Würde der Bundeswirtschaftsminister Architekten und Ingenieure fragen, was er denn alles in seiner Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) berücksichtigen soll, würde sich das Meinungsbild vermutlich sehr schnell auf zentrale Punkte verdichten: Die Honorare müssen soweit angehoben werden, dass sie wieder auskömmlich sind. Mehr redaktionelle Klarheit an der einen oder anderen Stelle. Vielleicht würde auch der eine oder andere noch bemerken, dass man die HOAI in den Leistungsbildern an das heutige Baugeschehen anpassen sollte.
Das werden wir alles berücksichtigen, könnte der Bundeswirtschaftsminister dann zusichern, ohne rot zu werden. Denn diese Punkte sind weitgehend unstrittig. Auch die Notwendigkeit des Fortbestands der HOAI ist von der neuen Bundesregierung erkannt. Das war nicht immer so. Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit der letzten Bundesregierung, wollte an der HOAI lieber ein Exempel für Bürokratieabbau statuieren, statt sie zu reformieren. Es bleibt zu hoffen, dass die betroffenen Auftraggeber, Planer, Bauverwaltungen, Rechtsanwälte und Gerichte nie das Opfer einer derart krassen Fehleinschätzung werden.
Mit dem neuen Wirtschaftsminister hat sich die Lage für die Freien Berufe deutlich entspannt. Trotzdem ist die Novellierung der HOAI schon in der Startphase wieder auf ein falsches Gleis geraten. Paradoxerweise, weil die Verantwortlichen im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zu sehr auf die Branchenorganisationen gehört haben. So haben sie eine HOAI entworfen, die sich wegen der heftig bekämpften Abschaffung von Mindest- und Höchstvergütungssätzen weiterhin an diese Relikte klammert, sich ausschließlich auf die geistig-schöpferische (Planungs-)Leistung konzentriert und ohne Antasten der Ermächtigungsgrundlage (siehe Kasten) auskommen soll. Weil sie mit diesen Elementen nicht EU-konform zu gestalten wäre, will man Brüssel mit Abstrichen beim Anwendungsbereich zumindest für die nächsten Jahre besänftigen. Doch so wäre eine Absetzung der HOAI auf Raten unweigerlich vorprogrammiert.
Der Diskussionsentwurf des BMWi
Welche Grundzüge der aktuelle BMWi-Diskussionsentwurf für eine HOAI-Novelle trägt, stellte MdB Hartmut Schauerte, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi, auf der AHO-Veranstaltung am 30. November vor. Manchmal sei es zwar klüger, wenn eine Regierung in der Anfangsphase einer Lösungsfindung nicht auf Verbandstagen auftrete, er suche aber ausdrücklich das Gespräch mit allen Beteiligten. Berichten konnte er aber nur über Eckpunkte. Er müsse die Vertraulichkeit zwischen den federführenden Ministerien wahren, denn der Entwurf sei erst vor kurzem an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gesendet worden, so Schauerte. Die Eckpunkte:
1. Konzentration auf Planungsleistungen. Herausgenommen werden sollen aus der HOAI alle Beratungsleistungen. Für die betroffenen Berater sei das ein ziemlich einschneidender Vorgang, so Schauerte, aber der Trend in Europa eindeutig: Gebührenordnungen sollen nicht ausgeweitet, sondern auf die unverzichtbaren Grundsätze reduziert werden. Obwohl vieles aus nationaler und teilweise auch aus europäischer Sicht dafür spräche, Leistungsbilder wie den Brandschutz aufgrund anderer EU-Leitlinien aufzunehmen. Das Dilemma: Bleiben die anderen Beratungsleistungen drin, muss auch der Brandschutz ( unverzichtbar ) rein, das wäre aber wiederum eine nicht gewünschte Erweiterung einer Gebührenordnung.
2. Reduzierung auf Leistungsphasen 1 bis 5. Hier sei zwar noch nicht das letzte Wort gefallen, man könne aber sicher sein, dass nicht nur eine Leistungsphase entfallen werde, unterstrich Schauerte. Er spielte damit auch auf die Reaktion der Branche nach dem ersten Bekanntwerden am 20. Juni [TGA 10-2006, Seite 28] an. Sie hatte im Nachgang dafür plädiert, höchstens die ohnehin ungeliebte Leistungsphase 9 entfallen zu lassen.
3. Absenkung der Tafelendwerte. Die Tafelendwerte sollen deutlich gesenkt werden. Bezogen auf die Objektplanung mit einem aktuellen Tafelendwert von bisher 25 auf 5 Mio. Euro. Das entspräche dann dem Schwellenwert für die europaweite Ausschreibung von Bauleistungen.
4. Wegfall der Honorarzonen. Statt mehrerer Honorarzonen soll es nur noch eine Zone mit einem Mindest- und einem Höchstsatz geben. Der häufige Anlass für Rechtsstreitigkeiten über die Einordnung von Aufträgen in die Honorarzonen würde so entfallen. Mehr Verhandlungsspielraum für die Vertragsparteien soll die Regelung bringen. Außerdem könne man mit der so genannten Mittenanhebung eine Honorarerhöhung gegenüber der momentanen gängigen Vergabepraxis Mindestsatz weitgehend geräuschlos durchsetzen.
5. Honorarabkopplung von den Baukosten. Dieser Punkt ist bei richtiger Ausgestaltung sofort konsensfähig innerhalb der Branche. Ein Baukostenberechnungsmodell wird seit längerem selbst gefordert, um sich von dem Generalverdacht befreien zu können, dass man sich das Honorar über die Bausumme anheben kann. Zusätzliche Anreize sollen kosten- und energiesparendes Bauen fördern.
6. Alternative Abrechnung mit Stundensätzen. Wird nach Stundensätzen abgerechnet, dürfen sie die Spannbreite der Mindest- und Höchstsätze nur geringfügig verlassen (ca. 10 %). Die Angabe von Stundensätzen soll aus der HOAI entfallen.
7. Bei der Novellierung der HOAI soll die Ermächtigungsgrundlage unangetastet bleiben. Die HOAI würde somit ohne parlamentarisches Verfahren von der Bundesregierung mit Zustimmung durch den Bundesrat verabschiedet.
[Anmerkung: Am 17. August hatten der AHO, die Bundesingenieurkammer (BIngK) und der Verband beratender Ingenieure (VBI) die Punkte 1, 2, 3 und 4 abgelehnt und lediglich 5 und 6 weitgehend zugestimmt. Punkt 7 stand nicht zur Diskussion. Das Standpunktepapier steht auf https://www.aho.de/]
Zum Verfahrensstand: Bei dem vorgestellten Diskussionsentwurf handelt es sich noch nicht um eine Festlegung des Wirtschaftsministeriums, sondern nur um einen ersten Entwurf, um sich mit dem Bauministerium abzustimmen. Hatte Schauerte im Juni noch Hoffnungen genährt, dass ein HOAI-Referentenentwurf schon Ende 2006 vorliegen könne, kommt er jetzt zu einer etwas realistischeren Einschätzung. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee habe zugesagt, seine Position zu dem Entwurf, bis Ende Januar bekannt zu geben. Werden sich die beiden Ministerien einig, erarbeiten sie einen Entwurf, der nach der Zustimmung aller anderen Ministerien als Referentenentwurf veröffentlicht wird. Anschließend werden die Länder, Kammern und Verbände dazu gehört. Danach müssen der fortgeführten Verordnung noch das Kabinett und der Bundesrat zustimmen Schauertes korrigiertes Terminziel, Ende 2007 mit der Verordnung fertig zu sein , ist ambitioniert, aber immer noch unrealistisch.
Welchen Rahmen gibt Europa vor?
Europäische Gesetze sagen an keiner Stelle, reduziere eine Gebührenordnung auf Planungsleistungen bis maximal zur Ausführungsplanung. Europäische Gesetze schreiben nicht vor, bis zu welchen Bereichen die Gebühren geregelt werden dürfen. Europäische Gesetze sagen auch nicht, dass es keine Honorarzonen geben darf. Zumindest nicht direkt. Sie sagen es aber eventuell indirekt, aus einem Gesamtkontext heraus oder innerhalb eines definierten Ziels, beispielsweise über den EG-Vertrag. Und die EU fordert ganz allgemein Deregulierung. So steckt die Freiheit der nationalen Regelung tatsächlich in einem engen, höchst komplexen und unübersichtlichen Korsett, denn sie müssen überprüfbar europafest sein.
So schreibt beispielsweise die Dienstleistungsrichtlinie vor, dass alle Mitgliedstaaten ihre Gebührenordnungen zu überprüfen haben. Berichte darüber sind der EU-Kommission vorzulegen und werden dort einer Evaluierung unterzogen. Bezüglich der HOAI liegt dem Bundeswirtschaftsministerium bereits ein Schreiben der Generaldirektion Wettbewerb vor: Innerhalb von sechs Monaten habe man über den Reformprozess der HOAI zu berichten. Die Drohung wurde gleich mitgeliefert: Sollte der Berichte nicht überzeugen, könne ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden.
Die Generaldirektion Wettbewerb also bereits im Nacken, hat das Bundeswirtschaftsministerium bezüglich der HOAI-Novellierung eine Strategie des guten Willens entwickelt, um Reformbereitschaft zu belegen: Reduzierung auf das Notwendige, beispielsweise die Konzentration auf die Planungsleistungen. Stutzen der Tafelendwerte auf Aufträge, die im grenzüberschreitenden Verkehr keine Rolle spielen. Je kleiner der Fall, desto geringer die Gefahr, dass sich die EU-Kommission dafür interessiert. Außerdem will man darauf verweisen, dass eine Gesellschaft für einen Reformprozess angemessene Zeiträume benötige. Ob diese Argumentation akzeptiert werde, sei aber offen.
Vor diesem Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Dezember von Bedeutung, bei dem es um die Stellung der vom Staat erlassenen Rechtsanwaltsgebührenordnung in Italien ging. Nach Auffassung des Gerichtshofes erschwert das Verbot, durch Vereinbarung von den Mindesthonoraren abzuweichen, den Zugang von außerhalb Italiens niedergelassenen Rechtsanwälten zum italienischen Markt und beschränkt die Wahlfreiheit der Empfänger entsprechender Dienstleistungen. Demgegenüber betont der Gerichtshof, dass die Ziele des Verbraucherschutzes und der geordneten Rechtspflege als zwingende Gründe des Allgemeinwohls angesehen werden können, mit denen sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt. Dies stehe aber unter der doppelten Voraussetzung, dass die nationale Maßnahme geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu garantieren, und nicht über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgeht (http://www.curia.europa.eu).
Der Jochem-Vorschlag
Auf der AHO-Veranstaltung hielt das zweite Impulsreferat Prof. Dr. Rudolf Jochem, Rechtsanwalt und Notar. Der AHO hatte ihm die Frage gestellt, ob die HOAI auf gesetzlicher Grundlage einen Widerspruch zum EU-Vertrag darstellt. Dies sei nicht zu leugnen, so Jochem. Die HOAI stehe unter zunehmenden Druck aus Brüssel. Allerdings wird man auch den Eindruck nicht los, dass sich mancher HOAI-Gegner allzu gerne dieses Feigenblatts bediene. Den preisrechtlichen Ansatz wie im BMWi-Entwurf massiv zu reduzieren, sei aber nur eine der Optionen. Insbesondere die Beschränkung auf geistig-schöpferische Leistungen, und damit die Differenzierung von Planungsleistungen in zwei Kategorien und dieses auch nur noch in den Leistungsphasen 1 bis 5, sei hoch problematisch und werde der deutschen Baukultur schaden. Der radikale Rückschnitt der honorarrechtlichen Regelung ist ein Rückschritt für das deutsche Baugeschehen.
Fallen wichtige preisrechtliche Regelungen mit einer HOAI-Novelle, können auch die Berufsverbände nicht in die Bresche springen. Jochem: Das EU-Kartellrecht verbietet Berufsvereinigungen und Kammern, selbstständig Gebührenempfehlungen abzugeben. Verboten sei es allerdings nicht, wie im Fall der HOAI, wenn die Regelung durch den Gesetzgeber erlassen wird. Europäisches Kartellrecht schafft kein Problem für die HOAI. Sorgen bereiten indes die Artikel 10 und 49 des EG-Vertrags und das dort verankerte Verbot, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken. Denn preisrechtliche Regelungen grenzen diese Freiheit eventuell ein, insbesondere besteht dieser Makel, wenn Mindest- und Höchstsätze einzuhalten sind.
Jochem schlägt deswegen vor, den Verhandlungsspielraum nicht zwischen zwei Werten (Mindest- und Höchstsatz) festzulegen, sondern einen verbindlichen Honorarsatz vorzugeben, von dem nur in begründeten Fällen abgewichen werden darf. Diese Regelung widerspräche nicht dem EG-Vertrag und erlaube wesentlich weitreichender als der Regierungsentwurf, allgemein erforderliche Leistungen zu definieren und für ihre Honorarbewertung zu sorgen. Mit diesem einfachen Prinzip wäre es dann auch nicht mehr erforderlich, der EU-Kommission Kompensationsgeschäfte innerhalb der HOAI anzubieten.
Insgesamt forderte Jochem dazu auf, nicht ständig nach Brüssel zu schielen, sondern zunächst zu prüfen, welche Regelungen das Baugeschehen für die Bewertung von Architekten- und Ingenieurleistungen heute brauche. Dieses dann europafest zu machen sei zwar notwendig, aber erst der zweite Schritt. Gründe für den Erhalt der HOAI gebe es genügend: Ohne eine HOAI würde das Baugeschehen in ein Vakuum fallen und es würde ein Flickenteppich kleinteiliger Regelungen entstehen, Korruption werde die Hintertür geöffnet. Außerdem werde der Rechtsfrieden gestört, weil es ohne eine nationale Regelung keine einheitlichen Bewertungsergebnisse für vergleichbare Fälle mehr geben werde.
Unbedingt erforderlich sei es aber auch, dass die Ermächtigungsgrundlage für die HOAI geändert werde, unabhängig davon, ob das Modell der Bundesregierung oder das einheitlicher Honorarsätze favorisiert werde. Sonst werde die Chance vertan, die für die Praxis völlig untaugliche Voraussetzung für eine Honorarvereinbarung zu streichen, die rechtswirksam nur dann zustande kommt, wenn sie zum Zeitpunkt der Auftragserteilung schriftlich gefasst werde. Die Vielzahl der gerichtlichen Entscheidungen, zu der Bestimmung wann der Zeitpunkt bei Auftragserteilung gegeben ist , spräche Bände.
Lebhafte Diskussion
Die anschließende Diskussion ließe sich sehr kurz zusammenfassen. Die Branche lehnt den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums auf Basis der bekannt gewordenen Fakten fast ausnahmslos und in fast allen Punkten ab. Anerkennung gab es aber dafür, dass die Bundesregierung offensichtlich erkannt habe, dass das Baugeschehen eine HOAI benötige.
Einen besonderen Stellenwert nahm die Diskussion um die Ermächtigungsgrundlage ein. Dass die Vereinbarung einer Abweichung von den Mindestsätzen schriftlich bei Auftragserteilung zu vereinbaren ist, sei ein grundlegender Fehler. Praktisch seien damit alle Honorarvereinbarungen aufgrund der Vertragspraxis unwirksam und die Gerichte müssen massenhaft ungerechte Urteile fällen.
Ministerialrat Dr. Thomas Hardieck, für die HOAI-Novellierung zuständiger Referatsleiter im BMWi, erläuterte, dass bei der Entscheidung, die Ermächtigungsgrundlage nicht anzutasten, auch der Wunsch der Branchenorganisationen berücksichtig wurde. Mehrere Modelle einer neuen HOAI wären genau mit diesem Grund in der Vergangenheit abgelehnt worden, da man eine grundsätzliche Diskussion im Bundestag vermeiden wollte. Deswegen habe man die neue politische Linie eingeschlagen, die Ermächtigungsgrundlage wegen einer technischen Änderung nicht anzutasten. In der Sache laufe man aber offene Türen ein. Im BMWi halte man die momentane Regelung ebenfalls für falsch.
Hardieck schlug vor, zu prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, unter Beibehaltung der Ermächtigungsgrundlage in der Rechtsverordnung eine andere Regelung als bisher zu treffen. Etwa indem man die Ermächtigungsgrundlage nicht zu 100 % ausnutzt. Denn diesen Weg wolle man bei der Novelle in einer anderen Sache ohnehin gehen. Schauerte machte daraufhin eine klare Prüfzusage. Wenn allerdings kein Weg zu finden sei, wolle er vor einer Änderung der Ermächtigungsgrundlage erst sorgfältig prüfen, welche Gefahren für eine HOAI im parlamentarischen Prozess lauern. Denn durch die Anhebung der Diskussion könne auch das ganze Vorhaben in Schwierigkeiten kommen. Machen wir uns nichts vor, hier im Saal ist das alles ersehnt, aber draußen gibt es auch noch ganz andere Wünsche. Interessanterweise könnte der Jochem-Vorschlag auch hier die Lösung bieten. Die Ermächtigungsgrundlage sagt zwar, dass Mindest- und Höchstsätze festzusetzen sind, aber müssen sie sich auch zwangsweise unterscheiden? Oder reicht auch ein Honorarsatz, der wie im Jochem-Vorschlag gleichzeitig Mindest- und Höchstsatz mit Abweichungen in begründeten Fällen ist? Ziffer 2, Abs. 3, §§ 1 und 2 scheint mit diesem Ansatz nicht ganz konform zu sein. Das müssen allerdings die Juristen klären.
Novelle des Diskussionsentwurfs?
Zwischen dem BMWi und der Branche herrscht prinzipielle Einigkeit. Die HOAI soll erhalten und zukunftsfest gemacht werden. Eine zusätzliche Anforderung ist, sie europafest zu machen. Bisher hat das BMWi sich von den Branchenforderungen nach Mindest- und Höchstsätzen zu stark leiten lassen und dazu für die Branche ebenso abwegige Abstriche an anderer Stelle vorgenommen, um der EU-Kommission Reformbereitschaft zu belegen. Es könnte sein, dass der Jochem-Vorschlag die Branche wachgerüttelt hat. Als erster Offizieller hat sich noch während der Veranstaltung VBI-Präsident Dr.-Ing. Volker Cornelius geäußert: Vielleicht sollten wir uns überlegen, ob wir uns von den geliebten Mindest- und Höchstsätzen nicht besser verabschieden. Auch vor dem Hintergrund, dass wir, festgeschrieben auf den Mindestsatz, gar nicht mehr davon leben können. Entscheidend ist aber, wo liegt der Satz und wie hoch ist die Regelungsbreite.
Das BMWi ist jedenfalls mit einer bemerkenswerten Offenheit in die Diskussion gegangen. Man hat es auch nicht unter den Tisch fallen lassen, dass man selbst Zweifel hat, ob man mit den Vorschlägen bei der EU-Kommission durchkommen werde. Und man hat auch nicht verschwiegen, dass das Akzeptieren der HOAINovelle eventuell nur einen kurzfristigen Schutz vor weiteren Einschnitten bietet. Neu dürfte das den eingebundenen Verbänden mit reichlich juristischem Sachverstand nicht gewesen sein. So könnte man spekulieren, ob für die eine oder andere Seite die breitere Öffentlichkeit notwendig, vielleicht sogar Kalkül war, um die eigene festgefahrene, ausweglose Situation ohne Gesichtsverlust über Bord zu werfen. Denn was jetzt, nicht als Kompromiss, sondern als neuer Lösungsweg in der Luft liegt, hätte man auch in einer kleinen Besprechungsrunde festlegen und dann der Branche mit einem abgestimmten Entwurf präsentieren können. Aber als Planer weiß man, manchmal führt ein Umweg schneller oder einfacher zum Ziel. Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass sich der Bundesbauminister über die Feiertage nicht unsterblich in den untauglichen BMWi-Entwurf verliebt. Jochen Vorländer
1) AHO: Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung, https://www.aho.de/
Das Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4. November 1971 (BGBl. I S. 1745, 1749) ist erstmals am 10. November 1971 in Kraft getreten. Die bisher erste und einzige Änderung erfolgte am 12. November 1984 (BGBl. I S. 1337). Nachfolgend § 1 aus der HOAI-Ermächtigungsgrundlage. § 2 regelt dieses entsprechend für Architekten, wobei Abs. 3 Ziffern 1 bis 3 identisch sind:
§ 1 Ermächtigung zum Erlaß einer Honorarordnung für Ingenieure
(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine Honorarordnung für Leistungen der Ingenieure zu erlassen. In der Honorarordnung sind Honorare für Leistungen bei der Beratung des Auftraggebers, bei der Planung und Ausführung von Bauwerken und technischen Anlagen, bei der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen sowie bei der Vorbereitung, Planung und Durchführung von städtebaulichen und verkehrstechnischen Maßnahmen zu regeln.
(2) In der Honorarordnung sind Mindest- und Höchstsätze festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Ingenieure und der zur Zahlung der Honorare Verpflichteten Rechnung zu tragen. Die Honorarsätze sind an der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie an der Leistung des Ingenieurs auszurichten. Für rationalisierungswirksame besondere Leistungen des Ingenieurs, die zu einer Senkung der Bau- und Nutzungskosten führen, können besondere Honorare festgesetzt werden.
(3) In der Honorarordnung ist vorzusehen, daß
1. die Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden können;
2. die Höchstsätze nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhnlich lange dauernden Leistungen überschritten werden dürfen;
3. die Mindestsätze als vereinbart gelten, sofern nicht bei Erteilung des Ingenieurauftrages etwas anderes schriftlich vereinbart ist.