Neue stationäre Kälte-/Klimaanlagen mit mehr als 3 kg Füllmenge einer, Zitat, „in der Luft stabilen Kältemittelfüllung“, also von chlorfreien, teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen (FKW), müssen in der Schweiz seit 2004 von den kantonalen Behörden bewilligt werden. Kältefachleute gehen davon aus, dass die Umweltanforderungen an diese Kältemittel in absehbarer Zeit noch weiter steigen werden, insbesondere wenn es bereits umweltschonendere Ersatz-Verfahren gibt. Dazu zählen sowohl natürliche Kältemittel als auch alternative Kühlverfahren wie die Absorptionskältetechnik, die mit Stoffpaaren wie beispielsweise Lithiumbromid/Wasser arbeitet.
Schon bei der Vorplanung des neuen Ibis Hotels in der Basler Innenstadt, gleich beim Bahnhof Basel SBB, wurde festgelegt, dass das 2-Sterne-Economy Hotel an das vorhandene Fernwärmenetz angeschlossen wird. Mehr noch: Da Ibis Hotels mit komfortabel klimatisierten Zimmern ausgerüstet sind, offerierte der städtische Energieversorger IWB, Industrielle Werke Basel, einen speziellen Sommertarif für den Antrieb einer Yazaki-Absorptionskältemaschine (AKM) mit 105 kW Nennkälteleistung. Das IWB-Angebot für die Fernwärme-angetriebene Absorptionskältemaschine wurde noch erweitert und umfasst folgende Tarife und Leistungen:
- 2,15 Cent/kWh Fernwärme bei AKM-Betrieb während fünf Sommermonaten (Vorlauf max. 120 °C/Rücklauf max. 90 °C)
- 2,32 Cent/kWh bei AKM-Betrieb während sieben Sommermonaten.
- Übernahme von 10 % der Investitionskosten einer Absorptionskälteanlage
- Übernahme der Kosten für den planerischen Mehraufwand einer Absorptionskälteanlage.
Für die IWB haben zusätzliche Fernwärmeabnehmer im Sommer den Vorteil, dass die Wärme aus der Müllverbrennungsanlage sinnvoll genutzt und das Fernwärmenetz dadurch auch in der lastarmen Zeit stabilisiert wird. Fernwärme aus Müllverbrennungsanlagen gilt zudem als regenerative Energie. Die primärenergetische Bilanz einer Absorptionskältemaschine ist deshalb trotz der bauarttypischen hohen Rückkühlleistung und dem damit verbundenen höheren Pumpen- und Ventilatorenstromverbrauch spürbar besser als die einer elektrisch angetriebenen Kompressionskältemaschine gleicher Kälteleistung.
Schlankes Gebäudetechnikkonzept
Für ein Hotel der 2-Sterne-Kategorie bietet das Ibis in Basel einen beachtlichen Komfort. Das Gebäude besteht aus Erdgeschoss, vier Hauptgeschossen, Dachgeschoss sowie einem Untergeschoss für Technikräume und Tiefgarage. Eine Besonderheit in der architektonischen Gestaltung ist die Doppelfassade entlang der Güterstrasse und der Margarethenstrasse, die primär Schalldämmfunktionen übernimmt, aber dem Gebäude auch eine moderne modulare Form gibt. Alle 112 Zimmer werden über individuell bedienbare Decken-integrierte Umluftkühl- und Heizgeräte temperiert. Durch die Wahl eines Zweileitersystems konnten sowohl Investitionskosten als auch Betriebskosten niedrig gehalten werden. Dazu trägt auch die manuelle Umschaltung von Heizen auf Kühlen mit einer Mindestunterbrechung von zwei Stunden bei.
Eine Simulationsrechnung des TGA-Planers, Ingenieurbüro Bogenschütz AG, Basel, hat gezeigt, dass das Hotel so gut wie keine internen Wärmelasten aufweist und damit der Lastgang der Klimaanlage fast vollständig von der Außentemperatur und der Außenfeuchte bestimmt wird. Nach diesen Berechnungen reicht es aus, das Gebäude an nur fünf Monaten im Sommer zu kühlen. Anders als in den höheren Hotelkategorien werden die Zimmer weder vorgeheizt noch vorgekühlt, jedoch ständig be- und entlüftet. Dadurch ist auch eine Grundtemperierung gewährleistet. Aufgrund der bauphysikalisch optimierten Gebäudehülle sind die Aufheizzeiten bzw. Abkühlzeiten jedoch gering.
Alle Hotelzimmer sowie die Räume im Erdgeschoss werden über eine Lüftungsanlage (zweifacher Luftwechsel) mit aufbereiteter Luft versorgt. Eine wichtige Funktion dabei ist die Entfeuchtung der aufbereiteten Luft, denn am Oberrhein muss im Sommer mit hoher Luftfeuchte gerechnet werden. Hier kommt der Vorteil des gewählten Absorptionskältesystems besonders zum Tragen, da die bauartbedingt sehr niedrigen Kaltwassertemperaturen von 6 bis 8 °C eine hohe Entfeuchtungsleistung der Luft im Sommer ermöglichen, unabhängig von der gewählten Raumtemperatur. Bei Kompressionskältemaschinen ist dagegen eine hohe Entfeuchtungsleistung immer mit einer Verschlechterung der Leistungszahl und somit höheren Betriebskosten verbunden.
Anspruchsvolle Planungsaufgabe
Während die Wärme- bzw. Kältenutzungsanlage sowie das Lüftungssystem des Hotels für versierte Planer eher zu den Standardleistungen zählt, setzt die Planung der Absorptionskälteanlage gewisse Spezialkenntnisse voraus, insbesondere bei der Hydraulik und dem regelungstechnischen Konzept. Obwohl die Lithiumbromid/Wasser-Absorptionskältemaschine des japanischen Herstellers Yazaki als „Weltprodukt“ gilt und damit eine erhebliche Robustheit bereits funktional in der Maschine integriert ist, sind einige Besonderheiten zu beachten.
So reagiert ein Absorber empfindlich, wenn das Anfahr- und Abschaltprocedere allzu abrupt erfolgt oder wenn die Maschine auf der Heizseite in Gang gesetzt wird, ohne dass eine ausreichende Kälteanforderung vorliegt. Beim Ibis Hotel kommt noch hinzu, dass für die bei Absorbern notwendigen oft sehr voluminösen Pufferspeicher nur wenig Platz vorhanden ist. Deshalb ist das Hydraulik- und Regelungskonzept von vornherein auf einen möglichst großen Teillastbetrieb ausgelegt. Dies erfordert beispielsweise eine sehr genaue Abstimmung von Fernwärmeventil (zur Beheizung des Absorbers), Heizkreispumpe (FU-geregelt), Kältekreispumpe (FU-geregelt) sowie der Pumpe für den Rückkühlkreislauf.
Durch ein sehr ausgeklügeltes Regelungssystem kann die Yazaki-Absorptionskältemaschine im Bereich von 30 bis 100 % Kälteleistung gleitend gefahren werden, was eine quasi bedarfsorientierte Kälteerzeugung ermöglicht. Der Pufferspeicher ist dadurch mit rund 2000 Liter Speichervolumen vergleichsweise klein dimensioniert.
Hohe Schallschutzanforderungen
Typischerweise ist die notwendige Rückkühlleistung für einen Absorber hoch; beim Ibis Hotel wählte der Planer einen adiabatischen Rückkühler mit 250 kW Nennleistung. Der Rückkühler arbeitet bis zu einer Außentemperatur von 26 °C trocken, darüber wird er nass gefahren. Dazu wird enthärtetes Wasser auf die Ansaugseite der V-förmig angeordneten Wärmeübertrager gesprüht, ein sehr wassersparendes, effizientes Rückkühlverfahren.
Aufgrund behördlicher Auflagen der Stadt Basel war die Auslegung und Anordnung des Rückkühlers auf dem Dach des Hotels für den Planer eine besondere Herausforderung. Einerseits galt es, die besonders hohen Lärmschutzanforderungen zu erfüllen, andererseits gibt es seit einiger Zeit Auflagen, Technikbauten auf Gebäuden optisch in das Architekturkonzept zu integrieren. Gelöst wurde die Aufgabe durch die Wahl besonders leiser, drehzahlregelbarer Ventilatoren, die bei Nacht gezielt auf Teillast gefahren werden. Damit wird die behördliche Auflage von 29,7 dB(A) in 15 m Abstand voll erfüllt. Die optische Integration des Rückkühlwerkes in die Gebäudearchitektur ist durch einen Sichtschutz in Form einer Lamellenwand gelöst.
Fazit
Die sommerliche Klimatisierung von Gebäuden mittels Fernwärme-angetriebener Absorptionskältemaschinen ist ein probates Mittel, den Absatz von Fernwärme im Sommer zu steigern, um das Fernwärmenetz besser auszulasten. Absorptionskältemaschinen in Verbindung mit Fernwärme aus einem Müll-Heizkraftwerk sind zudem CO2-neutral und damit umweltschonender als Kompressionskältemaschinen. Da bei Absorbern natürliche Stoffe (Wasser und Lithiumbromid) als „Kältemittel“ eingesetzt werden, entfällt die in der Schweiz übliche Bewilligungspflicht für Klimaanlagen. Das Beispiel Ibis Hotel in Basel zeigt, dass durch ein intelligentes Regelungskonzept eine quasi bedarfsgeführte Kälteerzeugung möglich ist.
Hotel Ibis Basel
Bauherr: Balhotel AG, Basel
Bauherrenvertretung: Architekturbüro W. Suter, Wildberg
Architekt: Frick/Dunkel Architekten, Basel
Generalunternehmer: Bauengineering.com AG, Basel
HLKKS-Planung: Bogenschütz AG, Basel, Ingenieurbüro SIA/USIC
Lieferant Kälte: Walter Meier (Klima Schweiz) AG, Schwerzenbach, Exklusiv-Vertrieb für die Schweiz; in Deutschland werden Yazaki-Absorber von GasKlima GmbH, Erlensee, angeboten
Gebäudedaten
Bruttogeschossfläche: 3500 m2
Volumen: SIA 9000 m3
Anzahl Hotelzimmer: 112
Installierte Heizleistung: 220 kW
Installierte Kälteleistung: 105 kW
Installierte Luftleistung: 14000 m3/h
Investitionskosten HLKKS: 1,9 Mio. CHF (ca. 1,26 Mio. Euro)
Absorptionskältemaschine
Fabrikat: Yazaki
Lieferant: Yazaki Europe, Köln
Spezifikation: Warmwasserbetriebene Absorptionskältemaschine mit Lithiumbromid/Wasser-Kühlsystem. Geräte-Typ WFC-SC 30
Kälte-Nennleistung: 105 kW (max. 140 kW) bei Heizwassertemperaturen von 88 zu 83 °C (Eintritt mind. 70 °C, max. 95 °C; volumenstromvariabel von 30 bis 100 %)
Kaltwassertemperatur: 12,5 °C Eintritt, 7 °C Austritt
Kühlwasser/Rückkühler: 31 °C zu 35 °C
Leistungszahl (COP): 0,7 bis 0,78
Die Akteure des Projekts
Die Accor-Gruppe ist mit 150000 Mitarbeitern in 100 Ländern weltweit eines der größten Unternehmen im Bereich Hotellerie und Dienstleistung für Unternehmen und öffentliche Institutionen. Die Hotellerie umfasst die Marken Sofitel, Pullman, MGallery, Novotel, Mercure, Suitehotel, Ibis, all seasons, Etap Hotel, Formule 1 und Motel 6 mit zusammen mehr als 4000 Hotels und ca. 500000 Zimmern in 90 Ländern.
Ibis ist mit über 800 Hotels und mehr als 94000 Zimmern in 40 Ländern europäischer Marktführer in der Economy Hotellerie. In der Schweiz ist die mit zwei Sternen zertifizierte Hotelkette derzeit mit 15 Häusern vertreten. Typisch für die Marke Ibis sind klimatisierte Zimmer, ein ansonsten eher seltenes Angebot in dieser Hotelkategorie.
Die IWB, Industrielle Werke Basel, versorgen in Basel über 40000 Wohnungen sowie Krankenhäuser, öffentliche Gebäude und Gewerbe-/Industriebetriebe mit Fernwärme. Das Fernwärmenetz umfasste Ende 2008 rund 202 km. Die Wärmeproduktion aus der Müllverbrennung belief sich 2008 auf 477 Mio. kWh, die aus Erdgas und Klärschlamm auf 532 Mio. kWh. Weitere Wärme speist demnächst das neue Holzkraftwerk Basel ein. Für Gebäude innerhalb des Fernwärmeversorgungsgebietes besteht Anschlusspflicht für Heizwärme. Durch ein attraktives Tarif- und Zuschussprogramm will die IWB die Kälteerzeugung mittels Absorptionskältemaschinen für neue Kunden attraktiver gestalten.
Die Bauengineering.com AG gilt in der Schweiz seit mehr als 16 Jahren als Bauspezialist mit einem umfangreichen Dienstleistungsangebot, das von der Projektentwicklung über General- und Totalunternehmer bis zur Vermarktung von Immobilien reicht. Sitz des 1992 gegründeten Unternehmens ist St. Gallen. Zusammen mit den Geschäftsstellen in Basel, Bern, Chur, Zürich und Zug sowie der Niederlassung im Fürstentum Liechtenstein zählt das Unternehmen über 110 Mitarbeiter.
Die Bogenschütz AG, Ingenieurbüro SIA/USIC mit Sitz in Basel, bietet die gesamte Planung von Heizungs-, Lüftungs-, Klima-, Kälte- und Sanitäranlagen inklusive MSR- und GLT für alle Arten von Gebäuden an. Auch periphere Gewerke wie Sprinkler-, Abwasser-, Brandschutz- und Solaranlagen gehören zum Planungsangebot. Das 1956 gegründete und 1978 in eine AG umgewandelte Ingenieurbüro wurde 2006 mit der Hans Habicht AG, Zug, vereint. Bei der Bogenschütz AG sind 17 Personen, zusammen mit den Mutter- und Schwesterfirmen rund 60 Mitarbeiter beschäftigt.
Yazaki gilt als einer der Hersteller von Absorptionskältemaschinen mit der größten Erfahrung weltweit. Bereits im Jahr 1970 begann das japanische Unternehmen mit der Massenproduktion von Absorptionskältemaschinen kleiner und mittlerer Leistung. Weltweit sind über 100000 Yazaki-Absorber installiert, davon über 2000 in EU-Ländern. Das Spektrum der kompakten thermisch angetriebenen Kältemaschinen reicht von 17,5 bis 700 kW Kälteleistung. Yazaki-Absorber gelten als robust und wegen ihrer einfachen regelungstechnischen Einbindung als ideale Komponenten für die thermische Kälteerzeugung mittels regenerativer Energien.
Wolfgang Schmid
ist Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, E-Mail: wsm@tele2.de