienzhaus-40-Standard im GEG festgeschrieben werden. Bei Vollsanierungen von Bestandsgebäuden müsse künftig der Zielstandard KfW-Effizienzhaus 55 festgelegt werden. Zudem fordert die DUH, im GEG ein Verbot neuer Ölheizungen ab 2020 sowie ein Verbot neuer Gasheizungen ab 2025 festzuschreiben.
- Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) befürwortet den Ansatz der Bundesregierung, bisher separate Vorschriften in einem neuen Gebäudeenergiegesetz zusammenzuführen. Jedoch müsse es deutlich ambitionierter gestaltet werden, als es der vorliegende GEG-Entwurf erwarten lässt. In Teilen lägen die Anforderungen unter der europäischen Gebäudeeffizienzrichtlinie von 2016.
- Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert „die ambitionslose Fortführung der rechtlichen Regelungen aus dem EEWärmeG und der EnEV“ im GEG-Entwurf. Entscheidende Impulse für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu setzen, würde verpasst. Verschärfend komme hinzu, dass die Nutzungspflicht erneuerbarer Energien durch verschiedene Ersatzmaßnahmen, die gegenüber dem aktuellen Gesetzesrahmen noch ausgeweitet bzw. in ihrem Anspruchsniveau abgesenkt wurden, weiterhin vollständig umgangen werden könne.
- Für den Bauherren-Schutzbund (BSB) ist der GEG-Entwurf bei der Definition eines Niedrigenergiestandards für Wohngebäude unambitioniert. So könnten weder eine langfristige Planungssicherheit für private Bauherren sichergestellt noch europäische Klimaschutzziele erreicht werden. Dass das Klimaschutzziel, bis 2050 den emissionsarmen bzw. -freien Gebäudebestand deutlich zu erhöhen, mit den angedachten Maßnahmen erreicht werden kann, sei schwer vorstellbar. Eher sei zu erwarten, dass man nicht lange an den geplanten Standards festhalten könne. Die GEG-Vorgaben werden schnell veraltet sein und schon in wenigen Jahren verschärft werden müssen. Wenn aber ein neues Haus deswegen in ein paar Jahren energietechnisch nicht mehr dem aktuellen Gesetzesstand entspricht, gehe das mit einem deutlichen Wertverlust einher. Die Entwertung der Immobilie sei in GEG-Entwurf mit angelegt.
- Für die Brancheninitiative Zukunft Erdgas verfehlt der GEG-Entwurf das Ziel, die wichtigsten Gesetze im Wärmemarkt zusammenzulegen und das Regelwerk zu vereinfachen – die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit könne kaum größer sein: „Was vorliegt, ist ein bürokratisch aufgeblähter Kompromiss, der keine nennenswerte CO2-Reduktion erzielen wird. Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, muss die CO2-Einsparung endlich als Leitgröße in allen Gesetzen und Maßnahmen etabliert werden.“
- Für den Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW stand zwar die Bezahlbarkeit des Wohnens sichtbar Pate beim GEG-Entwurf, diese müsse aber bei der Auswahl und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen für mehr Klimaschutz noch viel stärker in den Vordergrund rücken. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müsse die Klimapolitik viel stärker auf eine CO2-Reduktion abzielen.
- Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland hat begrüßt, dass der GEG-Entwurf am Gebot der Wirtschaftlichkeit festhält und die energetischen Anforderungen an den Gebäudebestand nicht weiter verschärft werden. Kritisch sieht der Eigentümerverband die vorgesehenen Neuerungen rund um den Energieausweis.
- Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) müsse sich im Gebäudeenergiegesetz das Ziel der Bundesregierung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 niederschlagen, was bei dem GEG-Entwurf aber nicht der Fall sei.
- Für den Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD) setzt der GEG-Entwurf keine Impulse im Sinne der vom Bund erstellten Gebäudeeffizienzstrategie. Durch die Beibehaltung der bisherigen energetischen Standards werde die Chance verspielt, einfache Maßnahmen für den Klimaschutz und die Energiewende auf breiter Ebene umzusetzen. Auch das Ziel einer deutlichen Vereinfachung und Verschlankung werde nicht erreicht. Mit 113 Paragrafen (EnEV, EnEG und EEWärmeG haben zusammen 66 Paragrafen), zahlreichen Querverweisen und Ausnahmen sei der GEG-Entwurf stellenweise noch unübersichtlicher und somit schwer verständlich. Der Verband sieht im GEG-Entwurf auch keine Anstöße für die Erhöhung der Sanierungsrate und für verbesserte Energieeffizienz beim Umsetzen von Maßnahmen.
- Der Verband für Wärmelieferung (VfW) und die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) monieren in einer gemeinsamen Stellungnahme vor dem Hintergrund der Klimakrise und dem wachsenden öffentlichen Ruf nach ambitionierter Klima- und Energiepolitik verpasste Chancen im GEG-Entwurf im Sinne der Zielerreichung.
Das BMWi hat angekündigt, die Stellungnahmen mit der Detailkritik zum GEG-Entwurf zu veröffentlichen. Wir werden dann hier einen Link setzen. ■