Bei einem neuen Wohnquartier auf dem Gelände der ehemaligen Gesangbuchfabrik in Grünstadt hat die Bauherrengemeinschaft bewusst auf Dämmeigenschaften nach dem KfW-55-Standard verzichtet – die angestrebte Energieeinsparung wurde über die Anlagentechnik realisiert.
Kompakt zusammengefasst
■ Die Bauherrengemeinschaft Gesangbuchfabrik Grünstadt hat ihr Bauprojekt mit drei Ein- und zwei Mehrfamilienhäusern auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet.
■ Statt einer deutlich über die vorgeschriebenen Standards hinausgehenden Dämmung der Gebäudehülle wurde auf effiziente Anlagentechnik gesetzt.
■ Die Mehrfamilienhäuser werden über Luft/Wasser-Wärmepumpen und Flächenheizungen beheizt. In Zukunft soll die Antriebsenergie weitestgehend aus einer Photovoltaik-Anlage und einem Stromspeicher kommen.
Jeder Wandel birgt Chancen – und fordert doch meist Opfer. Etwa für Berufe, die verschwinden, weil die darin gefertigten Produkte nicht mehr benötigt werden und Dienstleistungen sich geändert haben oder abgewandert sind. Obwohl sie früher zur Spitze ihrer Zunft gehört haben.
Getroffen hat es auch die Gesangbuchfabrik J. Schäffer im pfälzischen Grünstadt, gegründet 1865. 2006 musste das Werk geschlossen werden. Der seitdem andauernde Dornröschenschlaf des altehrwürdigen Gebäudes wird nur hin und wieder durch Ausstellungen des örtlichen Kulturvereins unterbrochen.
Anders erging es dem östlich der alten Fabrik gelegenen Gelände: Auf dieser innerstädtischen Baulücke plante die Bauherrengemeinschaft Gesangbuchfabrik Grünstadt gemeinsam mit dem Architekten Dipl.-Ing. Frank Wolf vom Büro P4-Architekten BDA in Frankenthal eine Wohnanlage der besonderen Art.
Energiekonzept mit Wärmepumpen
Entstanden sind 2019 insgesamt sechs Gebäude. Drei Einfamilienhäuser, die in Holzrahmenbauweise erstellt wurden und mit einer Lüftungsheizung komfortabel beheizt werden. Die drei weiteren Gebäude sind Mehrfamilienhäuser in Massivbauweise mit je drei Staffelgeschossen – Bauherren und Architekt verfolgten hier ein Energiekonzept, basierend auf Wärmepumpen, das Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in höchstem Maße vereint. Zwei Baukörper sind wie ein Doppelhaus ausgeführt, sie enthalten jeweils zehn Wohnungen. Im dritten sind sechs Wohnungen entstanden.
Ziel der rund zwanzig Bauherren war es, eine bewusst heterogene Zusammensetzung der späteren Bewohner, also Familien und Alleinstehende ebenso wie Berufstätige und Pensionäre, zu erzielen. Dabei war es nicht leicht, den Vorstellungen aller Bauherren gerecht zu werden. Die größte Herausforderung bestand darin, eine Wohnanlage zu schaffen, die für alle Bewohner ein gemeinschaftliches Wohnen im urbanen Raum bietet, allerdings auch genügend Rückzugsmöglichkeiten für jeden lässt.
Die Kontakt- und Erschließungszone liegt im Zentrum der Wohnanlage. Bei der Ausrichtung der Gebäude bzw. Wohnungen hat der Architekt auf eine spannungsreiche, aber wohlstrukturierte Abfolge der Baukörper gesetzt. Die Materialkontinuität der Fassaden – einheitlich in hellem Klinker gehalten – unterstützt die Wirkung eines durchgängigen Ensembles, das tatsächlich wie ein kleiner Stadtteil wahrgenommen wird.
Die Einfamilienhäuser umfassen zwei Stockwerke, die rund 12,50 m hohen Mehrfamiliengebäude orientieren sich dagegen an der alten Gesangbuchfabrik in der unmittelbaren Nachbarschaft. An den jeweiligen Rückseiten dominieren große Fensteröffnungen hin zu den Terrassen und Balkonen beziehungsweise Loggienen. Weil sie verschachtelt sowie vor- und rückversetzt angeordnet sind, erlauben sie keine gegenseitigen Einblicke, sodass jedem Bewohner Privatsphäre in seiner Wohneinheit gewährleistet ist.
Nachhaltig gebaut
Sämtliche Häuser sind durchweg hochwertig ausgestattet. Sie wurden nachhaltig konzipiert und sind mit einer Kerndämmung versehen. Bei der Auswahl der Baustoffe hatte Nachhaltigkeit oberste Priorität, zum Einsatz kamen umweltgerechte sowie wasserlösliche Baumaterialien.
Auf Dämmeigenschaften nach einem KfW-Energiestandard (wie KfW-55) hat die Bauherrengemeinschaft bewusst verzichtet, weil die angestrebte Energieeinsparung über eine effiziente Anlagentechnik erzielt werden sollte – mit Trinkwassererwärmung über Speicher – sowie später in der Nachrüstung zusätzlich mit Photovoltaik-unterstützten Stromspeichern.
Dezentrale Geräte zur Wohnraumlüftung gewährleisten den Luftaustausch bei minimalem Wärmeverlust. Für Frank Wolf und Manfred Maro vom SHK-Fachbetrieb Rema, der den Architekten bei der haustechnischen Planung beratend unterstützte und später die Ausführung übernahmen, bedeutet diese Kombination Selbstbestimmung und Zukunft, zumal Eigenstrom nicht nur Nachhaltigkeit garantiert, sondern auch dauerhaft niedrige Kosten. Es wurden bereits alle Vorkehrungen getroffen, um später einen Stromspeicher nachzurüsten.
Trinkwassererwärmung direktelektrisch
Um die mehrgeschossigen Wohngebäude auf wirtschaftlich und energetisch sinnvolle Weise beheizen zu können, wurden drei außen aufgestellte Luft/Wasser-Wärmepumpen WPL 57 von Stiebel Eltron installiert. Jeweils ein Pufferspeicher SBP 1000 E und ein Wärmepumpenmanager befinden sich pro Gebäude in einem Technikraum.
Die stufenlos regelbaren Wärmepumpen (jeweils knapp 30 kW Heizleistung) übernehmen die Raumwärmeerzeugung, die Wärmeübergabe erfolgt mit Flächenheizungen.
Bei der Trinkwassererwärmung entschieden sich Bauherren und Architekt bewusst für eine dezentrale direktelektrische Lösung mit 100-l-Wandspeichern SHZ LCD von Stiebel Eltron. Jede Wohnungseinheit verfügt über ein Gerät und stellt mit kurzen Wegen zu den Verbrauchsstellen warmes Wasser bereit – konstant, mit hoher Effizienz und bei Bedarf bis 85 °C.
Drei automatische ECO-Funktionen ermöglichen den Nutzern die individuelle Anpassung der Leistung an ihren Warmwasserbedarf. So senkt der Modus ECO Comfort die Temperatur automatisch auf 60 °C. ECO Plus reduziert den Ladegrad, sodass nur ein Teil des Speicherinhalts auf Temperatur gehalten wird. Dies ist besonders günstig, wenn zeitweise nur wenig warmes Wasser benötigt wird. Die Funktion ECO Dynamic ermöglicht eine automatische intelligente Anpassung an das individuelle Zapfverhalten.
Gerade in Mehrfamilienhäusern gilt eine dezentrale Warmwasserversorgung als besonders effizient, da die Geräte das kalte Wasser in unmittelbarer Nähe zur Entnahmestelle erwärmen. So müssen keine großen Warmwassermengen zentral vorgehalten und durch lange Leitungen geführt werden. Die hohen Leitungsverluste durch die bei zentralen Lösungen notwendige Zirkulation entfallen. Dezentrale Lösungen haben auch hygienische Vorteile.
Maro begründet die Entscheidung zur dezentralen Trinkwassererwärmung darüber hinaus so: „Im Sommer ist die Heizungsanlage komplett abschaltbar, weil sie nur in der Heizperiode laufen muss. Das reduziert die Heizkosten und verlängert natürlich auch die Lebenszeit der Wärmepumpen.“
Fachplaner und Architekt an einem Tisch
Für Wolf kann eine Energiebilanz nur in Erfolg münden, wenn Fachplaner und Architekt schon in früher Entwurfsphase partnerschaftlich zusammenarbeiten. Entsprechend ging man mit diesem Ansatz an die Verehelichung von Bauphysik und Haustechnik heran.
Wolf: „Wir stellten uns die Frage, wie müssen wir bauen und dämmen, um mit Luft/Wasser-Wärmepumpen nebst dezentraler Eco-Warmwassergeräte, PV-Fläche und Stromspeichern nahezu energieautark zu sein.“
Aktuell belasten große Stromspeicher allerdings noch übermäßig das Budget. Noch, denn Batteriespeicher zur Eigenversorgung mit selbst erzeugtem Strom werden zukünftig kostengünstiger. Dann will die Bauherrengemeinschaft ihre Haustechnik vervollständigen und sowohl Photovoltaik als auch die Stromspeicher realisieren.
In Zukunft also braucht das Wohnhaus-Ensemble auf dem Gelände der ehemaligen Gesangbuchfabrik in Grünstadt bilanziell kaum mehr fremde Energie zum Heizen.
Kontakt zum Anbieter
Stiebel Eltron
37603 Holzminden
Telefon (0 55 31) 70 27 02
info-center@stiebel-eltron.de
www.stiebel-eltron.de
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGAdossier Wärmepumpe