Mit dem Richterspruch ist nach Auskunft des AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung) jedoch nicht das Ende der HOAI verbunden, denn die meisten Regelungen bleiben von der Entscheidung grundsätzlich unberührt. Die HOAI könne auch weiterhin als Grundlage für Architekten- und Ingenieurverträge vereinbart werden. Lediglich die Pflicht zur Einhaltung der Mindest- und Höchstsätze der HOAI ist nicht mehr gerichtlich durchsetzbar. Weil keine Frist zur Anpassung der HOAI vorgesehen ist, gilt das nach juristischer Einschätzung ab sofort und auch für laufende Verträge. Bis zur Entscheidung des EuGH geschlossenen Planungsverträge – auch unter Bezugnahme auf die HOAI – bleiben nach Auskunft des AHO generell wirksam. Eine Änderung bzw. Anpassung sei dazu grundsätzlich nicht erforderlich, jedoch sei im Regelfall kein Rückgriff mehr auf die Mindest- bzw. Höchstsätze der HOAI möglich.
Was das EuGH-Urteil für laufende und zukünftige Verträge bedeutet, hat der AHO in einer Bewertung kurz zusammengefasst, die u.a. vom Verband Beratender Ingenieure (VBI) zitiert wird. Auch die Bundesingenieurkammer (BIngK) hat bereits FAQs zum EuGH-Urteil veröffentlicht.
Und wie könnte es weitergehen?
Neben der unmittelbar wirkenden Konsequenz, dass ein Berufen auf die Mindest- und Höchstsätze der HOAI ab sofort nicht mehr möglich ist, muss Deutschland sein Recht unverzüglich (schnellstmöglich) anpassen, wodurch sich unter Umständen weitere Konsequenzen ergeben. Da sich die Bundesregierung aber eindeutig für eine Verteidigung der HOAI und ihre Beibehaltung positioniert hat, sind hier wohl eher Formalien zu erwarten.
Auch der AHO sieht mit dem Richterspruch kein Ende der HOAI verbunden, da die meisten Regelungen von der Entscheidung grundsätzlich unberührt bleiben und sich die Leistungsbilder und die Regelungen zur Ermittlung des Honorars als wertvolles Gerüst und Grundlage für das Planen und Bauen etabliert haben und Auftraggebern und Auftragnehmern einen rechtssicheren Rahmen bieten. Gemeinsam mit den Kammern und Verbänden der Architekten und Ingenieure will sich der AHO dafür einsetzen, dass die HOAI in diesem Sinne als Orientierung für die vertragliche Vereinbarung der Parteien im Sinne des Verbraucherschutzes und der Qualitätssicherung weitgehend erhalten wird. Der AHO sieht gute Chancen, im Gespräch mit der Bundesregierung, eine tragfähige Lösung zum weitgehenden Erhalt der HOAI im Interesse der Auftraggeber und Auftragnehmer zu finden.
Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW: „Die bislang geltenden verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI waren die Grundlagen hoher Qualitätsstandards im Bauwesen. Mit ihrem Wegfall ist unsere Branche nun dringend auf tragfähige Alternativen angewiesen. Die Sicherung hoher Qualitätsstandards ist im Interesse der öffentlichen Sicherheit und des Verbraucherschutzes von elementarer Bedeutung. Hohe Qualität sichert zudem die Konkurrenzfähigkeit der kleinen und mittelgroßen Planungsbüros.“
Dipl.-Ing. Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer: „Sowohl für unseren Berufsstand als auch für die Auftraggeber ist das EuGH-Urteil einen bedeutsamen Einschnitt, da die wissenschaftlich ermittelten Honorarsätze zukünftig nicht mehr verpflichtend gelten, und wir neben Leistung und Qualität verstärkt auch über den Preis verhandeln müssen. Wichtig ist uns, auch weiterhin auf Basis angemessener Honorare arbeiten zu können, um Auftraggebern den ganzheitlichen Leistungsumfang zukommen lassen zu können, der zur optimalen Lösung baulicher Aufgaben notwendig ist, und zwar sowohl im Interesse der Auftraggeber als auch im Interesse der Allgemeinheit, denn Bauen ist nie nur privat. Wie sorgfältig wir unsere Gebäude planen und wie nachhaltig wir sie bauen und betreiben, trägt maßgeblich zur Qualität der gebauten Umwelt und auch zum Klimaschutz bei. Wir werden die intensiven Gespräche mit dem federführenden Bundeswirtschaftsministerium fortführen, um die Leistungsbilder und Honorarsätze der HOAI mit Zustimmung der Bundesländer zumindest als abgeprüften Referenzrahmen zu erhalten.“
Dipl.-Ing. Hans-Ullrich Kammeyer, Präsident der Bundesingenieurkammer: „Es ist allgemein bekannt, dass für einen zu niedrigen Preis keine hinreichende Qualität geliefert werden kann – das gilt auch für Ingenieurleistungen. Da der EuGH den Preisrahmen, den die HOAI vorgibt, mit seinem heutigen Urteil gekippt hat, muss es jetzt darum gehen, den Verbrauchern Sicherheit und den planenden Berufen in Deutschland eine verlässliche und handhabbare Grundlage an die Hand zu geben. Darum wird die Bundesingenieurkammer nun gemeinsam mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung an einer Lösung arbeiten. Denkbar ist ein Ansatz analog dem der Steuerberater, wonach statt eines Mindestsatzes von einem Regelsatz auszugehen ist und ein Angemessenheitsvorbehalt im Hinblick auf die zu erbringende Leistung gilt.“ ■