Für den Einsatz von Latentwärmespeichern gibt es in der Gebäudetechnik bereits einige Beispiele. Zur zeitlichen Entkopplung von kostengünstigen Energieangeboten und der Nachfrage nach Kälte sind vielfach Eisspeicher im Einsatz. Sie ermöglichen die Nutzung von Nachtstromtarifen (sowie von günstigeren Rückkühlbedingungen) zur Kälteerzeugung. Noch wichtiger ist es dabei oftmals, tagsüber (elektrische) Energiebedarfsspitzen aufgrund der Kühlung zu reduzieren oder sogar zu verhindern. Das verringert erforderliche Bereitstellungskapazitäten, wodurch ein richtig ausgelegt und gesteuertes System Energie- und Betriebskosten einsparen kann. Ein weiteres Beispiel ist die Speicherung von Solarenergie, die ebenfalls über Materialien mit entsprechend höheren Schmelztemperaturen in kompakten Speichern erfolgen kann.
Zwei grundsätzliche Vorteile haben Systeme, die auf der Änderung des Aggregatzustands basieren: Der Schmelz- oder Erstarrungsvorgang erfolgt bei entsprechender Stoffauswahl und einer günstigen konstruktiven Ausführung in einem sehr engen Temperaturbereich. Das hat zur Folge, dass in diesem Temperaturbereich der Speicher durch den Phasenübergang eine große Energiemenge aufnehmen oder abgeben kann, also eine hohe Wärmekapazität besitzt. Durch entsprechende Wahl der Speichermaterialien – üblich sind in der Praxis Paraffine und Salzhydrate – lässt sich die Phasenwechseltemperatur nach Bedarf zwischen etwa 0 und 80 °C skalieren.
Nachtluft zur Raumkühlung nutzen
Ein neuartiges, dezentrales Lüftungskonzept macht die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht jetzt zur Kühlung von Gebäuden nutzbar. Eingesetzt werden dazu Phasenwechselmaterialien (PCM: Phase Change Materials), die ihren Schmelzpunkt bei etwa 20 bis 22 °C, also bei Raum(luft)temperatur, haben. Die Ladung (Regeneration) der Speicher erfolgt über die kühle Nachtluft, wobei das Material erstarrt. Die freigesetzte Schmelz- bzw. Erstarrungswärme wird über den Luftstrom abgeführt. Tagsüber kühlen die Speicher die Raumluft, was zum Schmelzen des PCM führt. Auf diese Weise ist die Kühlung von Gebäuden ohne mechanische Kälteerzeugung möglich.
Technisch umsetzbar werden solche Kühlkonzepte durch spezielle Speichermodule, bei denen die Einlagerung des PCM in ein Trägermaterial mit sehr hoher Wärmeleitfähigkeit erfolgt. Dadurch sind innerhalb des Elementes nur geringe Temperaturgradienten zum Wärmetransport erforderlich. Das führt im Betrieb zu nahezu konstanten Oberflächentemperaturen beim Schmelz- oder Erstarrungsvorgang. Sehr gute Ergebnisse erzielen in der Praxis poröse Graphitplatten, in die mit einem Vakuumverfahren PCM eingelagert werden. Auf die Platten werden luftdicht Aluminiumfolien aufkaschiert, die ebenfalls nur einen sehr geringen Wärmeleitwiderstand haben.
Zum Einsatz kommen solche Speicherplatten als „Kühlakku“ in den PCM-Modulen von Emco Klima. Der Klimatechnikhersteller hat das Konzept gemeinsam mit dem technischen Gebäudeausrüster Imtech entwickelt und in einem Pilotprojekt erfolgreich erprobt. Weitere Projekte sind bereits in der Umsetzung. Die PCM-Module mit den Kühlakkus sind hybride, dezentrale Lüftungsgeräte für den Einsatz mit einer zentralen Abluftentsorgung. Das ermöglicht ein besonders energiesparendes Konzept: Kühle Nachtluft wird dabei über die Lüftungsgeräte in den Innenraum eingeleitet und sorgt neben der Regeneration der Speicherplatten auch für die Auskühlung des Gebäudes. Dazu muss gewährleistet sein, dass sämtliche Räume gleichmäßig von der Nachtluft durchströmt werden.
Zentrale Abluft für Nachkühlung
Aufgrund der Nachtauskühlung werden an einem heißen Sommertag Innentemperaturen, die eine Kühlung erfordern, erst am späten Vormittag erreicht. Das verlängert die Reichweite der Kühlakkus. Im Kühlfall tagsüber können die PCM-Geräte sowohl im Sekundär- als auch Zuluftbetrieb arbeiten. Die Regelung sorgt dafür, dass ein Gerät den erforderlichen Frischluftanteil fährt, während die anderen die Kühllast im Sekundärluftbetrieb abführen. In der Nacht schaltet der Regler zur Regeneration der Kühlakkus auf Zuluftbetrieb.
Das Konzept hat für Investoren und Betreiber mehrere Vorteile. Zunächst erfordert es keine Luftkanäle zur Versorgung einzelner Räume und spart damit sehr viel Installationsaufwand, was auch eine Nachrüstung im Rahmen einer Sanierung erleichtert. Leitungen sind lediglich für Elektrizität und Heizwasser erforderlich, damit die Zuluft im Winter aufgeheizt werden kann. Weiter sorgt die zentrale Abluft auch bei Tag für einen hohen Lüftungskomfort, weil das Gebäude komplett durchströmt wird. Darüber hinaus erleichtert das Abluftkonzept im Winter die Wärmerückgewinnung mittels Wärmepumpe, wodurch sich weitere Energiesparpotenziale erschließen lassen. Vereinfacht wird auch die Betriebskostenerfassung und -abrechnung.
Einsatzgrenzen für das System sind Anwendungen, bei denen enge Temperaturbereiche auch an Hochsommertagen einzuhalten sind, beispielsweise in EDV-Räumen oder bei temperaturempfindlichen Produktionsprozessen. In nordeuropäischen Ländern, in denen die Sommernächte verhältnismäßig kühl sind, bietet das Kühlungskonzept jedoch für Büroräume einen guten Klimakomfort.
Die PCM-Module können je nach Anforderungen des Architekten und Planers an die Erfordernisse des Projektes angepasst werden. Möglich ist die Aufstellung als Brüstungsgerät oder die Integration in die Fassade. Eine individuelle Gestaltung der Verkleidung kann ebenfalls vorgenommen werden. Ein interessanter Punkt ist das vor allem bei Sanierungsprojekten, wo keine Komplettentkernung vorgesehen ist, sondern alte Bausubstanz so weit wie möglich weitergenutzt werden soll. Zu berücksichtigen ist lediglich die Größe der Akkus, in denen mehrere Speicherplatten mit dem Latentspeichermaterial eingebaut sind. Die Geräteabmessungen betragen (BHT) 100 × 70 × 35 cm und lassen sich somit in übliche Fassadenraster integrieren.
Planungsgrundlagen
Die Schmelztemperatur des PCM muss oberhalb der zu erwartenden Nachttemperatur im Sommer liegen, um die Regeneration zu ermöglichen. Andererseits muss die Schmelztemperatur auch geringer als die gewünschte Raumtemperatur sein, damit eine ausreichend große Temperaturdifferenz zur Wärmeabfuhr gewährleistet ist. Als guter Mittelwert hat sich eine Schmelztemperatur von 20 bis 22°C erwiesen. Daraus lassen sich die Grundlagen für eine überschlägige Dimensionierung ableiten.
Zunächst wird die erforderliche Luftmenge zur Kühlung eines Büroraumes abgeschätzt. Für die Kühllast wird ein vergleichsweise hoher Wert von 50 W/m2 angenommen. Geht man von einer Fassadenrasterung von 1,2 m und Raumtiefen von 5 m aus, muss ein PCM-Modul 6 m2 Grundfläche versorgen und eine Wärmeleistung von 0,3 kW abführen. Hierfür steht die Temperaturdifferenz zwischen der Raumtemperatur (angenommen 26 °C) und der Oberflächentemperatur des Latentwärmespeichers (22 °C) zur Verfügung. Mit
und Rechenwerten von ρL = 1,2 kg/m3, cpL = 1 kJ/(kg K) und der nutzbaren Temperaturdifferenz ΔT = 4 K und der Wärmeleistung von 0,3 kW ergibt sich ein Volumenstrom von 225 m3/h. Die dezentralen RLT-Geräte sind von der Luftführung her wie Quellluftdurchlässe ausgeführt, was bei dieser Wechselrate ein zugfreies Raumklima gewährleistet. Auch der Schalldruckpegel bleibt, wie die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt belegen, innerhalb des Bereichs für behagliche Empfindungen. Für eine kurzfristige Erhöhung der Kühlleistung bietet das System ebenfalls Reserven.
Erforderliches Speichermaterial
Der nächste Schritt für eine überschlägige Auslegung ist die Abschätzung der für die Raumkühlung erforderlichen PCM-Menge. Durch das Konzept der Nachtauskühlung über die zentrale Abluftentsorgung ist die Bereitstellung von Kühlkapazität nicht über den gesamten Tag erforderlich. Für die Berechnung der Speichermassen werden deshalb fünf Stunden Kühlbetrieb zugrunde gelegt. Mit der Last von 50 W/m2 und der Fläche für eine Büroparzelle von 6 m2 ergibt sich dafür eine Wärmemenge von 1,5 kWh. Zwischen der Wärmemenge und der Masse und der Schmelzenthalpie des PCM besteht folgende Beziehung:
Q = mPCM ⋅ ΔhPCM
Für das Material, das bei dem Pilotprojekt zum Einsatz kam, beträgt die Schmelzenthalpie etwa 135 kJ/kg. Damit ergibt sich für ein Bürosegment die erforderliche Masse des Speichermateriales mit mPCM = 40 kg oder bezogen auf die Bürofläche mPCM = 6,7 kg/m2. Ist eine verlängerte Kühldauer erforderlich, steigt die erforderliche Menge des PCM-Materials proportional an. Die Ausführungen sollen zeigen, dass die PCM-Module unter üblichen Bürobedingungen gut einsetzbar sind. Sie sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es viele Details zu berücksichtigen gibt, um die hohen Einsparpotenziale zu erschließen. Wichtig sind deshalb die Beratung und der Planungsunterstützung durch das Innen- und Außendienstteam des Herstellers, das auf Basis der gesammelten Erfahrungen auf die individuellen Gegebenheiten des Projektes eingehen und eine optimale Lösung vorschlagen kann.
Unter ökologischen Gesichtspunkten bietet der Einsatz des hier beschrieben PCM-Systems große Vorteile. Im Vergleich zur Kühlung über elektrisch betriebene, mechanische Kältemaschinen lässt sich pro kWh gespeicherte Energie eine CO2-Menge von 0,2 bis 0,4 kg je nach Qualität des Kälteprozesses einsparen. In einer Laufzeit von zehn Jahren summiere sich die Einsparung bei einer Bürofläche von 100 m2 auf über 20 t CO2.
Fazit
Die PCM-Module ermöglichen in Verbindung mit einem zentralen Entlüftungskonzept die Gebäudekühlung ohne mechanische Kälteerzeugung. Genutzt werden hierfür die natürlichen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Da die dezentralen Lüftungsgeräte keine Versorgung über Luftkanäle benötigen, ist das Verfahren auch sehr gut für die Nachrüstung bei der Gebäudesanierung geeignet. Eine überschlägige Abschätzung von Auslegungsparametern zeigt, dass die Kühlung mit einem überschaubaren Einsatz von Speichermaterial zu bewältigen ist. Erfahrungen aus Pilotprojekten bestätigen dies in der Praxis.
Bernd Boiting
Prof. Dr.-Ing., lehrt an der Fachhochschule Münster im Fachbereich Energie Gebäude Umwelt auf dem Gebiet Raumluft- und Kältetechnik. Telefon (0 25 51) 9 62-2 40, E-Mail: bboiting@fh-muenster.de, https://www.fh-muenster.de/