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Crowd Oil

Kraftstoffe aus der Klimaanlage

Kompakt informieren

  • Per Elektrolyse lässt sich mit Strom aus Wasser Wasserstoff erzeugen und als Energieträger verwenden. Wasserstoff ist aber nur bedingt kompatibel mit dem heutigen Energiesystem bzw. der vorhandenen Energieinfrastruktur.
  • Über weitere Verfahren kann der Wasserstoff zu gasförmigen (Methan, CH<sub>4</sub>) und flüssigen Kraftstoffen oder Chemierohstoffen umgewandelt werden, dazu ist Kohlenstoff erforderlich.
  • Für eine positive Treibhausbilanz muss der Kohlenstoff direkt oder indirekt (z. B. über Biomasse) aus der Atmosphäre entnommen werden.
  • Da Kohlenstoff in Form von CO<sub>2</sub> nur in geringem Umfang in der Atmosphäre vorhanden ist, müssten für die direkte CO<sub>2</sub>-Abscheidung große Luftmengen bewegt werden.
  • Forscher haben nun vorgeschlagen, die CO<sub>2</sub>-Abscheidung und auch die Synthese von Kraftstoffen mit Lüftungs- und Klimaanlagen zu koppeln.

Um die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen in den kommenden drei Jahrzehnten drastisch zu senken, müssen ganze Sektoren, wie die Stromerzeugung, die Mobilität und die Gebäudebewirtschaftung, umgestaltet werden. In einem zukünftigen klimafreundlichen Energiesystem könnten synthetische Energieträger einen wesentlichen Baustein darstellen. „Wenn wir den erneuerbaren Wind- und Solarstrom sowie Kohlenstoffdioxid direkt aus der Umgebungsluft nutzen, um Kraftstoffe herzustellen, dann können wir große Mengen an Treibhausgas-Emissionen vermeiden“, sagt Professor Roland Dittmeyer vom Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT) des KIT.

Viel Luft für signifikante Mengen synthetischer Energieträger

Wegen der geringen CO2-Konzentration in der Umgebungsluft – der Anteil liegt heute bei 0,038 % (380 ppm) – müssen aber große Mengen Luft in großen Filteranlagen behandelt werden, um signifikante Mengen synthetischer Energieträger herzustellen. Ein Forscherteam rund um Dittmeyer und Professor Geoffrey Ozin von der University of Toronto (UoT) in Kanada schlägt nun vor, die Herstellung synthetischer Energieträger zukünftig dezentral zu organisieren – und mit bestehenden Lüftungs- und Klimaanlagen in Gebäuden zu koppeln.

Die notwendigen Technologien seien dafür im Wesentlichen vorhanden und durch die thermische und stoffliche Integration der einzelnen Prozessstufen ließe sich eine hohe Kohlenstoffausnutzung und eine hohe Energieeffizienz erreichen, so Dittmeyer: „Wir wollen die Synergien zwischen der Lüftungs- und Klimatechnik auf der einen und der Energie- und Wärmetechnik auf der anderen Seite nutzen, um Kosten und Energieverluste bei der Synthese zu senken. Darüber hinaus könnten durch ‚crowd oil‘ viele neue Akteure für die Energiewende mobilisiert werden. Wie gut das funktionieren kann, haben wir bei den privaten Photovoltaikanlagen gesehen.“

Für die Umwandlung des CO2 würden allerdings große Mengen an elektrischem Strom zur Herstellung von Wasserstoff beziehungsweise Synthesegas benötigt. Dieser Strom muss CO2-frei sein, damit die Umweltbilanz positiv ausfällt. Ein forcierter Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, unter anderem auch durch gebäudeintegrierte Photovoltaik, sei deshalb notwendig, so Dittmeyer.

Großes Potenzial durch viele vorhandene Lüftungsanlagen

In einer gemeinsamen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Nature Communications zeigen die Wissenschaftler um Dittmeyer und Ozin anhand quantitativer Betrachtungen am Beispiel von Bürogebäuden, Supermärkten und Energiesparhäusern das CO2-Einsparungspotenzial ihrer Vision von dezentralen, an Gebäudeinfrastruktur gekoppelten Konversionsanlagen.

Sie schätzen, dass ein signifikanter Anteil der in Deutschland für Mobilität eingesetzten fossilen Energieträger durch „crowd oil“ ersetzt werden könnte. Nach den Berechnungen des Teams würde beispielsweise allein die Menge CO2, die potenziell in den Lüftungsanlagen der rund 25 000 Supermärkte der drei größten Lebensmittelhändler Deutschlands abgeschieden werden könnte, ausreichen, um etwa 30 % des Kerosinbedarfs oder rund 8 % des Dieselbedarfs in Deutschland zu decken. Zudem wäre eine Verwendung der erzeugten Energieträger in der chemischen Industrie als universelle Synthesebausteine möglich.

Pilotanlage mit CO2-Umsatz von 1,25 kg/h wird aufgebaut

Das Team kann dabei auf Voruntersuchungen der einzelnen Prozessschritte und Prozesssimulationen, unter anderem aus dem Kopernikus-Projekt P2X des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, zurückgreifen. Auf dieser Grundlage rechnen die Wissenschaftler mit einer Energieeffizienz (dem Anteil der aufgewendeten elektrischen Energie, der in chemische Energie umgewandelt werden kann) von etwa 50 bis 60 %.

Darüber hinaus erwarten sie eine Kohlenstoffeffizienz – also den Anteil der aufgewendeten Kohlenstoffatome, die sich im produzierten Kraftstoff wiederfinden – von etwa 90 bis annähernd 100 %. Um diese Simulationsergebnisse bestätigen zu können, bauen die Forscher des IMVT zusammen mit Projektpartnern derzeit am KIT den voll integrierten Prozess auf, mit einem geplanten CO2-Umsatz von 1,25 kg/h.

Damit es keine Vision bleibt, sind große Anstrengungen notwendig

Gleichzeitig arbeiten die Wissenschaftler aber auch heraus, dass das vorgeschlagene Konzept – selbst bei flächendeckender Einführung – nicht in der Lage wäre, den heutigen Bedarf an Rohölprodukten vollständig zu decken. Das Reduzieren des Bedarfs an flüssigen Kraftstoffen bleibe eine Notwendigkeit, beispielweise durch neue Mobilitätskonzepte und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Obwohl die Bausteine der vorgeschlagenen Technologie wie die Anlagen zur CO2-Abtrennung und zur Synthese von Energieträgern teilweise schon heute kommerziell erhältlich sind, so die Forscher, bedürfe es noch großer Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie einer Anpassung der rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, um diese Vision in die Praxis umzusetzen.

Literatur

[1] Originalpublikation: Roland Dittmeyer, Michael Klumpp, Paul Kant, Geoffrey Ozin: Crowd oil not crude oil. Nature Communications, 2019. (DOI: 10.1038/s41467-019-09685-x)

" class="chapter-heading">E-Fuels

Synthetisch erzeugtes Methan und Kraftstoffe, aufgrund der Ausgangsbasis Strom und Wasserstoffelektrolyse auch E-Fuels genannt, sind eine aussichtsreiche Option, um den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr regenerativ zu dekarbonisieren. Zudem zeigen zahlreiche Studien, dass regenerativ erzeugtes Methan als Speichermedium erforderlich ist, um eine grüne Strombereitstellung an 365 Tagen sicherzustellen. Von der Mineral- und Gaswirtschaft sowie der Heizungsindustrie werden regenerativ erzeugte synthetische Kraftstoffe und Gase auch als Option für die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung gesehen. Größtes Hemmnis für den Aufbau signifikanter Erzeugungskapazitäten sind die noch hohen Kosten aufgrund der energierechtlichen Rahmenbedingungen.

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