Kompakt informieren
- Nach der Rechtsprechung muss der Auftraggeber die Leistungsphase der HOAI als kleinste Abrechnungseinheit im Einzelfall nicht akzeptieren und kann bei nicht erbrachten (Teil)Grundleistungen auch noch nachträglich eine Minderung des Honorars vornehmen.
- Der Bundesgerichtshof hat deutlich gemacht, dass in Einzelfällen eine Orientierung an Splittertabellen geboten ist. Ihre Berücksichtigung ist deshalb schon bei der Auftragsplanung angezeigt.
- Mit einem Online-Detail-Rechner können dazu u. a. für die TGA Teile von Leistungsphasen bequem berechnet werden.
- Die Abrechnung in besonderen Fällen (§ 8 HOAI) bezieht sich nur auf die honorarrechtliche Vorgabe; sie stellt nicht auf den werkvertraglichen Erfolg ab.
Zur Streitfrage, ob die Leistungsphase als kleinste Einheit der Honorarabrechnung nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) anzuerkennen ist, kommt es regelmäßig, wenn der Auftraggeber nicht alle Teile einer Leistungsphase beauftragt oder der Planer nicht alle in ihr definierten Teilgrundleistungen zur Durchführung eines Projektes erbringen musste.
Für beide Konstellationen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 2004 (Az: VII ZR 174/03) die Position des Auftraggebers gestärkt: Dieser muss die Leistungshase im Einzelfall als Abrechnungseinheit nicht akzeptieren und ist gegebenenfalls berechtigt, das Honorar nachträglich zu mindern.
Das rechtliche Dilemma, dem der Ingenieur damit ausgesetzt ist, bildet eine logisch schwer vertretbare Vermengung von Preis- und Vertragsrecht, die der BGH mit seinem Urteil geschaffen hat.
Unsicherheitsfaktor: Rechtsprechung mit unterschiedlichen Auffassungen
Vor dem genannten Urteil konnte sich der Ingenieur darauf zurückziehen, dass mit der Durchführung eines Projekts der werkvertraglich geschuldete Erfolg eingetreten ist und er somit Anspruch auf die vereinbarte Honorarzahlung hat. Und auch heute sieht der Gesetzgeber im Sinne des Preisrechts die Leistungsphase noch immer als kleinste Abrechnungseinheit vor.
Dem gegenüber kann in vielen Fällen der Auftraggeber einwenden, dass er nur für jene Leistungen zu zahlen gewillt ist, die auch tatsächlich erbracht wurden. Und je nach Ausgestaltung des Vertrags kann aus seiner Perspektive eine Erbringung von Teilen einer Grundleistung als Teilerfolg angesehen werden.
Das damit umrissene Feld ist voller Spannungen, weil Landgerichte und der BGH zum Teil unterschiedliche Auffassungen vertreten, wenn man auf aktuelle Streitfallentscheidungen blickt. Deutlich ist jedoch, dass die Annahme der Leistungsphase als kleinste Abrechnungseinheit insofern ein weit verbreiteter Irrtum ist, wenn sie mit der Unterstellung operiert, dass es überhaupt nicht darauf ankommt, ob alle Teile einer Leistungsphase zur Erzielung des Gesamterfolgs notwendig sind.
Kern des Konflikts ist immer, was zwischen Bauherr und Ingenieur vertraglich vereinbart wurde bzw. welche juristische Auslegung diese Vertragswerke im Streitfall erfahren. Wenn es um die Erbringung der Leistung geht, rückt in den richterlichen Entscheidungen mal die preisrechtliche Würdigung in den Vordergrund, was dem Ingenieur zugute kommt, oder das Vertragsrecht, was dem Auftraggeber recht ist.
Hat der Bauherr auch diejenigen Teile von Leistungsphasen bestellt, die nicht zur Durchführung eines Projekts notwendig sind, müssen sie auch von ihm bezahlt werden, sofern der Planer sie erbracht hat. Werden jedoch Teilgrundleistungen nicht erbracht, ist der Auftraggeber unter Berufung auf § 8 HOAI berechtigt, ein geringeres Honorar auszuhandeln.
§ 8 HOAI: Berechnung des Honorars in besonderen Fällen
Der Hinweis auf § 8 HOAI „Berechnung des Honorars in besonderen Fällen“ ist damit Schlüssel der Auseinandersetzungen. Entsprechend hat der BGH auch deutlich gemacht, dass in Einzelfällen (§ 5 HOAI alt / § 8 HOAI 2009, 2013) eine Orientierung an Splittertabellen (Korbion, Mantscheff, Vygen, Siemon, Steinfort u. a.) geboten ist. Ihre Berücksichtigung schon im Vorfeld der Beauftragung bzw. Vertragsgestaltung ist ein gebotenes Mittel, um diesbezüglich das Risiko für spätere Streitigkeiten über das Honorar zu minimieren.
Da die Konsultation solcher Berechnungstabellen und ihre Nutzung mühsam ist, hat ingenieurversicherung.de für die HOAI Stand 1996, 2009 und 2013 sowohl für die Honorarberechnung in den Bereichen Gebäude / Innenraum (HOAI-Rechner Architekt, § 35 HOAI) sowie Technische Ausrüstung (HOAI-Rechner TGA, § 56 HOAI) Abb. 1 entsprechende Online-Detail-Rechner entworfen, die es erlauben, Teile von Leistungsphasen bequem zu berechnen.
Damit ergibt sich eine Grundlage, um das Vertragswerk so abzustimmen, dass ein Projekt im Rahmen von § 8 HOAI abgebildet werden kann und spätere Missverständnisse zwischen Auftraggeber und -nehmer in dieser Hinsicht weitgehend ausgeschlossen werden können.
Wann bietet sich der Rückgriff auf Splittertabellen an?
Für die Berechnung des Honorars in besonderen Fällen gelten mehrere Faustregeln. Liegt eine von ihnen vor, sollte man nach § 8 HOAI abrechnen (bzw. bereits den Vertrag so gestalten):
- Werden dem Auftragnehmer nicht alle Leistungsphasen eines Leistungsbildes übertragen, gilt, dass nur die für die übertragenen Phasen vorgesehenen Prozentsätze berechnet und vereinbart werden dürfen. Die Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen.
- Werden dem Auftragnehmer nicht alle Grundleistungen einer Leistungsphase übertragen, so darf für die übertragenen Grundleistungen nur ein Honorar berechnet und vereinbart werden, das dem Anteil der übertragenen Grundleistungen an der gesamten Leistungsphase entspricht. Auch diese Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen; entsprechend ist zu verfahren, wenn dem Auftragnehmer wesentliche Teile von Grundleistungen nicht übertragen werden.
- Die gesonderte Vergütung eines zusätzlichen Koordinierungs- oder Einarbeitungsaufwands ist ebenfalls schriftlich zu vereinbaren, das heißt, bei der Festschreibung eines geringeren Honorars wegen nicht erbrachter Teilgrundleistungen ist es unerheblich, ob die gegenständliche Teilgrundleistungen zur Erzielung der Gesamtwerkerfolges notwendig ist oder nicht.
Mit solchen Vereinbarungen kann im Vorfeld entsprechend Klarheit geschaffen werden, da es bei der Festschreibung eines geringeren Honorars wegen nicht erbrachter Teilgrundleistungen unerheblich ist, ob die gegenständliche Teilgrundleistung zur Erzielung des Gesamtwerkerfolgs notwendig ist oder nicht. Aber auch, wenn nach § 8 HOAI verfahren wird, ist zu beachten, dass sich diese Abrechnung in besonderen Fällen nur auf die honorarrechtliche Vorgabe bezieht; sie stellt nicht auf den werkvertraglichen Erfolg ab.
Unabhängig vom Anlass ist es für die Honorarberechnung entscheidend, welcher Leistungsumfang vertraglich auf den Auftragnehmer übertragen wurde. Dies ist der Grund, warum der BGH zur Ermittlung einer angemessenen Honorarhöhe von Teilgrundleistungen den Einsatz von Splittertabellen empfiehlt: Denn „der Wert“ der einzelnen Grundleistungen (Teilgrundleistung) innerhalb einer Leistungsphase ist in der HOAI nicht geregelt. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die in den Splittertabellen aufgeführten Abrechnungssätze grundsätzlich nur als Richtwerte anzusehen sind.
Sascha Kopotsch
CREATiVA Finanzmakler GmbH, Geschäftsfeld Ingenieurversicherungen, 45128 Essen, info@ingenieurversicherung.de, www.ingenieurversicherung.de