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Energieausweis

Massive Informationsdefizite

Der Energieausweis soll eine einfache Aufgabe übernehmen: Gebäude mit hohem Energiebedarf bzw. -verbrauch lassen sich schlechter vermieten bzw. verkaufen und werden deswegen früher als üblich energetisch saniert. Trotz historisch hoher Energiepreise geht das Kalkül bisher nicht ansatzweise auf: Denn potenzielle Mieter wissen mit dem Energieausweis wenig anzufangen. Bis sie den gewünschten Mechanismus bedienen können, ist noch Aufklärungsarbeit en gros erforderlich. Da klingt es fast ironisch, was der federführend für den Energieausweis verantwortliche Bundesminister Wolfgang Tiefensee eine Woche vor dem Inkrafttreten der der Energieausweispflicht am 1. Juli verkündete: „Wir haben eine Informationsbroschüre erarbeitet, die gezielt die Verbraucher anspricht. Die Broschüre ‚Energieausweise für Gebäude – nach EnEV 2007’ wird pünktlich zum 1. Juli ins Internet des Bauministeriums eingestellt.“ Pünktlich?

Vorher hatte Tiefensee eingeräumt, dass sich 61 % der Deutschen mit Aufbau und Funktion des Energieausweises noch nicht ausreichend vertraut fühlen. Dabei ist diese Angabe aus einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sogar noch ziemlich selektiv. Denn in der Pressemitteilung über die Studie des Immobilienportals ImmobilienScout24 – das nennt Tiefensee seit neuestem als Kooperationspartner zur Verbraucherinformation beim Energieausweis in einem Atemzug mit der Deutschen Energie-Agentur (dena) – heißt es: „Nur 14,6% der Bevölkerung fühlen sich ausreichend mit Aufbau und Funktion des Energieausweises vertraut.“ So findet man es auch in der Studie. Berücksichtigt man nur die Mieter, sind es gerade einmal 8,8 % die dies angegeben haben. 20,9 % sind mit dem Aufbau und der Funktion des Energieausweises teilweise vertraut. Es bleiben 70 % die „weniger vertraut“ (30,9 %) bzw. „gar nicht vertraut“ (39,3 %) sind.

Das Ergebnis überrascht umso mehr, weil in der gleichen Studie fast 85 % der Befragten angegeben haben, dass der energetische Zustand der von ihnen bewohnten Immobilie für sie wichtig sei. Darüber hinaus meint gut jeder Zweite (53,5 %), dass die Angaben aus dem Energieausweis auf die Wahl des nächsten Wohnobjekts einen großen ­Einfluss haben werden.

Doch wie soll etwas Einfluss haben, dass man nicht lesen kann? Auch die tiefere Befragung zeigt, der energetische Zustand des Hauses ist kein ­primärer Entscheidungsgrund: „Was sind für Sie die wichtigsten Kriterien bei der Wahl einer Wohnung oder beim Kauf einer Immobilie?“, fragte ImmobilienScout24. Für 72,3 % der Mieter ist es die Kaltmiete, für 38,5 % die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten, für 37,3 % die öffentliche Verkehrsanbindung, für 34,0 % die Nähe zur Arbeitsstätte, für 29,5 % minimaler Verkehrslärm, für 22,1 % der im Haus verwendete Energieträger, für 17,2 % die Nähe zu Freunden und Bekannten und nur für 16,2 % der energetische Zustand des Hauses. Nur die Nähe zur Schule oder Kinderbetreuung (11,3 %) bzw. zu Freizeitmöglichkeiten (8,4 %) rangieren noch darunter.

Inzwischen haben sich viele „interessierte Kreise“ aus der Branche gedanklich vom Ener­gieausweis verabschiedet, insbesondere weil ­bisher überwiegend Verbrauchsausweise aus­gestellt worden sind. Die zeigen nämlich alles ­andere als Handlungsbedarf an: So hat bei­spielsweise der Messdienstleister ista in einer Studie auf Basis ausgestellter Energieausweise ermittelt, dass mehr als neun von zehn Objekten in Deutschland energetisch im „grünen Bereich“ liegen. Das liegt allerdings weniger an der ener­getischen Qualität der Immobilien, sondern vornehmlich daran, dass der Verordnungsgeber den grünen Bereich im Energieausweis äußerst großzügig gestaltet hat. Jochen Vorländer

http://www.bmvbs.de

http://www.www.immobilienscout24.de

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