Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
EU-Parlament:

2019 nur noch Nullenergiehäuser

Das Europäische Parlament hat Ende April die im November 2008 von der EU-Kommission vorgeschlagene Neufassung der Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EU-Gebäuderichtlinie) mit Änderungen verabschiedet. Danach müssen die EU-Mitgliedsstaaten bis zum 31. Dezember 2018 sicherstellen, dass alle neu gebauten Gebäude so viel Energie erzeugen wie sie selbst verbrauchen. Schon jetzt sollen die Mitgliedsstaaten nationale Pläne entwickeln, um die Zahl der „Netto-Nullenergiegebäude“ zu erhöhen. Zudem sollen die Regierungen festlegen, wie hoch ihr Anteil bei bestehenden Gebäuden für die Jahre 2015 bis 2020 sein soll. Hierbei sollen vor allem öffentliche Einrichtungen eine Vorreiterrolle einnehmen.

Das EU-Parlament macht Druck: Ab 2019 sollen Neubauten mehr Energie produzieren, als sie selbst verbrauchen. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in allen Mitgliedstaaten. Ein Prototyp steht gerade in Berlin. Die Immobilienwirtschaft ist allerdings skeptisch.

Allerdings wird die EU-Kommission erst bis Ende 2010 eine detaillierte europäische Definition von Gebäuden vorlegen, deren CO2-Emission und Primärenergieverbrauch gering oder gleich Null ist. Laut der verabschiedeten Richtlinie ist ein Netto-Nullenergiegebäude ein Gebäude, „in dem der jährliche Primärenergieverbrauch aufgrund der sehr hohen Energieeffizienz des Gebäudes nicht die Energieerzeugung vor Ort aus erneuerbaren Energien übersteigt“.

Dass solche Gebäude schon heute machbar sind, kann man derzeit in Berlin sehen. Dort ­gastiert seit wenigen Tagen das Plus-Energie-Haus der BMVBS-Forschungsinitiative „Zukunft Bau“, das 2007 in Washington D.C. viel beachtet den ­Solar Decathlon Wettbewerb gewonnen hat. Noch bis zum 30. September wirbt es in der Nähe des Hauptbahnhofs für eine neue Ära des energie­sparenden Bauens und zeigt weitere zukunfts­orientierte Lösungen: Moderne Bautechniken, Mini-Blockheizkraftwerke, Brennstoffzellen, Wärmepumpentechnologien, Photovoltaik in der Fassade und intelligente Stromzähler werden hier ­unmittelbar erfahrbar.

Das Plus-Energie-Haus beruht auf einer Idee von Studenten der TU Darmstadt unter der Leitung von Prof. Manfred Hegger. Die Gebäudehülle ist mit zweilagigen Vakuumdämmpaneelen gedämmt, die Fenster reduzieren den Energieverlust durch drei- und vierfache Verglasungen. Phasenwechselmaterialien im Haus sorgen für ein ausgeglichenes Raumklima, speichern intern gewonnene Wärme und geben sie zeitversetzt wieder ab. Die beheizte Fläche von 89 m2 wird über eine Luft/Wasser-Wärmepumpe (Kombi-Kompaktlüftungsgerät) geheizt bzw. gekühlt. Die Trinkwassererwärmung wird von einer Solarthermieanlage (3 m2) unterstützt, die Lüftung erfolgt über natürliche Querlüftung und mechanische Lüftung. Die Stromversorgung erfolgt über Photovoltaik-Module auf dem Dach. Der nicht vom Gebäude genutzte Strom wird ins Netz eingespeist.

Hört sich doch ganz plausibel an – oder? Nicht so für die Immobilienwirtschaft. Die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) hat den Vorstoß des EU-Parlaments zur Einführung eines Null-Energie-Haus-Standards scharf kritisiert: „Bezahlbare Null-Energie-Gebäude bereits ab dem Jahr 2019 sind illusorisch.“ Der BSI wettert, dass eine solche Vorschrift wie ein Neubauverhinderungsprogramm wirke, weil die erforderliche technische Aufrüstung zu vertretbaren Kosten und Mietbelastungen bis 2019 nicht möglich sei. Man darf sich also schon auf hitzige Debatten in der nächsten Zeit einstellen. Illusorisch ist allerdings eher, dass die Immobilienwirtschaft den Null-Energie-Gebäude-Standard aufhalten kann. Schon lange vor der EU-Frist soll Strom aus Photovoltaikanlagen günstiger als Haushaltsstrom produziert werden können. Die frühe Auseinandersetzung mit dem Plus-Energie-Haus sollte deswegen schon im Eigeninteresse aller Baubeteiligten liegen. Denn der nächste und teilweise parallele Schritt wird sein, den Plus-Energie-Gebäude-Standard auch auf den Bestand zu übertragen. Auch wenn die Immobilienwirtschaft das noch nicht wahrhaben will.

Ihr

Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner

Sie sind anderer Meinung?
Ich freue mich darauf:
vorlaender@tga-fachplaner.de