Kompakt informieren
- Mit einer 100-kW-PV-Anlage betreibt der Elektro- und Solargroßhändler Elektro Wiemann seinen neuen Hauptsitz mit rund 3000 m<sup>2</sup> Nutzfläche rechnerisch energieautark.
- Der Bürobereich wird über ein VRF-System zum zeitgleichen Heizen und Kühlen mit Wärmerückgewinnung klimatisiert. Überschüssige Wärme wird in die Industriebodenheizung der Lager- und Kommissionierhalle eingekoppelt.
- Der darüber hinaus gehende Heizbedarf im Gewerbebereich wird über Luft/Wasser-Wärmepumpen in einer 6er-Kaskade gedeckt. Im reinen Kühlbetrieb werden die Außeneinheiten als Rückkühler verwendet.
Der Elektro- und Solarfachgroßhandel Elektro Wiemann GmbH ist in Ostwestfalen mit zwei Niederlassungen in Bünde und Espelkamp vertreten. 2017 ist in Bünde ein neuer Firmensitz Abb. 1 entstanden, um Büroräume und Warenlager technisch auf den neuesten Stand zu bringen und die aktuellen Anforderungen eines modernen, mittelständischen Unternehmens zu erfüllen.
Das Gebäude umfasst eine Lager- und Kommissionierhalle mit einer Fläche von rund 2000 m2 sowie einen Büro- und Verkaufsbereich mit rund 1000 m2 Fläche auf zwei Ebenen. Darüber hinaus stehen ein Schulungsraum Abb. 5 sowie eine Dachterrasse zur Verfügung, die neben eigenen Schulungen auch von externen Unternehmen für Veranstaltungen angemietet werden können.
Als Elektro- und Solargroßhändler, der im Bereich der erneuerbaren Energien engagiert ist, hat sich der Geschäftsführer Uwe Wiemann ganz bewusst für eine Komplettversorgung des Gebäudes mit VRF-Technik entschieden. Eine 100-kW-Photovoltaik-Anlage auf dem Dach sorgt dafür, das Gebäude rechnerisch energieautark zu betreiben. Ziel ist es, den gesamten Strombedarf u. a. für Beleuchtung, Komfortklimatisierung und Beheizung sowie die EDV mit regenerativ selbst erzeugtem Strom bereitzustellen.
Klima- und Heizlösung mit WRG
In Kooperation mit Systemingenieur Hartmut Küchler von Mitsubishi Electric, Living Enviroment Systems, und dem Fachhandwerksunternehmen für Kälte, Klima und Lüftung Zimmer & Hälbig wurde ein Konzept erstellt, um die größtmögliche Energieeffizienz zu erzielen und den Energieverbrauch so gering wie möglich zu halten. Das Konzept sieht eine Klima- und Heizlösung mit Wärmerückgewinnung vor, mit der die beiden Bereiche des Büro- und Gewerbegebäudes versorgt werden. „Es kommen zwei Systeme zum Einsatz. Diese arbeiten hydraulisch unabhängig, sind aber in der Heizzentrale über einen Pufferspeicher thermisch gekoppelt und können sich gegenseitig Wärme zuführen“, erklärt Küchler.
Zur Komfortklimatisierung der Büro-, Besprechungs- und Schulungsräume sowie des Verkaufsraums kommt ein VRF-WR2-System Abb. 2 von Mitsubishi Electric zum Einsatz. Die wassergekühlte R2-Serie ist ein 2-Leiter-System mit Wärmerückgewinnung zum simultanen Heizen und Kühlen. Sie sorgt für eine bedarfsgerechte Verschiebung der Wärmeenergie innerhalb des Gebäudes. Die wassergekühlten VRF-Einheiten der City-Multi-Serie zeichnen sich durch sehr hohe Energieeffizienz und kompakte Aufstellmaße aus und eignen sich optimal zur Innenaufstellung in einem Technikraum. In diesem Objekt steht das Gerät direkt in der Heizzentrale und kann die zurückgewonnene Wärme auf kurzem Weg an das Wassernetz (für die Flächenheizung und die RLT-Anlage) oder einen Pufferspeicher abgeben.
Das WR2-System arbeitet mit einem separaten Kältekreislauf und versorgt das Bürogebäude über 18 Klima-Deckenkassetten im Euroraster-Maß mit Energie zum Heizen oder Kühlen. Dafür kommen zwei Kältemittelverteiler (BC-Controller) zum Einsatz, die mit dem „Außengerät“ eine kälte- und regelungstechnische Einheit bilden. In den BC-Controllern (je einer pro Büroetage) findet eine Phasentrennung des Kältemittels zwischen den Innen- und dem Außengerät statt. In den Kältemittelverteilern wird überschüssige Wärmeenergie zunächst gespeichert und je nach Anforderung den Deckenkassetten zugeführt.
6er-Kaskade für Industriebodenheizung
Für den anderen Gebäudeteil – die Industriehalle – kommen sechs Luft/Wasser-Wärmepumpen aus der Mr. Slim-Serie von Mitsubishi Electric zum Einsatz. Sie stehen als 6er-Kaskade im Außenbereich Abb. 4 und stellen die Versorgung mit Wärme für die Lagerhalle sicher. Die Kaskadierung der Außengeräte bietet gegenüber einem Einzelgerät mit größerer Leistung mehrere Vorteile, beispielsweise können durch die Kaskadierung die sechs Einheiten gleichzeitig im Teillastbetrieb arbeiten. Das ist effizienter als ein Modul im Volllastbetrieb laufen zu lassen, während die ande ren sich im Stand-by-Modus befinden.
Die Außeneinheiten erbringen gemeinsam die benötigte Leistung. Dabei errechnet eine spezielle Regelung in Abhängigkeit der Leistungsaufnahme der Außengeräte, der momentanen Heizleistung und der Außentemperatur den maximal erreichbaren Coeffecient of Performance (Peak-COP) und steuert die Anlage entsprechend. Ein Nebeneffekt dieser Strategie ist, dass alle Geräte gleichmäßig genutzt werden können und in etwa die gleiche Laufzeit haben. Zudem ergibt sich durch die Redundanzfunktion ein Sicherheitsaspekt: Sollte sich ein Modul im Off-Modus befinden, gewährleisten die anderen Geräte die Versorgung.
Um die Wärmeversorgung auch bei sehr niedrigen Außentemperaturen sicherzustellen, sind die Außengeräte mit Zubadan-Inverter-Technik ausgestattet. Sie verfügen über eine optimierte Abtaufunktion, gewährleisten den Heizbetrieb bis zu einer Außentemperatur von – 25 °C und bietet die volle Heizleistung bis zu einer Temperatur von – 15 °C. Der Wärmeübertrag zwischen dem wasserseitigen System (Pufferspeicher) und den Wärmepumpen wird über sechs Wasserwärmeübertrager-Einheiten (HEX-Units) Abb. 2 gewährleistet. Je nach Anforderung wird die benötigte Wärme über eine Verteilerstation der Industriefußbodenheizung zugeführt.
Wärmepumpen als Rückkühler
Einen entscheidenden Beitrag zur Wärmerückgewinnung und zur Reduzierung des Energieverbrauchs leistet das R2-System. Wenn in den Büro- und Besprechungszimmern aufgrund der inneren Wärmelasten vorwiegend gekühlt wird, wird die den Räumen entzogene Wärme bei Bedarf zur Beheizung der Lagerhalle genutzt bzw. in den Pufferspeicher eingelagert. Mit ihrer niedrigen Vorlauftemperatur eignet sich die Fußbodenheizung optimal zur Nutzung von thermischer Energie aus Wärmerückgewinnung, denn das Temperaturniveau ist in etwa gleich. In dieser Zeit werden die Wärmepumpen im Außenbereich nicht benötigt, da die Abwärme aus den Büroräumen zum Heizen der Halle ausreicht.
Bei hohen Außentemperaturen liegt im gesamten Gebäudekomplex kein Wärmebedarf vor. In diesem Fall wird das Gebäude ausschließlich gekühlt. Wenn die Wärme nicht benötigt wird, weil keine Abnahme über die Industriefußbodenheizung oder die Lüftungsanlage erfolgt, wird die überschüssige Wärme kontrolliert abgeführt. Dann übernehmen die Mr.-Slim-Außengeräte die Funktion von Rückkühlern.
Abgerundet wird das Konzept durch eine zentrale Lüftungsanlage, die Flure, Besprechungsräume und den Schulungsraum im Bürotrakt mit Außenluft versorgt. Sie verfügt über ein Heizregister, das ebenfalls als Heizkreis in die Verteilerstation integriert ist und von der Wärmerückgewinnung profitiert.
Intelligent vernetzte Anlagensteuerung
Besonders hervorzuheben ist, dass die Beheizung nicht nur ohne fossile Brennstoffe erfolgt, sondern der Energiebedarf auch mit selbst erzeugtem Strom abgedeckt werden kann. Wiemann: „Aufgrund des relativ geringen Wärmebedarfs und der intelligenten Energieverschiebung innerhalb des Gebäudes ist es möglich, die benötigte elektrische Energie sowohl für das wassergeführte VRF-System als auch für die Luft/Wasser-Wärmepumpen rechnerisch komplett mit der PV-Anlage abzudecken. Ein Batteriespeicher soll in Zukunft dafür sorgen, sich von einem Versorger so weit wie möglich abzukoppeln. Die Stromspeicher arbeiten mit einer intelligenten Steuerung, die ein dem Energiebedarf des Gebäudes entsprechendes Lastprofil berücksichtigt.
Die Steuerung für das Objekt erfolgt über KNX-Standard als Kommunikationsprotokoll. Auf diesen sind die einzelnen Gewerke aufgeschaltet Abb. 7. Die Daten für alle gebäudetechnischen Systeme können so zentral abgerufen, gesteuert und parametriert werden.
Unterhalb der Ebene der Gebäudeautoma-tion verfügen die technischen Gewerke über herstellereigene Regelungstechnik. Die Klima- und Heiztechnik wird zum Beispiel über eine zentrale Systemsteuerung mit Web-Funktionalität vom Typ EW-50E gesteuert und überwacht. Ein Wärmepumpen-Manager regelt in Abhängigkeit zur Außentemperatur den Betriebszustand der Anlage. Die kompakte Systemsteuerung besitzt keine Anzeigeneinheit, sodass die Bedienung über Tablets Abb. 6 (eins pro Etage) erfolgt oder von jedem Nutzer über das hauseigene Netzwerk von seinem Arbeitsplatz eingestellt werden kann.
Ein Schaltschema der Anlage kann über den Webcode 847996 aufgerufen werden.
Maik Sommer, M. A.
ist Fachredakteur bei Schellhorn Public Relations, 45721 Haltern am See, www.schellhorn-pr.de