Dass Energiefragen immer mehr zum Wahlkampfthema werden, zeichnet sich schon seit einiger Zeit ab. Man denke nur an die vorletzte Landtagswahl in Hessen. Um im Wahlkampf am Tauziehen teilnehmen zu können, muss ein Thema viele Menschen betreffen, unterschiedlich zu lösen sein, im Idealfall polarisieren und Zukunftsängste schüren. Sonst kommt es schlichtweg nicht auf die Agenda bzw. nicht in Parteiprogramme.
Versorgungssicherheit, Importabhängigkeit, Energiearmut, Klimawandel, Gaskrieg – solche Stichworte listeten vermutlich alle Parteien schon vor Monaten. Für unterschiedliche Antworten. Bei den einen, um für ihre Programme mit mehr erneuerbaren Energien und einen Ausstieg aus Kohle- und Kernenergie zu werben, bei den anderen, um mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg auf Stimmenfang zu gehen. Allen Umfragen zum Trotz.
Im Bundestagswahlkampf werden Energiethemen ein großes Gewicht einnehmen. Es wird weiter gestritten werden, vornehmlich über die Elektrizitätserzeugung. Das ist wichtig und richtig. Die meisten Probleme unserer Kunden löst das aber nicht. Die können nur wir lösen.
Doch wer hätte im Vorfeld gedacht, dass gerade ein auf den Erhalt seiner Einnahmequelle bedachter Energiekonzern dem Wahlkampf mit einem dilettantischen Reparaturversuch des Kernkraftwerks Krümmel eine Wende gibt? So ist sind nicht nur die Befürworter einer Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke still geworden. Es ist sogar laut für eine endgültige Abschaltung des „Skandalreaktors“ geworden, weil einige Ministerpräsidenten entdeckt haben, dass sich ihre Bundesländer und damit ihre Wähler in unmittelbarer Nachbarschaft befinden.
Schon vorher haben sie für die Blockade eines Gesetzes gesorgt, das – vorerst nur testweise – die Verpressung von abgeschiedenem CO2 aus Kohlekraftwerken unter den Grundbesitz ihres Wahlvolks vorsah. Dass Elektrizität aus Kernkraftwerken keinen Preisvorteil für die Endverwender bringt, haben die Energiekonzerne schon längst eingeräumt. Neue Gewissheit brachte dieser Tage eine empirische Auswertung der Deutschen Umwelthilfe: Danach müssen deutsche Haushalte im statistischen Mittel umso mehr für ihre Elektrizität bezahlen, je größer der Kernenergieanteil im Strommix ihres Versorgers ist. Wie dem auch sei: Deutschland hat jedenfalls keine konsistente Energiepolitik.
Nun tritt TGA Fachplaner nicht an, um für den einen oder anderen Weg Partei zu ergreifen oder das Für und Wider der Konzepte zu diskutieren. Wichtiger erscheint mir, dafür zu sensibilisieren, welchen Einfluss wir neben der Stimmabgabe jeden Tag nehmen können. Dr.-Ing. Jürgen Sterlepper zeigt beispielsweise im TGA-Interview (Seite 17), welchen Einfluss die Gebäudetechnik auf die Begrenzung des Klimawandels hat. Ein Beispiel daraus: In Gebäuden lassen sich mit wirtschaftlichen Maßnahmen mehr CO2-Emissionen vermeiden, als im gesamten Transportsektor heute überhaupt entstehen.
Die Öffentlichkeit diskutiert aber viel mehr über Elektroautos als über die energetische Modernisierung des Gebäudebestands. Und: Wir benötigen dazu nicht viele Jahre Forschung und Entwicklung. Wir können ins Regal greifen und verfügbare Technik für nahezu jeden Kundenanspruch mit Know-how zu hocheffizienten und sich selbst refinanzierenden Anlagen konfigurieren. Um sie mit minimalem Energieeinsatz betreiben zu können, ist einiges an Fleißarbeit erforderlich – aber wir können das.
Natürlich haben wir den Anspruch, unseren Kunden stets das beste Konzept anzutragen, die beste Technik zu empfehlen. In aller Regel ist dies vorhandene Technik. Auch wenn nicht alles was wir gerne verwenden würden verfügbar ist oder noch nicht in der richtigen Größe angeboten wird – warten lohnt sich nicht. Denn bei der Technischen Gebäudeausrüstung laufen die Energiezähler ungebremst weiter. Einmal verschenkte Einsparpotenziale könnten in der Zukunft nur mit sehr unwahrscheinlichen Effizienzgewinnen ausgeglichen werden (siehe auch in TGA 11-2007: „Warten kostet“).
Wahlkampf bedeutet werben, für Aufmerksamkeit sorgen, Menschen glaubhaft zu machen, dass man ihre Probleme ernsthaft und dauerhaft lösen will. Insofern steht unsere Branche, stehen Sie, praktisch im Dauerwahlkampf, auch um Energiefragen. Wir müssen uns bei der Budgetverwendung unserer Kunden im Kleinen gegen Großbildfernseher, eine neue Küche oder ein neues Auto durchsetzen, im Großen gegen fehlende Investitionsmittel und das Kosten-Nutzen-Dilemma behaupten. Aber, wir können das. Sie können das!
Ihr
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner
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