Kompakt informieren
- Unter Berücksichtigung bundesweiter Förderprogramme bot der Effizienzhaus-Standard KfW-55 bei der Modernisierung und energetischen Sanierung von sieben mehrgeschossigen Gebäuden mit insgesamt 64 Wohnungen das beste Preis-/Leistungsverhältnis.
- Die bisherige Nahwärmeversorgung auf der Basis von Heizöl wurde auf Holzpellets für die Grundlast und Erdgas für die Spitzenlast umgestellt, das Nahwärmenetz wurde komplett erneuert.
- Die Trinkwassererwärmung mit elektrischen Durchlauferhitzern wurde auf eine zentrale Trinkwassererwärmung mit Pufferspeicher pro Gebäude umgestellt.
- Die Modernisierung erfolgte vollständig im bewohnten Zustand.
Die Wohnungsbaugesellschaft Villingen-Schwenningen (wbg) hat in den letzten drei Jahren sieben mehrgeschossige Gebäude mit zusammen 64 Wohneinheiten modernisiert. Sie stammen aus dem Jahr 1969, wie auch ein Nahwärmenetz und die Heizzentrale, in der bislang Heizöl verfeuert wurde. 2016 stellte die wbg auf Holzpellets um. Das neue Brennstofflager mit 60 m3 Fassungsvermögen befindet sich im Außenbereich. Die Modernisierung und Umstellung auf den regenerativen Brennstoff Holzpellets hat KfW-Zuschüsse von 1,76 Mio. Euro ermöglicht.
Pro Jahr wurde eine der drei Gebäudegruppen modernisiert und energetisch saniert. Die Gebäudehülle erhielt eine Dämmung (Mineralwolle), die Fenster wurden ausgetauscht und besonders relevante Wärmebrücken durch die Erneuerung der Balkone entfernt. Die Aktion begann Anfang 2015 und war Ende 2017 abgeschlossen. Im April 2016 wurden die Heizkessel ausgetauscht und das Nahwärmenetz komplett erneuert – bei voller Belegung der 64 Wohnungen. Währenddessen war das alte Verteilnetz noch in Betrieb. Den späteren Spitzenlast-Heizkessel (Erdgas) ließen die Verantwortlichen montieren, als noch der 47 Jahre alte Öl-Heizkessel die Gebäude mit Wärme versorgte.
Präzisionsarbeit
Nach präziser Vorarbeit konnte die Umstellung in der Heizzentrale von einem Tag auf den anderen erfolgen. „Das gelingt in dieser Größenordnung nur mit besonders zuverlässigen Firmen“, meint Peter Fürderer, Leiter Bau und Technik bei der Bauherrschaft wbg. Er war zuständig für die Durchführung des dreijährigen Modernisierungsprojekts. „Und natürlich müssen unsere Fachingenieure für Architektur und Haustechnik sehr gut geplant haben!“
Jürgen Kern, Bauleiter des Architekturbüros Behnisch, sorgte u. a. dafür, dass Dämmung und luftdichte Gebäudehülle korrekt ausgeführt wurden. „Auch die Balkonplatten mussten von den Geschossdecken getrennt werden, da die Wärmebrücken zu groß waren“, ergänzt er und zeigt beim fertiggestellten Häuserblock Grabenäckerstraße 1/3 die mit Wärmedämmkonsolen an der Fassade befestigten neuen Balkone in Stahlkonstruktion. „Das haben wir ohne Stützpfeiler geschafft“, betont Kern stolz. Er war auch verantwortlich dafür, dass die neuen, recht voluminösen Heizkessel durch eine Verbreiterung des bestehenden Kellerabgangs überhaupt in den Heizraum im Untergeschoss des Hauses Grabenäckerstr. 15 eingebracht werden konnten.
Während der neu installierte Gas-Brennwertheizkessel (Viessmann Vitocrossal 200, 175 kW) im April 2016 über das kurz zuvor fertiggestellte Wärmenetz die Wohnungen für einige Tage allein versorgte, konnte das „neue Herz“ der Heiztechnik, der künftige Grundlast-Heizkessel für Holzpellets (Hargassner WTH 150, 150 kW), eingebaut und mit dem außen liegenden Pelletspeicher verbunden werden, bevor er regulär in Betrieb ging. Der dafür zuständige Hermann Lehmann, Inhaber der Aicher Haustechnik, ist sehr zufrieden mit seinen Mitarbeitern. „Der Einbau war schwierig, die Inbetriebnahme eine Freude. Ich hoffe, dass mit unserer Inspektion und Wartung auch dieser Kessel über 40 Jahre gut funktioniert!“
Obwohl andere Betreiber von Gesetzes wegen nach 30 Jahren den Heizkessel austauschen mussten, konnte die wbg ihren ursprünglichen Ölkessel bei diesem Objekt 47 Jahre lang nutzen. „Das lag daran, dass er mehr als 400 kW Leistung hatte und damit vom Gesetz nicht betroffen war, solange die Abgaswerte stimmten“, erklärt Fürderer.
Gesetze und Zuschüsse
Maximal 11 % der Investitionen können laut § 559 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) nach Modernisierung auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden (Anmerkung: Zurzeit gibt es Bestrebungen, die Modernisierungsumlage neu zu regeln). Ein Team von Beratern hatte Fürderer die Entscheidung nahegelegt, den Effizienzhaus-Standard KfW-55 zu realisieren. Er bot bei diesem Objekt das beste Preis-/Leistungsverhältnis und die größten Zuschüsse, damit für die Mieter die geringsten Mietsteigerungen.
„Mit KfW-55 sind wir 45 % besser als ein Neubau gemäß Energieeinsparverordnung zum Entscheidungszeitpunkt mindestens sein musste“, sagt der Fachingenieur für Haustechnik, André E. Schwarz. „Allerdings gehört dazu auch die Blower-Door-Prüfung auf Winddichtigkeit – diese war bei den Gebäuden recht aufwendig, da die Tests in bewohnten Räumen stattfanden.“
Holzpellets als Brennstoff für den Grundlastbetrieb sind Bestandteil des förderfähigen Gesamtkonzepts „Energetische Sanierung Gebäudehülle-Heizung-Nahwärmenetz“, denn Jahresprimärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust sind die entscheidenden Kriterien. Auch der Austausch der elektrischen Durchlauferhitzer in den Wohnungen durch Warmwasseranschluss an die Trinkwasserstationen mit Pufferspeicher im Keller jedes Hauses gehört dazu. Pro Wohnung erhielt die wbg ein zinsgünstiges Darlehen von 100 000 Euro, bei 64 Wohnungen also 6,4 Mio. Euro. Die Förderung der KfW machte in diesem Fall bei dem zugesagten Tilgungszuschuss von 27,5 % immerhin 1,76 Mio. Euro aus, 27 500 Euro pro Wohnung.
Parallel zum bundesweit für Neubau geltenden Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) gilt in Baden-Württemberg für den Bestand zusätzlich das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG). Ziel der Politik ist, erneuerbare Wärme noch stärker als bisher zu verankern. Wird beispielsweise ein Austausch des Wärmeerzeugers fällig, löst das die Wirkung des nur in Baden-Württemberg geltenden EWärmeG aus. Es fordert einen Mindestanteil von 15 % erneuerbare Energie (oder die Energieeffizienz des Bestandsgebäudes mit anerkannten Ersatzmaßnahmen zu steigern). Auch damit hatte die Bauherrschaft kein Problem, da der Grundlastbetrieb der Heizung mit Holzpellets als 100 % regenerativ gilt.
Gründe für Holzpellets
In Villingen-Schwenningen, auf der Ostseite des Schwarzwalds, ist Holz – ob als Pellets, Hackschnitzel oder Scheitholz – einheimischer Rohstoff. Er bringt Vorteile für Umwelt, Klima, Volkswirtschaft und bei den Betriebskosten. Das Heizmaterial ist nachwachsend, weitgehend CO2-neutral, trägt zu einer 100%igen Wertschöpfung im Inland bei und ist für die Kunden preiswerter zu beziehen als fossile Brennstoffe.
Die Entscheidung gegen Hackschnitzel und für Pellets fiel aufgrund der kompakten Bauform des Heizkessels und Lagerbehälters, aber auch wegen des geringen Wartungsaufwands. Hackschnitzel bedeuten zwar günstigere Brennstoffkosten, hätten jedoch auch deutlich höhere Wartungs- und Baukosten verursacht – nicht zuletzt durch das im Vergleich zu Pellets drei Mal größere Lagervolumen.
Austrag mit Saugturbine
Die Saugturbine des Grundlast-Heizkessels bezieht die Pellets durch einen flexiblen Schlauch vom Austragsystem, das Teil des Speichers ist. Die mitgesaugte Luft strömt über einen zweiten Schlauch zurück in den Pelletbehälter. Als Austragsystem dient der vom Speicherhersteller mitgelieferte Roboter-Maulwurf. Er wandert über die Oberfläche des Vorrats und entnimmt die Holzpellets schonend von oben, intervallartig von der Saugturbine des Heizkessels gesteuert.
Das unterirdische Lager mit 6 m Durchmesser besteht aus Betonfertigteilen, die zum gewünschten Termin geliefert, mit einem Autokran versetzt und innerhalb weniger Stunden vom Hersteller vor Ort fertig montiert wurden. Der Einbauort des Speichers wurde so gewählt, dass zum Heizkessel eine geringe Entfernung besteht und Pellet-Lieferanten möglichst nah heranfahren können. Je kürzer und geradliniger die Austragung, desto schonender für die Pellets. Entstehen viel Staub und Feinteile, steigt der Wartungsbedarf im gesamten System. Der Einstieg in den Speicher von oben ist möglich, allerdings nicht ohne mobiles CO-Messgerät erlaubt, obwohl neuartige Behälter mit einer Lüftung versehen sind. Das Lager muss bei über 60 ppm CO (Kohlenstoffmonoxid) verlassen werden.
Speichergröße und Füllstandskontrolle
Holzpellets, in Silofahrzeugen als loses Schüttgut mit ca. 650 kg/m3 geliefert, werden mit Luftdruck vom Lkw aus in den Speicher eingeblasen. Dies geschieht von oben über einen flexiblen Schlauch. Er ist mit dem Befüllstutzen, der sich unter der Abdeckung befindet, durch eine Feuerwehr-Kupplung Storz A verbunden. Ein zweiter Schlauch, parallel dazu am zweiten Stutzen angeschlossen, sorgt für den Druckausgleich und befördert Staub sowie Luft über ein Gebläse in einen Staubsack am Lieferfahrzeug. Der unterirdische Behälter ThermoPel fasst 60 m³. Das entspricht knapp 40 t Füllgewicht bzw. 20 000 l Heizöläquivalent.
Der Speicher hat drei runde Öffnungen mit Stutzen, über die befüllt wird. „So entstehen drei nebeneinander liegende Schüttkegel mit einem Minimum an verbleibendem Hohlraum. Das entspricht dem größtmöglichen Nutzvolumen im Speicher“, beschreibt Clemens Hüttinger, Produktmanager beim Hersteller Mall, die Besonderheiten des Brennstofflagers. „Vorab wird vom Lkw-Fahrer die rechteckige Einstiegsluke geöffnet, das Maulwurf-Austragsystem nach oben gezogen und dort während des Einblasens fixiert.“ Die Speichergröße und die eingebaute Füllstandskontrolle ermöglichen der wbg als Betreiber per Datenfernübertragung nachzubestellen, schon lange bevor der Brennstoff aufgebraucht ist. Besonders kostengünstig ist, wenn der Inhalt eines kompletten Silofahrzeuges, je nach Typ 18 bis 24 t, geliefert werden kann.
Literatur
[1] VDI Richtlinie 3464 Lagerung von Holzpellets beim Verbraucher – Anforderungen an Lager sowie Herstellung und Anlieferung der Pellets unter Gesundheits- und Sicherheitsaspekten. Berlin: Beuth Verlag, September 2015
[2] DEPI-Informationsblatt „Anforderungen an die Lagerbelüftung nach VDI 3464“. Berlin: Deutsches Pelletinstitut, Download auf www.depi.de
[3] DEPI-Broschüre „Empfehlungen zur Lagerung von Holzpellets“ (große Lagerstätten sind Thema in Kapitel 5). Berlin: Deutsches Pelletinstitut, Download auf www.depi.de
[4] Planerhandbuch „Unterirdische Lagersysteme für Biomasse, Pellets und Wärme“. Donaueschingen: Mall, Download auf www.mall.info
Dipl.-Ing. Klaus W. König
ist Fachjournalist und Buchautor, hält Vorträge zu ökologischer Haustechnik und ist von der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser. König ist Lehrbeauftragter an der ESB Business School in Reutlingen und an der Hochschule Neubrandenburg. 88662 Überlingen am Bodensee, www.klauswkoenig.com
Bild: Klaus W. König