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2. Zukunftsforum Gasheizung

Kein Rückenwind mehr

Allein der Blickwinkel spricht Bände: Auf dem 2. Zukunftsforum Gasheizung am 13. und 14. Mai des Gaswärme-Instituts (GWI) in der Zeche Zollern, Dortmund, ging es nicht darum, eine Führungsposition zu verteidigen, sondern Wege zu diskutieren, wie man den Vorsprung der Elektro-Wärmepumpe in der Gunst der Endkunden wettmachen kann. Die Elektro-Wärmepumpe ist momentan Schreckgespenst und Messlatte zugleich. Und die ist in einer Gesamtbewertung schwer zu erreichen. Der Gaswirtschaft fehlen dazu die Zugpferde: Innovationsstärke und Zukunftssicherheit sollen Gas-Wärmepumpe, Mikro-KWK und Brennstoffzelle demonstrieren – doch für den Markt sind sie noch nicht wettbewerbs­fähig verfügbar. Und Gas-Brennwerttechnik als aktuelle Spitzentechnik wird vom Endkunden nicht mehr als innovativ anerkannt.

Kaum jemand in der Branche weiß das besser als Hans-Jochen Brückner. Es wird still, als er auf das Podium tritt. Neugierde und instinktives Abducken halten sich im Auditorium die Waage. Es liegt nicht an Brückner, der Leiter Marktforschung und Vertriebsinformation bei E.on Ruhrgas ist. Es liegt an dem, worüber er referieren wird, an den Zahlen, die er präsentieren und kommen­tieren wird. Und an den Konsequenzen, die diese Zahlen haben, die unbequeme Wahrheit: Der einst kräftige Rückenwind für Erdgas ist abgeflaut. In einigen Märkten kommt der Wind schon von vorne.

2008 bewerteten 38 % der privaten Haushalte Heizkosten und Heizkosteneinsparung als äußerst wichtiges Thema, 72 % beschäftigen sich mindestens hin und wieder damit. Erdgas kristallisiert sich dabei nicht als Wunschenergie. Lediglich für 24 % ist Erdgas die 1. Wahl, fast die Hälfte (48 %) möchte am liebsten mit alternativen Energien/ Wärmepumpe/Holzpellets ihren Raumwärmebedarf decken. Diese Favorisierung findet man mit 45 % auch unter den Erdgasheizern – mit steigender Tendenz: 2007 sagten dies nur 41 %. Seit 2004 ist Erdgas als Wunschenergie von 37 % (alle privaten Haushalte) auf 24 % in 2008 gesunken. Die Wärmepumpe als Versorgungskonzept konnte ihren Wert im gleichen Zeitraum von 3 % auf 16 % vervielfachen.

Bei Erdgas 13 Prozentpunkte verloren, bei der Wärmepumpe 13 Prozentpunkte gewonnen. Auch so entstehen Feindbilder. Tatsächlich ist die Wärmepumpe aber nur für 33 % (in 2008) die Wunsch­energie bei den abwanderungsbereiten Erdgasheizern. Jedoch mit steigender Tendenz. 2004 konkretisierten nur 9 % der Erdgasheizer ihren Wechselwunsch in diese Richtung. Bei Ölheizern (Eigentümer in gasversorgten Orten) kommt die Wärmepumpe auf gleiche Werte (10 % in 2004, 39 % in 2008), jedoch wirkt sich das auch auf Erdgas aus: Für diese Zielgruppe war Erdgas im Jahr 2003 mit einem Wert von 50 % die Wunschenergie Nr. 1, 2008 gaben dies nur noch 9 % an. Die Ausschöpfungsquote ist parallel dazu von rund 45 % auf unter 30 % gesunken.

Warum die Elektro-Wärmepumpe als einzige zur Verfügung stehende Ausführung so punkten kann, legt das von GfK abgefragte Imageprofil ­privater Haushalte in gasversorgten Orten offen. Nur bei den Eigenschaften „sauber“ und „kom­fortabel“ bekommt Erdgas bessere Noten, bei „umweltfreundlich“ und „sympathisch“ liegt die ­Wärmepumpe vorne, bei „langfristig verfügbar“, „wirtschaftlich“, „innovativ“, „ungefährlich“ und „preiswert“ sogar mit deutlichem Abstand.

Brückner macht klar, der Imageverlust von Erdgas hält an. Einerseits, weil Erdgas in den letzten Jahren oft negative Schlagzeilen produzierte, andererseits aber auch, weil der Boom der regenerativen Energien anhält und neue Technologien ein verstärktes Interesse und große Nachfrage erzeugen. Um das Image von Erdgas wieder aufzupolieren, hält der Marktforscher eine stärkere Positionierung in diesem Marktumfeld für unumgänglich. Erdgas müsse als langfristig verfügbarer, innovativer und umweltfreundlicher Ener­gieträger vermittelt werden. Für die klare Neupositionierung hält er eine konzertierte Aktion der Gaswirtschaft zur Entwicklung neuer Technologien für erforderlich.

Genau hier hat die Gaswirtschaft massiv versagt. Unterstützung für die Entwicklungsprojekte fand die Geräteindustrie bis 2007 nur bei einzelnen Marktakteuren. Gleichzeitig ramponierten ­bornierte Versorgungsunternehmen durch die in die Öffentlichkeit gebrachte Blockade einzelner Vorreiterkunden das Image der Gaswirtschaft und den Glauben an einen konfliktfreien Techno­logiewechsel. Und das mangelnde Interesse hat die Entwicklung der Geräteindustrie nicht gerade ­beschleunigt. Nun fehlt die Zeit. Und das Erreichen der Marktreife wird zusätzlich durch immer höhere Wirkungsgrade erschwert, die zum Aufschließen mit der Elektro-Wärmepumpe erforderlich sind.

Gas-Wärmepumpe: Zu spät für Neubau

Auf dem 1. Zukunftsforum Gasheizung1) im Oktober 2007 wurde u.a. die Gas-Wärmepumpe als Hoffnungsträger gehandelt. Marktverfügbar sind bisher nur wenige Geräte mit Leistungen deutlich über dem Einfamilienhaus, Seriengeräte kommen fast ausschließlich von ausländischen Anbietern. Ab 2011 soll man sie auch bei den großen deutschen Heiztechnikanbietern kaufen können. Bis ein spürbares Marktvolumen erreicht wird, wird es erfahrungsgemäß mehrere Jahre dauern.

Ob es thermisch angetriebene Wärmepumpen überhaupt schaffen, der Elektro-Wärmepumpe Einhalt zu gebieten, ist noch nicht abzusehen. Denn während hier noch nicht einmal mit der Standardisierung von typischen Komponenten begonnen worden ist, legen selbst die preisgünstigen Luft/Wasser-Wärmepumpen immer höhere Leistungszahlen vor. Es könnte also gut sein, dass das Zeitfenster für einen erfolgreichen Markteintritt der Gas-Wärmepumpe in den Neubau nicht mehr erreicht wird2). Günstige Kosten vorausgesetzt, ergeben sich aber große Potenziale für Bestandsgebäude mit mittlerem Energieverbrauch, bei denen sich eine Komplettsanierung von Hülle und Anlagentechnik auf Neubaustandard noch nicht rechnet. Und falls sie kommt: Die Gas-Wärmepumpe wird vorrangig Gas-Brennwerttechnik verdrängen.

Der Markterfolg wird auch maßgeblich von ­finanzieller Unterstützung abhängen. Einen langen Hebel hat die Gaswirtschaft selbst in der Hand: Gas-Wärmepumpen-Tarife mit langfristiger Bestandsgarantie wären ein starkes Signal. Doch die Subventionierung einer Technik, die gleich­zeitig den Gasabsatz deutlich verringert, erfordert zunächst in den Unternehmen ein Umdenken. Gleichzeitig sind viele Versorger in ihrer Doppelrolle als Strom- und Gaslieferant nicht unbedingt an diesem (Preis-)Wettbewerb interessiert.

Mikro-KWK: Zu wenig Strom

Zweiter Hoffnungsträger der Gaswirtschaft sind Mikro-KWK. Doch auch die Strom erzeugende Heizung wird trotz hoher Faszination ihren Platz im Markt erst erobern müssen. Insbesondere bei Einfamilienhäuser mit geringem Wärmebedarf: Bei Stirlingmotoren mit einer Stromkennzahl von unter 0,2 stehen die jährlichen Differenzkosten einer zweigleisigen Versorgung zu den Investitionsmehrkosten in einem eher ungünstigen Verhältnis. Man könnte auch sagen: Die Rendite ist für das unternehmerische Risiko (Gerätedefekt) zu gering. Mikro-KWK mit einem Gasmotor können zwar auch bei kleinen Leistungen von 1 kWel eine deutlich höhere Stromkennzahl von über 0,3 erreichen, aktuell wird dieser Vorteil aber noch durch den regelmäßig erforderlichen Ölwechsel getrübt. Vielleicht ist dieser Kostenfaktor aber konzeptionell zu reduzieren. Für Gebäude (oder kleine Nahwärmenetze) mit höherem Wärmebedarf und einer kontinuierlichen Grundlast gibt es bereits heute sehr gute Voraussetzungen für Mini-KWK sowie bewährte Aggregate.

Über die Erfahrung von Feldtests der GASAG mit den Mini-KWK-Aggregaten lion-Powerblock und WhisperGen berichtete auf dem 2. Zukunfts­forum Gasheizung Dr.-Ing. Detlef Bohmann, Geschäftsführer BEGA.tec, Berliner Gasanlagen Messtechnik GmbH, (Gesellschafterin ist die GASAG). Anhand eines Zeitstrahls machte Bohmann beispielhaft für den von Otag, Olsberg, entwickelten lion-Powerblock (Freikolbendampf­maschine mit Lineargenerator „Lineator“) deutlich, dass es sich bei dem 2006 begonnenen Feldtest auch um Feldarbeit handelte und nicht um den Test marktreifer Geräte. Viele Geräteteile wurden zwischenzeitlich aufgrund von Problemen durch Weiterentwicklungen ersetzt. Wichtige Erkenntnis: Um die Geräte in reale Anlagen zu integrieren und um die Schalthäufigkeit zu reduzieren und um den Gesamtnutzungsgrad zu erhöhen, ist ein Pufferspeicher erforderlich. Das führt zu höheren Systemkosten und auch höheren Energieverlusten.

Trotzdem waren die elektrischen Nutzungsgrade (netto) mit im Minimum 3 % und im Maximum 8 % gering, die vom Hersteller angegebenen Bruttowerte wurden aber erreicht. Die Herstellerangabe für die Primärenergieeinsparung PEE nach Richtlinie 2004/8/EG von 11,6 % wurde allerdings in keinem Fall erzielt, die beste Anlage kam auf 10 % (10 % ist als Rechenwert Anspruchsvoraussetzung für die Richtlinie zur Förderung von Mini-KWK-Anlagen) ohne die Berücksichtigung vermiedener Verteilverluste. Bohmanns Fazit: „Der lion-Powerblock stellt derzeit noch kein technisch ausgereiftes und – damit verbunden – wirtschaftlich einsetzbares Produkt dar.“ Trotzdem äußerte er sich sehr positiv über die Kooperation und den Service von Otag.

Dass die Mini-KWK im Praxiseinsatz noch ganz am Anfang steht, wurde auch aus dem Bericht über den Feldtest mit dem WhisperGen-Aggregat (doppelt wirkender 4-Zylinder-Stirling-Zyklus, 1 kWel) deutlich. Größere Potenziale zur Steigerung der Nutzungsgrade liegen beispielsweise bei der Regelung bzw. der daraus resul­tierenden Betriebsweise. Und auch bei der Gerätedimensionierung: Fast unabhängig von der Geräteauslastung konnten rund 50 % der erzeugten elektrischen Arbeit in den Wohnobjekten nicht genutzt werden und wurden ins öffentliche Netz eingespeist.

Neben der Technik gibt es allerdings auch noch andere Hürden für die Mini-KWK-Nutzer: Bezirksschornsteinfeger, Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Hauptzollamt und Verteilungsnetzbetreiber (Strom) haben keine einheitlichen Regelungen, diverse Auflagen, verursachen viel Papier und mitunter auch zusätzliche Investi­tionskosten. Positiv hingegen fiel die Kundenzufriedenheitsanalyse der 30 Feldtesteilnehmer aus: 19 waren „sehr zufrieden“ (5) bzw. „zufrieden“ (14); 7 waren „skeptisch, setzten aber den Feldtest fort“. (In zwei Fällen kam es zum Abbruch des Feldtests, von zwei Teilnehmern lag keine Auswertung vor.)

Die Brennstoffzelle war auf dem Zukunftsforum nur indirekt ein Thema (siehe auch Seite 32: „Brennstoffzellen-Heizgerät: Mühsames Herantasten“). Um langfristig eine Alternative zur Elektrifizierung der Gebäudeheizung anbieten zu können, ist das Brennstoffzellen-Heizgerät allerdings die einzige Perspektive. Um dann primärenergetisch mit Gas- und Dampf-Kraftwerken gleichzuziehen, ist aber noch eine massive Verbesserung des elektrischen Wirkungsgrades erforderlich.

Prognos-Studie

Ein Auswahlkriterium für die Terminierung des 2. Zukunftsforums Gasheizung war die Fertigstellung der Prognos-Studie „Innovative Gastechnologien“ über die der DVGW-Vizepräsident Dr. Jürgen Lenz berichtete. Eine der wichtigsten Botschaften ist, dass der bisherige Wettbewerb der Energieträger, in dem Erdgas aufgrund günstiger Eigenschaften sehr gut positioniert war, nun zum Wettbewerb von Technologien wird. Die Studie hat u.a. eine Bewertung der Gas-Technologien nach fünf Kategorien vorgenommen (siehe Bild 1) und aufgezeigt, mit welchen Konkurrenztechnologien sich die Erdgasanwendungen messen müssen (Bild 2). Die Darstellungen zeigen, im Markt Einfamilienhaus-Neubau ist Erdgas bereits massiv unter Druck. Nur in der Kombination mit Solartechnik ist ihr Einsatz durch die verordnungsrechtlichen Randbedingungen (EnEV, EEWärmeG) überhaupt noch realisierbar.

Alle aktuellen Engpässe dürfen aber nicht ­darüber hinwegtäuschen, dass Erdgas weiterhin und langfristig einen maßgeblichen Beitrag zur Bereitstellung von Raumwärme leisten wird. Leisten muss. Fast die Hälfte (48,5 %) aller Wohnungen in Deutschland wird mit Erdgas beheizt. Die Gaswirtschaft setzt dazu auf das (Marketing-)Konzept Gas-Plus-Technologie: Gas plus Biogas, Gas plus Solar, Gas plus Strom und Gas plus Umweltwärme. Im Raumwärmemarkt ist dabei grundsätzlich von einer verringerten Absatzmenge auszugehen, der Marktanteil wird sehr stark auch von der Entwicklung des Elektrizitätsmarktes und der Entwicklung elektrischer Systemwirkungsgrade beeinflusst werden: Um den Einsatz von Erdgas oder eines Erdgas-Biogas-Gemisches in Gebäuden zu rechtfertigen, muss sich die dezentral ein­gesetzte Technik künftig ökonomisch und öko­logisch mit der Gasverstromung und Wärme­erzeugung über eine Elektro-Wärmepumpe messen. Das Schreckgespenst bleibt der Gaswirtschaft also erhalten. Jochen Vorländer

1) Jochen Vorländer: Zukunftsforum Gasheizung: Antworten und Lösungen bieten. Stuttgart, Gentner Verlag, TGA 1-2008

2) Ab 2019 sollen in der gesamten EU laut der geplanten Neu­fassung der Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden alle Neubauten als Netto-Nullenergiegebäude errichtete werden. Nach aktueller Definition ist dies ein Gebäude „in dem der jährliche Primärenergieverbrauch aufgrund der sehr hohen Energieeffizienz des Gebäudes nicht die Energieerzeugung vor Ort aus erneuerbaren Energien übersteigt“. Erdgas für die Raumheizung (auch bei Bioerdgas) dürfte nach dieser Definition wegen der Kompen­sation durch Vor-Ort-Erzeugung nicht mehr wirtschaftlich sein. Es ist also ein heftiges Tauziehen um die Definition und die ­Anrechnung externer Maßnahmen zu erwarten.