Heizölliterpreise von 1 Euro pro Liter sind seit einigen Tagen Realität. Eigenheimer, die weiter steigende Preise erwarten und nach Pfingsten 3000 l für die nächste Heizsaison gebunkert haben, zahlten im Bundesdurchschnitt nach Berechnungen des Heizölportals https://brennstoffhandel.de/ 0,93 Euro/l. Wer auf sinkende Ölpreise hofft, aber nachfüllen musste, zahlte bei einer Liefermenge von 1000 l im Bundesdurchschnitt 0,98 Euro/l. Preise, die man vor einiger Zeit nur von der Tankstelle kannte. 2001 kletterte Normalbenzin im Jahresdurchschnitt über die 1-Euro-Marke, ein Jahr vorher hatte dies Superbenzin geschafft, Diesel folgte 2004.
Man sollte vermuten, dass viele Verbraucher nun reflexartig nach Ausweichmöglichkeiten suchen. Tun sie auch, nur das nahe liegende – eine energetische Modernisierung von Haus und Heizung – tun sie nicht. Zumindest nicht in dem Umfang, in dem es sich Bauwirtschaft und Politik wünschen. Das hat einerseits etwas damit zu tun, dass viele Endgebraucher schlichtweg die Zusammenhänge nicht kennen. Andererseits erscheint vielen eine energetische Ertüchtigung ihres Eigentums längst nicht so attraktiv wie es Planer, Handwerker und Energieberater zu Papier bringen.
Die Preise für Haushaltsenergie steigen immer schneller. Der Literpreis für Heizöl kratzt bereits an der 1-Euro-Marke. Für langfristig volle Auftragsbücher sollte man aber nicht nur auf diese Entwicklung setzen.
Wie es um die Gebäudehüllen in Deutschland bestellt ist, kann man mit ein wenig Fachkenntnis auf einem Spaziergang oder einer Ortsdurchfahrt feststellen. Allerdings auch, dass es für Gebäude kein Patentrezept gibt und eine individuelle Vorgehensweise und viel Know-how erforderlich ist. Für Heizungsanlagen gibt es durch das Mustern der Abgasmündung auch Indikatoren, einfacher ist es aber, in die Statistik des Schornsteinfegerhandwerks zu schauen. Ende 2007 waren nach der aktuellen Erhebung von 14,2 Mio. erfassten Wärmeerzeugern 1,26 Mio. allein aufgrund ihres Alters (älter als 24 Jahre) dringend modernisierungsbedürftig. Mehr als die Hälfte davon wurde sogar schon vor mehr als 28 Jahren in Betrieb genommen. Die meisten der Oldies stehen in Ein- und Zweifamilienhäusern.
Ein Grund für die allgemeine Sanierungszurückhaltung, der bei der Ursachenforschung der Branche nach dem Einbruch der Absatzzahlen im Wärmeerzeugermarkt im letzten Jahr nicht aufgedeckt worden ist, hat zwischenzeitlich das Institut der deutschen Wirtschaft Köln nachgeliefert: Fast 50 % aller Eigentümer von Wohngebäuden, wo sich Klimaschutzmaßnahmen lohnen (Errichtung vor 1990), sind über 60 Jahre alt, 34 % sogar über 65 Jahre. Kurz vor der Rente oder schon auf Ruhegeld reduziert noch einmal viel Geld „ohne zwingenden Grund“ (Defekt, Gesetzgeber) zu investieren, dürfte nicht jedermanns Priorität sein. Vor allem wenn das Ersparte oder Geliehene erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten durch eingesparte Energiekosten zurückfließt.
Die altersbedingt niedrige Investitionsbereitschaft verdeutlicht, dass die Situation für jedes einzelne Gebäude nicht nur technisch sehr individuell ist. Daraus folgt, dass eine Energieberatung „von der Stange“ nicht möglich bzw. wenig erfolgversprechend ist. Berater benötigen nicht nur ein Gespür, wo die Schwachstellen bei einem Gebäude und seiner Gebäudetechnik liegen, sondern müssen für die richtigen Maßnahmenvorschläge auch die gesamte Situation der Nutzer bzw. der Nutzung einbeziehen können. Normierte Verfahren mit festgelegten Randbedingungen und Erfüllungszwang erschweren diese Aufgabe ungemein. Im privatrechtlichen Gebrauch muss man sich davon befreien. Eine weitere Hürde sind Förderprogramme, die mit Tunnelblick auf bestimmte Technik und Standards fokussieren und dadurch die Zielgruppe minimieren.
Das aktuelle Energiepreishoch wird sicherlich einen gewissen Modernisierungsschub auslösen. Vielfach werden es aber nicht vorgezogene Erneuerungen, sondern das Nachholen aufgeschobener Maßnahmen sein. Für Handwerker und Planer spielt es heute keine Rolle, warum morgen ein Auftrag erteilt wird. Übermorgen aber schon, weil das nächste Wellental nach aller Erfahrung bereits lauert. In seinen eigenen Auftragsbüchern kann man es abmindern, wenn man auch bei der Beratungsqualität eine neue Dimension bietet. Denn Mund-zu-Mund-Propaganda wirkt auch ohne hohe Energiepreise, die ohnehin nur zu einem gewissen Anteil Auslöser einer energetischen Modernisierung sind.
Ihr
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplanervorlaender@tga-fachplaner.de