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Nachhaltige Gebäude

In zehn Jahren de-facto-Standard

Dass Bauwirtschaft und Gesellschaft momentan eine überschaubare Zahl nachhaltig errichteter Gebäude begeistern, ist ein bemerkenswerter Erfolg. Denn die Realität ist eine andere: Insbesondere weil der heute übliche Baustandard nur die privaten Kosten des fossilen Energiekonsums abbildet, nicht aber die sozialen Kosten: Würden die heute extern zu tragenden Kosten auf den Energieeinkauf umgelegt, wäre Energie deutlich teurer. Gebäudekonzepte mit höherer Ressourceneffizienz und geringerem Verbrauch nichterneuerbarer Energieträger könnten sich am Markt besser behaupten. Unter diesen Bedingungen würden sich die Mehrkosten zur Realisierung schneller als heute refinanzieren.

Trotzdem sind alle Baubeteiligten gut beraten, sich auf einen schnellen Wandel einzustellen. Eine aktuelle Studie von Deutsche Bank Research [1] geht davon aus, dass eine strengere Gesetzgebung nachhaltige Gebäude schon in zehn Jahren zum de-facto-Standard macht – lange bevor der „grüne“ Immobiliensektor sonst seiner Nische entwachsen würde. Ein wichtiger Grund für den staatlichen Eingriff sind die hohen Umweltbelastungen des Gebäudesektors bei gleichzeitig großem und technisch einfach realisierbarem Reduktionspotenzial: Gebäude verursachen EU-weit 42 % des Endenergieverbrauchs und verantworten 35 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen. Das größte Einsparpotenzial weisen Wohngebäude auf, ihr Anteil am Endenergieverbrauch beträgt rund 26 %.

Trotzdem kommt Nichtwohngebäuden beim nachhaltigen Bauen eine Vorreiterrolle zu. Bezogen auf die gleiche Kubatur sind hier nutzungsbedingt das absolute und das spezifische Einsparpotenzial höher als bei Wohngebäuden. Auch gibt es immer mehr Unternehmen, die ihre Geschäftspolitik aufgrund des erhöhten Umweltbewusstseins ihrer Kunden an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten – um sich am Markt abzuheben. So zwingt die steigende Nachfrage der Gewerbemieter aufgrund geringerer Betriebskosten, höherer Arbeitsproduktivität sowie aus Reputationsgründen die Anbieter von Immobilien zur Anwendung von Bautechnologien mit höheren Nachhaltigkeitskriterien.

Die Studie von Deutsche Bank Research hat allerdings auch Hindernisse identifiziert: So fehlen dem Immobiliensektor eine allgemeingültige Definition von Green Buildings und konsistente Kennziffern zu deren Leistungsfähigkeit. Diese Defizite erschweren die Berechnung der Rentabilität von Investitionen in nachhaltige Gebäude, was das Investoreninteresse bremse. Zudem behindern ein potenzielles Missverhältnis zwischen den Kosten auf Seiten des Vermieters und den Vorteilen auf Seiten der Mieter die raschere Verbreitung von Green-Building-Standards.

Die Zertifizierung sieht die Studie als Signal an den Markt. In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Zertifizierungssysteme stark zugenommen; außerhalb der USA und Großbritanniens kommen sie jedoch bisher nur begrenzt zum Einsatz. Trotzdem seien sie Wegbereiter für eine nachhaltigere Immobilienwirtschaft, indem sie für Transparenz bei den Nachhaltigkeitskriterien sorgen.

Wenngleich die Vorteile von Green Buildings einen wichtigen Beitrag zur wachsenden Verbreitung von nachhaltigen Gebäuden leisten, sieht die Studie von Deutsche Bank Research in erster Linie die Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (siehe Seite 20) als Weichensteller dafür, dass in zehn Jahren alle Neubauten und Sanierungen „grüne“ Gebäude hervorbringen: Bis 2021 müssen EU-weit alle Neubauten als „Niedrigstenergiegebäude“ errichtet werden. Neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden, müssen dies bereits zwei Jahre vorher erfüllen. Es sei dann nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung den Gebäudebestand transformiert. Jochen Vorländer

1) LEED: „Leadership in Energy and Environmental Design“ ist ein Zertifikat des US Green Building Council.

Literatur

[1] Nachhaltige Gebäude – Von der Nische zum Standard. Frankfurt: Deutsche Bank Research, Mai 2010, Download auf http://www.dbresearch.de

[2] Wolfgang Schmid: Konzernzentrale Süddeutscher Verlag: Auf den Leib geschneidert. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 04-2010