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Regenwasserbewirtschaftung

Regenwasser braucht eine Aufenthaltserlaubnis vor Ort

Bild 1 Fällt nach einer Dürreperiode der ersehnte Regen heftig, kann der durchgetrocknete Boden die Wassermenge kaum aufnehmen. Regenspeicher mit zeitversetztem Überlauf und andere Retentionsmaßnahmen sind dann hilfreich.

Mr.Stock – stock.adobe.com

Bild 1 Fällt nach einer Dürreperiode der ersehnte Regen heftig, kann der durchgetrocknete Boden die Wassermenge kaum aufnehmen. Regenspeicher mit zeitversetztem Überlauf und andere Retentionsmaßnahmen sind dann hilfreich.

Die Regenwasserbewirtschaftung kann eine recht trockene Angelegenheit werden, wenn es mal wieder vier bis sechs Wochen nicht regnet, wie in den Jahren 2018 bis 2020 und 2022. Dann sind kleine Regenspeicher leer und extensiv begrünte Dächer trocken. Doch klimaresiliente Stadtquartiere bzw. Siedlungsflächen haben zusätzliche Bausteine.

Der Artikel kompakt zusammengefasst
Dürre und Starkregen im Wechsel führt zu zahlreichen Problemen und erfordert in Städten eine vorausschauende Regenwasserbewirtschaftung.
■ Regenwasser muss künftig länger in der Stadt bleiben und gefahrlos durch die Methoden der Regenwasserbewirtschaftung mit den Aspekten Umweltschutz, Lebensqualität, Stadtklima und Überflutungsschutz verknüpft werden.
■ Beschattung durch lebendiges Grün und Kühlung durch Verdunstung von Regenwasser – beides hilft auch, Gebäude und Stadtteile natürlich zu klimatisieren. Spürbare Fortschritte beim Stadtklima erfordern deutlich mehr Verdunstung über private Gebäude- und Straßenraumbegrünung.
 

Fehlt der Regen, wie 2018 im Norden und Osten Deutschlands für sogar sechs Monate, fällt das Laub frühzeitig von den Bäumen und bestimmte Pilze sowie Schädlinge nehmen überhand. Saftige Wiesen verwandeln sich in dürre Steppen. Mit sinkenden Wasserpegeln in Rhein, Main und Neckar sind im Oktober 2018 sogar die Preise für Kraftstoffe und Heizöl in Süddeutschland kräftig gestiegen.

Damit hatten die wenigsten gerechnet – doch in leeren Flüssen können keine vollen Tankschiffe fahren. 2022 ist es in vielen Flussabschnitten ähnlich dramatisch, und mit der Notwendigkeit auch vermehrt Steinkohlen zur Sicherstellung der Stromversorgung zu transportieren, wird die Brisanz noch deutlicher. Es gab und gibt also viele Gründe, sich anhaltende Niederschläge herbeizuwünschen.

Kommt der ersehnte Regen endlich und fällt er heftig, setzt sich die Tragödie fort: Der durchgetrocknete Boden kann die Wassermenge kaum aufnehmen. Erst in gut durchfeuchtetem Zustand entspricht die sogenannte Infiltrationsrate dem, was beim Bau von Sickermulden geplant und berechnet wurde. Wünschen wir uns also nach einer Trockenperiode drei Tage Nieselregen – selbst wenn der Durst unserer Gärten, Parks und Außenanlagen groß ist. Sonst folgt auf die Dürre gleich das andere Extrem, die Überflutung.

Bild 2 Urbane Sturzfluten häufen sich, die Auswirkungen werden immer dramatischer. Im Frühsommer 2016 traten Starkregenereignisse besonders kleinräumig und heftig auf, ebenso in den Jahren 2017 und 2021. Trotz professioneller Wetterdienste, stündlicher Vorhersagen und lokaler Unwetterwarnungen konnten die Betroffenen nicht vorsorgen. Sach- und Personenschäden waren erheblich.

Jäckle

Bild 2 Urbane Sturzfluten häufen sich, die Auswirkungen werden immer dramatischer. Im Frühsommer 2016 traten Starkregenereignisse besonders kleinräumig und heftig auf, ebenso in den Jahren 2017 und 2021. Trotz professioneller Wetterdienste, stündlicher Vorhersagen und lokaler Unwetterwarnungen konnten die Betroffenen nicht vorsorgen. Sach- und Personenschäden waren erheblich.
Bild 3 Wollen wir irgendwann spürbare Fortschritte im Stadtklima, brauchen wir deutlich mehr Verdunstung über Gebäude- und Straßenraumbegrünung, wie hier im Europaviertel Frankfurt-West. Voraussetzung sind Niederschlagsvorräte zur Bewässerung in Trockenphasen.

König

Bild 3 Wollen wir irgendwann spürbare Fortschritte im Stadtklima, brauchen wir deutlich mehr Verdunstung über Gebäude- und Straßenraumbegrünung, wie hier im Europaviertel Frankfurt-West. Voraussetzung sind Niederschlagsvorräte zur Bewässerung in Trockenphasen.
Bild 4 Europaviertel Frankfurt-West: Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat dieses Stadtquartier als eines der ersten fünf in Europa mit dem Nachhaltigkeitszertifikat in Platin ausgezeichnet, u. a. wegen der positiven Veränderung des Stadtteilklimas.

Gregor Grassl

Bild 4 Europaviertel Frankfurt-West: Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat dieses Stadtquartier als eines der ersten fünf in Europa mit dem Nachhaltigkeitszertifikat in Platin ausgezeichnet, u. a. wegen der positiven Veränderung des Stadtteilklimas.
Bild 5 Großsachsenheim im Norden Stuttgarts: Eine 100 m lange und komplett begrünte Lärmschutzwand, die auch zum besseren Stadtklima beiträgt. Niederschlagsabflüsse der Gebäudedächer (rot markiert) füllen den unterirdischen Regenspeicher und dienen der automatischen Bewässerung.

Helix-Pflanzensysteme

Bild 5 Großsachsenheim im Norden Stuttgarts: Eine 100 m lange und komplett begrünte Lärmschutzwand, die auch zum besseren Stadtklima beiträgt. Niederschlagsabflüsse der Gebäudedächer (rot markiert) füllen den unterirdischen Regenspeicher und dienen der automatischen Bewässerung.
Bild 6 Die Bewohner des Quartiers sparen Niederschlagsgebühren, weil ihr Regenwasser genutzt wird. Die begrünte Wand absorbiert Schall, statt ihn zu reflektieren, und filtert Feinstaub. Sie ist ein Habitat für Kleintiere, wandelt Kohlendioxid in Sauerstoff um und kühlt im Sommer durch Verdunstung.

Helix-Pflanzensysteme

Bild 6 Die Bewohner des Quartiers sparen Niederschlagsgebühren, weil ihr Regenwasser genutzt wird. Die begrünte Wand absorbiert Schall, statt ihn zu reflektieren, und filtert Feinstaub. Sie ist ein Habitat für Kleintiere, wandelt Kohlendioxid in Sauerstoff um und kühlt im Sommer durch Verdunstung.
Bild 7 BuGG-Fassadenbegrünung des Jahres 2021. Das ENNI-Verwaltungsgebäude in Moers mit 600 m2 Wandbegrünung.

Bundesverband GebäudeGrün (BuGG)

Bild 7 BuGG-Fassadenbegrünung des Jahres 2021. Das ENNI-Verwaltungsgebäude in Moers mit 600 m2 Wandbegrünung.

Resilienz im Wohnquartier

Die Stadt Großsachsenheim im Norden Stuttgarts hat im Untergrund ein Depot mit 75 m3 Regenwasser. Das wird benötigt für eine im Jahr 2015 erstellte 100 m lange und komplett begrünte Lärmschutzwand – die viele Vorzüge gegenüber herkömmlichen Lösungen aus Stahl, Beton oder Glas hat. Das Regenwasser des dahinter liegenden Wohnquartiers wird zur Bewässerung der Lärmschutzwand genutzt.

Damit sparen die Bewohner der Siedlung Niederschlagsgebühren. Außerdem absorbiert die Begrünung Schall, statt ihn zu reflektieren, und filtert Feinstaub. Sie ist ein Habitat für Kleintiere, wandelt Kohlendioxid in Sauerstoff um und kühlt im Sommer durch Evapotranspiration.

Der Begriff steht für Gesamtverdunstung sowohl aus der Pflanze als auch aus dem feuchten Substrat heraus. Die Anerkennung der Naturschutzbehörde als Ausgleichsmaßnahme wegen all dieser Vorzüge soll der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt werden. Für eine nicht begrünte Konstruktion hätte im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes ein zusätzlicher Ausgleich geschaffen und bezahlt werden müssen.

Beschattung durch lebendiges Grün und Kühlung durch Verdunstung von Regenwasser – beides hilft, Gebäude und Stadtteile natürlich zu klimatisieren (bzw. den Klimatisierungsbedarf zu senken) und urbane Hitze zu verringern. Dach- und Fassadenbegrünungen sind, wie bei der Lärmschutzwand, dafür ideal geeignet. Aus diesem Grund will Stuttgart mehrere Wohn- und Gewerbequartiere im Nordwesten der City in Bezug auf Stadtklima nachhaltig optimieren. Und Hamburg hat eine Gründachstrategie entwickelt. Das Ziel ist, möglichst alle technisch dafür geeigneten Dachflächen in grüne Niederschlagspuffer zu verwandeln. Das ist kein Widerspruch zu der ebenfalls angestrebten Solarisierung von Dachflächen: Solargründächer kombinieren schon heute Photovoltaik und Dachbegrünung und die Solarstromerzeugung profitiert sogar vom Kühlungseffekt.

Bausteine der urbanen Regenwasserbewirtschaftung

Regenwasser muss künftig länger in der Stadt bleiben und gefahrlos durch die Methoden der Regenwasserbewirtschaftung mit den Aspekten Umweltschutz, Lebensqualität, Stadtklima und Überflutungsschutz verknüpft werden. Diese neue Aufgabe beschäftigt mittlerweile Stadt- und Regionalplaner europa- und weltweit. In Deutschland spüren wir die Auswirkungen schon. So sehen sich Haus- und Grundbesitzer zunehmend mit Auflagen und Kosten konfrontiert:

● Bei Neubauten hängt die Baugenehmigung zunehmend von Regenwasserbewirtschaftungs-Maßnahmen ab.

● Bei bestehenden Gebäuden geben die ständig steigenden Niederschlagsgebühren Anlass, über eine alternative Regenentwässerung nachzudenken.

Auch von Investoren kommen Impulse. Wo sie große Immobilien und Stadtquartiere finanzieren, wünschen sie immer häufiger, das Projekt auf Nachhaltigkeit zertifizieren zu lassen, z. B. nach DGNB. Dafür sind Lösungen im Umgang mit Regenwasser von Vorteil.

Überflutungsvorsorge bei Starkregen in Verbindung mit Regenrückhaltung und Gebäudebegrünung lassen sich vor allem im öffentlichen Raum kombinieren. Zu ebener Erde, im Straßenraum, werden Pflanzensysteme als klimatisch ausgleichende Elemente etabliert: Baumalleen mit Gehölzen, die unter den urbanen Bedingungen gedeihen.

Grundvoraussetzung ist natürlich wieder ausreichend Wasser, idealerweise Regenwasser. Es kommt von den Fahrbahnen und Gehwegen, wird über bewachsene Sickermulden oder technische Filter von Schadstoffen befreit und in Rigolen eingeleitet. Diese Rigolen halten Wasser für die Baumwurzeln bereit. Der Überschuss an Niederschlagswasser versickert. Im Zuge von ohnehin fälligen Straßenbauarbeiten bieten sich die besten Möglichkeiten für den Einbau solcher Baumquartiere und Rigolen.

Lokale Wasserbilanz

Wollen wir irgendwann spürbare Fortschritte im Stadtklima, brauchen wir deutlich mehr Verdunstung über private Gebäude- und Straßenraumbegrünung. Gleichzeitig gilt es, den natürlichen Wasserkreislauf in der Erde zu unterstützen, sinkende Grundwasserspiegel auszugleichen. Dafür bedarf es der Versickerung von unbelasteten Niederschlägen, die von wasserdurchlässig befestigten Flächen stammen und direkt durch die Fugen und die Bettung des Belags sickern.

Solche Flächen sind beispielsweise Gehwege, Fahrzeugstellplätze, Innenhöfe ohne seitliche Grünflächen. Gutachten dazu haben schon vor einem Jahrzehnt bestätigt, dass das dauerhaft alleine über die Fugen des Belags funktionieren kann. Stammt das Wasser von Verkehrsflächen, muss es vor der Versickerung gereinigt werden. Dafür eignen sich Filterschächte mit entsprechender Zulassung.

Aktuell erscheinen mit DWA-A/M 102 und BWK-A/M 3 technische Regelwerke zum Regenwasser-Management, deren Vorbild und Ziel die lokale Wasserbilanz ist. Gemeint ist damit das ursprüngliche Verhältnis von Versickern, Verdunsten und oberirdisch Ableiten am jeweiligen Ort.

Sind beispielsweise vor einer Bebauung 30 % des Niederschlags versickert und 60 % verdunstet, soll das auch nach Fertigstellung von Gebäuden, Grün- und Verkehrsflächen so sein. Und bei 10 % oberflächigem Abfluss in einem Bachlauf soll auch der nach Fertigstellung eines Stadtquartiers wieder vorhanden sein.

Um beim Entwurf eines Bebauungsplanes die Prozentsätze festlegen zu können, brauchen Stadtplaner ein bundesweites Kataster der ursprünglichen Wasserbilanz. Mit dem Hydrologischen Atlas Deutschland (HAD) sind die benötigten Werte mittlerweile kleinräumig verfügbar. Zugleich bieten die Kataloge der Hersteller Angaben zur Versickerungs- und Verdunstungsleistung ihrer Produkte und Systeme an.

 

Zeitgemäße Bausteine dezentraler Regenwasserbewirtschaftung

Verdunstung: Dach- und Fassadenbegrünung, Wasserflächen und Gräben / Mulden

Verzögerte Ableitung: Gründächer, Regenspeicher, Sickermulden, Behandlungsanlagen

Versickerung: bepflanzte Mulden, Rohr-/ Kies-/ Block-Rigolen, Sickerpflaster

Behandlung (Reinigung): Bodenpassagen, Filter, Sedimentations-/Adsorptionsanlagen

Nutzung: Betriebswassertechnik für Bewässerung, WC, Waschmaschine, adiabatische Kühlung, Produktion, Reinigung, Aufbereitung

 

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Dipl.-Ing. Klaus W. König
war 20 Jahre als Architekt selbstständig und ist heute Fachjournalist und Buchautor, speziell zur wasserorientierten Stadtplanung und zur energiesparenden Bautechnik. Er ist Mitarbeiter im DIN-Ausschuss Wasserrecycling / Regen- und Grauwassernutzung sowie Gründungsmitglied des gemeinnützigen Bundesverbands für Betriebs- und Regenwasser e. V. (fbr). 88662 Überlingen, www.klauswkoenig.de

König

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