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VDI 4650 vs. komplexe Simulation

Energieeffizienz von Wärmepumpen

Für die energetische Bewertung von Wärmepumpen stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Neben der messtechnischen Untersuchung ausgeführter Anlagen kann eine normative rechnerische Bewertung beispielsweise mit DIN V 4701-10 [1], DIN V 18599 [2], DIN EN 15 316-4-2 [3] oder VDI 4650 [4] erfolgen. Letztere wird häufig verwendet, um die im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) für ­Wärmepumpen geforderten Jahresarbeitszahlen nachzuweisen. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich daher schwerpunktmäßig mit ­dieser VDI-Richtlinie.

Die in VDI 4650 angegebenen bzw. mit ihr zu berechnenden Werte beruhen vermutlich auf Versuchsstandsergebnissen sowie Messungen an Referenzanlagen. Bereits während der Überarbeitung der Richtlinie im Jahr 2008/09 gab es Diskussionen darüber, inwieweit diese Angaben auch für die unterschiedlichsten praktischen Bedingungen zutreffen. Insbesondere an den Ergebnissen von einigen Feldmessungen [5, 6, 7] entzündet sich die Diskussion, da diese die in der VDI bestimmbaren Arbeitszahlen unterschreiten. Bild 1 zeigt diese Abweichungen, wobei Werte der Feldversuche – in Ermangelung genauerer Angaben – im Bereich der Systemtemperaturen 35…40 °C angeordnet sind.

Vergleichbar den Feldmessungen von [8] zum Einsatz von Brennwertheizkesseln unter praktischen Bedingungen sind jene Ergebnisse verständlicherweise kontrovers diskutiert worden. Als Ursache für die Abweichungen kann man ungenügende Sorgfalt bei der Planung, Ausführung, Wartung usw. vermuten. Des Weiteren wird oft aus Kostengründen auf einen Pufferspeicher verzichtet.

Diese widersprüchlichen Angaben waren ein Grund dafür, dass an der TU Dresden im Rahmen eines größeren Forschungsvorhabens [9] eingehende Untersuchungen zur energetischen Bewertung von Wärmepumpenanlagen mittels einer ganzheitlichen numerischen Gebäude- und Anlagensimulation durchgeführt und damit erstmalig

  • wichtige Wärmepumpensysteme mit einem einheitlichen Berechnungsverfahren einschließlich offengelegter Randbedingungen berücksichtigt,
  • die Gesamtanlage einschließlich Anlagenhydraulik, Regelung, Wärmespeicherung, Heizflächenausbildung, Temperaturniveau, Nutzungsprofil einbezogen sowie
  • unterschiedliche Bilanzgrenzen in Hinblick auf die Heizperioden-Arbeitszahl unterschieden

wurden.

Die TU Dresden verfügt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der (komplexen) An­lagensimulation, die Simulationswerkzeuge sind ausreichend validiert.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung können [10, 11, 12] entnommen werden und sollen hier nur anhand von zwei typischen Darstellungen (Bild 2 und Bild 3) vorgestellt werden. Bild 4 enthält den Vergleich zwischen den Werten von VDI 4650, den oben genannten Feldmessungen sowie den eigenen Simulationsergebnissen. Danach ergeben sich sehr gute Übereinstimmungen zwischen den VDI-Angaben und Berechnungsergebnissen für Sole-Wasser-Wärmepumpen (SWWP) und Wasser-Wasser-Wärmepumpen (WWWP), die größeren Abweichungen vom Mittelwert sind auf die umfangreiche rechnerische Variation der Anlagen­parameter (Speichergrößen, Pumpenauswahl usw.) zurückzuführen.

Eine deutliche Abweichung ist für die Luft-Wasser-Wärmepumpe (LWWP) gegeben. Bei einer Analyse der Ursachen müssen die verwendeten Randbedingungen der Simulationsrechnung betrachtet werden. In diesem Zusammenhang sind

  • das Wärmeschutzniveau des Gebäudes: Niedrigenergiehaus (hochwärmegedämmtes Gebäude) sowie
  • die Wärmequelle: unkonditionierte Außenluft hervorzuheben.

Analysiert man die Verteilung der Betriebsstunden, so zeigt sich nach Bild 5 eine mittlere Außenlufttemperatur von etwa 2 °C während der Betriebszeit der Wärmepumpe (TRY 04, Potsdam). Diese Einsatzverhältnisse sind für Niedrigenergiehäuser typisch, die Randbedingungen zur Erzielung hoher Arbeitszahlen damit vergleichsweise ungünstig. Nachfolgend soll eine Kommentierung der Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt veränderter Einsatzbedingungen erfolgen.

Einfluss des Wärmeschutzniveaus

  • Gebäude mit weiter verbessertem Wärmeschutzniveau weisen nochmals verringerte Heizgrenztemperaturen auf, sodass das Absinken der mittleren Außenlufttemperatur zu einer weiteren Verschlechterung der Heizperio­den-Arbeitszahlen führt. Dieser Effekt wird sich mit Umsetzung der EnEV 2009 und der angekündigten weiteren Verschärfung der EnEV im Jahr 2012 im gesamten Neubaubereich bemerkbar machen.
  • Gebäude mit geringerem Wärmeschutzniveau weisen grundsätzlich günstigere Verhältnisse bezüglich der mittleren Außenlufttemperaturen in der Heizperiode auf, die aber aufgrund der schlechteren sonstigen Betriebsbedingungen (z. B. höhere Vorlauftemperatur) letztlich kaum positive Auswirkungen haben.

Einfluss der Wärmequelle

Positiv kann sich der Einsatz von Luft-Wasser-Wärmepumpen im Zusammenhang mit Abluftanlagen auswirken. Die Abluft kann dabei als Wärmequelle mit relativ hohem Temperaturniveau genutzt oder der Außenluft zur Temperaturerhöhung beigemischt werden.

Einfluss weiterer Parameter

Günstigen Einfluss haben weiterhin folgende Maßnahmen:

  • Verwendung eines Spitzenlasterzeugers, beispielsweise in Form eines Kessels. Die mittlere Außenlufttemperatur für den WP-Betrieb wird aufgrund der bivalenten Betriebsweise deutlich erhöht.
  • Verwendung von optimierten Anlagenkomponenten, Anlagenschaltungen sowie Betriebsbedingungen (vgl. hierzu [10], [11], [12]) wie

– möglichst niedriges Anlagentemperatur­niveau (vgl. Bild 3 und Bild 6),

– Verwendung eines Pufferspeichers auch bei der Fußbodenheizung,

– Anordnung des Pufferspeichers in Form ­einer Parallelschaltung,

– Verwendung möglichst großvolumiger Pufferspeicher (vgl. Bild 6),

– Erhöhung der Schalthysterese beim Reihenpufferspeicher,

– Optimierung der Anordnung der Temperatursensoren beim Parallelpufferspeicher,

– differenzierte Anwendung der Anlagenfahrweise (intermittierende Betriebsweisen).

Einfluss der Trinkwassererwärmung

Die Trinkwassererwärmung wurde bei den bisher dargestellten rechnerischen Untersuchungen nicht berücksichtigt. Grundsätzlich führt die Trinkwassererwärmung bei Wasser- und Sole-Wasser-Wärmepumpen zu einer Verringerung der Arbeitszahlen, da die Trinkwassererwärmung höhere Temperaturen erfordert als der Heizbetrieb, die Quellentemperatur hingegen im ­Jahresverlauf vergleichsweise geringen Schwankungen unterliegt. Bei Wärmepumpen mit Außenluft als Wärmequelle ergeben sich zwei gegen­läufige Tendenzen:

  • Die bei der Trinkwassererwärmung erforder­lichen hohen Vorlauftemperaturen wirken sich negativ auf die Arbeitszahlen aus.
  • Die Trinkwassererwärmung findet näherungsweise ganzjährig statt. Damit sind die Quellentemperaturen im Mittel höher als im Heizbetrieb, was zu einer Verbesserung der Arbeitszahlen führt.

Bild 7 zeigt die beschriebenen Tendenzen an einem Beispiel einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Fußbodenheizung. In Bild 8 sind die Ergebnisse für eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe dokumentiert.

LWWP und EEWärmeG

Das EEWärmeG fordert für Luft-WasserWärmepumpen eine Jahresarbeitszahl von 3,5 ohne bzw. 3,3 mit Trinkwassererwärmung. Diese Kennwerte können anhand der VDI 4650 in der Planungsphase für energieeffiziente Geräte rechnerisch nachgewiesen werden. Außerdem fordert das EEWärmeG den Einbau von Wärme- und Stromzählern, deren Messwerte die nachträgliche Berechnung der Jahresarbeitszahl ermöglichen.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse kann man davon ausgehen, dass die in der Praxis erreichten Arbeitszahlen häufig schlechter als im EEWärmeG-Nachweis sein werden1). Unabhängig von EEWärmeG und staatlicher Förderung sind Auseinandersetzungen zwischen Kunden (Bauherr oder Betreiber) auf der einen und Anlagenbauer, Planer und Gerätehersteller auf der anderen Seite vorprogrammiert, wenn die Arbeitszahlen im Praxisbetrieb deutlich von den Planungswerten abweichen. Wer in einem Rechtsstreit als Sieger hervorgeht, dürfte wesentlich von der Vertragsgestaltung abhängig sein.

Auf die Errichter, Planer und Hersteller von Wärmepumpen(systemen) Druck auszuüben und so längerfristig zu einer Verbesserung der Qualität und Energieeffizienz installierter Wärmepumpensysteme beizutragen, ist sicher der zentrale Beweggrund für den Zwang zum Einbau von Messeinrichtungen zur Ermittlung der Arbeitszahlen.

Überarbeitungsbedarf für VDI 4650

An der VDI 4650 ergibt sich auch deswegen ein gewisser Erweiterungs- bzw. Änderungsbedarf. Die in den Berechnungen verwendeten Faktoren sollten, ebenso wie die sonstigen Randbedingungen des Verfahrens, überprüft werden. Es ist erforderlich, dass die Ergebnisse der VDI-Berechnungen einem Abgleich mit Feldtests und detaillierteren rechnerischen Bewertungsverfahren standhalten. Bei der Überarbeitung der VDI 4650 sind die Rückkopplungen zum EEWärmeG und zu den Förderprogrammen zu beachten, da sich sonst gravierende Auswirkungen auf die Marktpräsenz von Luft-Wärmepumpen ergeben können.

Wie beschrieben, gibt es mehrere normative Verfahren zur rechnerischen Bestimmung der Energieeffizienz von Wärmepumpen. EN 15316-4-2 und DIN V 18599 werden in nächster Zeit überprüft und, falls erforderlich, inhaltlich aktualisiert. Auf europäischer Ebene wird gegenwärtig außerdem im Rahmen der EuP-Richtlinie an einem Verfahren zum Labelling von Wärmepumpen ge­arbeitet. Es ist anzustreben, dass sowohl beim ­Labelling als auch bei der normativen Bewertung einheitliche Algorithmen (ggf. in unterschiedlicher Detaillierungstiefe) verwendet werden, sodass sich bei gleichen Randbedingungen vergleichbare Ergebnisse und Tendenzen ergeben.

1) Unmittelbare Auswirkungen durch geringere Jahresarbeitszahlen in der Praxis auf die Erfüllung des EEWärmeG ergeben sich nicht, da das Gesetz einen rechnerischen Nachweis der Jahresarbeitszahl auf Basis anerkannter Regeln der Technik fordert, die Einhaltung im praktischen Betrieb jedoch kein Bestandteil der gesetzlichen ­Anforderungen ist. Analog sieht es mit der Bewilligung von Fördermitteln durch KfW (und Marktanreizprogramm bis 5. Mai 2010) aus. Auch hier wird ein rechnerischer Nachweis auf Basis aktueller anerkannter Regeln der Technik gefordert. Eine Rückzahlung von Fördermitteln bei Nichterreichung der Jahresarbeitszahlen im realen Betrieb ist nicht vorgesehen. Eine Rückforderung von Fördermitteln ist ebenso ausgeschlossen, wenn die technischen Regeln nach Beantragung geändert und in der Folge schlechtere rechnerische Arbeitszahlen ausgewiesen werden würden.

Literatur

[1] DIN V 4701 Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen – Teil 10: Heizung, Trinkwasser­erwärmung, Lüftung (August 2003), geändert durch DIN SPEC 4701-10/A1 (Oktober 2009). Berlin: Beuth Verlag

[2] DIN V 18599: Energetische Bewertung von Gebäuden, 10 Teile. Berlin: Beuth Verlag, Februar 2007

[3] DIN EN 15316 Heizungsanlagen in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Energieanforderungen und Nutzungsgrade der Anlagen – Teil 4-2: Wärmeerzeugung für die Raumheizung, Wärmepumpensysteme. Berlin: Beuth Verlag, September 2008

[4] VDI 4650: Berechnung von Wärmepumpen – Kurzverfahren zur Berechnung der Jahresaufwandszahlen von Wärmepumpenanlagen Elektro-Wärmepumpen zur Raumheizung. Berlin: Beuth Verlag, März 2009

[5] Miara, M.: Wärmepumpen-Feldtest – Mit Sorgfalt effizient. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 07-2008

[6] Auer, F.; Schote, H.: Nicht jede Wärmepumpe trägt zum ­Klimaschutz bei – Erdreich-Wärmepumpen mit positiver Ökobilanz – Kritische Bewertung von Luft-Wärmepumpen, Forschungsbericht, Lokale Agenda 21 – Gruppe Energie in Lahr 2008

[7] Ewert, M.: Feldtest bestätigt hohe Effizienz von Wärme­pumpen. Düsseldorf: Springer VDI-Verlag, HLH 3-2005

[8] Wolff, D. u.a.: Felduntersuchung: Betriebsverhalten von Heizungsanlagen mit Gas-Brennwertkesseln. FH Braunschweig Wolfenbüttel, Forschungsbericht DBU, 2004

[9] Richter, W.; Seifert, J.; Knorr, M. et al.: Heizen und Kühlen mit Niedrigexergie (LowEx) – Systemintegration, Regelung, Betriebsoptimierung, Energieeinsparung mittels informa­tionsvernetzter Heiz- und Kühlsysteme für Neubau und ­Sanierung. TU Dresden, Forschungsbericht BMWi, 2008

[10] Seifert, J.; Knorr, M.; Richter, W.: Energetische Analyse von Systemen mit Wärmepumpen für hoch wärmegedämmte Gebäude. Düsseldorf: Springer VDI-Verlag, HLH 05-2009

[11] Seifert, J.; Knorr, M.; Richter, W.: Hydraulische Einbindung von Wärmepumpensystemen – eine vergleichende Analyse. KI Kälte Luft Klimatechnik, 6-2009

[12] Seifert, J.: Ein Beitrag zur Einschätzung der energetischen und exergetischen Einsparpotentiale von Regelverfahren in der Heizungstechnik, Habilitationsschrift. TU Dresden, November 2009

Joachim Seifert

Dr.-Ing. habil., Technische Universität Dresden, Institut für Energietechnik, Professur für Heizungs- und Raumlufttechnik, joachim.seifert@tu-dresden.de, http://www.tu-dresden.de

Bert Oschatz

Prof. Dr.-Ing., ITG Institut für Technische ­Gebäudeausrüstung Dresden, Forschung und ­Anwendung GmbH, oschatz@itg-dresden.de, https://www.itg-dresden.de/

Wolfgang Richter

Prof. Dr.-Ing. habil., Technische Universität Dresden, Institut für Energietechnik, Professur für Heizungs- und Raumlufttechnik, wrichter@tga.tu-dresden.de, http://www.tu-dresden.de

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