Dass das Bundeskartellamt mit einer derartigen Resonanz nicht gerechnet hat, ist kaum vorstellbar. Denn Öffentlichkeit lautete ja das Ziel. Die Technik hielt dem Ansturm der aufgebrachten Bürger jedenfalls nicht stand. Wenige Stunden nachdem die Medien den Gaspreisvergleich verbreitet hatten, war die Internetseite der Bonner Behörde nicht mehr zu erreichen und damit auch die Schlagzeile für den nächsten Tag schon produziert. Am 3. Januar hatte das Bundeskartellamt die Gastkosten für mehrere Verbrauchsszenerien von 739 Anbietern auf seiner Internetseite platziert. Die Preisunterschiede lagen im hohen zweistelligen Prozentbereich.
„Für niedrige Energiepreise kann eine Regierung nicht sorgen. Wohl aber dafür, dass die finanziellen Belastungen der Bürger durch Energie künftig in etwa gleich bleiben.“
Da fühlt sich ein Endverbraucher schnell betrogen. Im Einfamilienhausbeispiel mit 20 000 kWh schwankten die Preise beispielsweise auf Preisstand 15. November 2006 netto zwischen 972,00 und 1356,28 Euro/a (aktualisierte Liste vom 12. Januar). Klar, die Differenz von 384,28 Euro hätte sicherlich jeder gerne auf dem Konto - oder? Aber wie soll das Geld jetzt dorthin kommen? Mit der Veröffentlichung soll mehr Transparenz geschaffen und der Wettbewerb unter den Versorgern angespornt werden , erklärte Kartellamtschef Ulf Böge. Die Veröffentlichung der Gaspreise war von den Wirtschaftsministern von Bund und Ländern im Juni 2006 beschlossen worden.
Dem Bürger billige Energie zu versprechen, schafft Aufmerksamkeit. Schneller kann man sich kaum profilieren, zumindest für den Augenblick. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Untersuchung, die die EU-Kommission am 8. Januar präsentiert hat. Nach ihr sind 45 % der EU-Bürger der Meinung, dass die Energiepolitik ihrer Regierung in erster Linie für niedrigere Energiepreise sorgen sollte. Das Vertrauen in die Politiker scheint allerdings nur minimal ausgeprägt zu sein: Mehr als drei Viertel rechnen in den nächsten drei Jahren mit einer Verdopplung der Energiepreise.
Realistisch betrachtet, kann die Politik günstige Energiepreise nur in (sehr) begrenztem Maße beeinflussen. Der Staat hat eine wichtigere Aufgabe: Er muss Rahmenbedingungen schaffen, damit das (mathematische) Produkt aus aufgewendeter Energie und dem Energiepreis niedrig bleibt. Sprich: Der spezifische Energieverbrauch muss gesenkt werden. Und zwar konstruktiv und nicht durch Einschränkungen beim Komfort. Für eine gewisse Zeit kann zwar auch mehr Wettbewerb Energie günstiger machen, bei begrenzter Verfügbarkeit geht das aber nicht auf Dauer.
Selbstverständlich werfen die Differenzen in der Tarifübersicht Fragen auf. Viele hätten aber zuvor beantwortet oder zumindest bewertet werden können und müssen. Die Mobilisierung der Öffentlichkeit mit dem Gaspreisvergleich, um Druck auf die Energieversorger auszuüben, stellt den Wettbewerbsverantwortlichen ein Armutszeugnis aus. Sollen jetzt die Bürger empört auf die Straße gehen, weil in den Amtsstuben keine Lösung gefunden wird? Da es um ihr Geld geht, erscheint das zunächst plausibel. Aber die Gefahr ist groß, dass durch die Aktion die falsche Botschaft haften bleibt: Ich muss nur ein wenig warten, dann gibt es Wettbewerb, dann wird Gas wieder billig(er). Und schon ist die Investition in energiesparende Technik aufgeschoben. Der bisher milde Winter und momentan allgemein sinkende Erdgaspreise verstärken diese Fehleinschätzung noch.
Billige Energie wird es langfristig nicht mehr geben. Deshalb muss die Politik schon heute handeln und dazu animieren, den Energieverbrauch durch bessere Technik dauerhaft zu senken. Die künstliche Verteuerung von Energie wegen der hohen Preise zurückzuführen, beispielsweise durch Steuersenkungen, ist eine süße Versuchung. Man würde sie in der Zukunft sehr teuer bezahlen. Intelligenter ist es, Energie mit System zu verteuern, um Anreize zu schaffen. Wie das funktioniert, zeigen gerade die Bundesregierung und die Mineralölwirtschaft (Anschub für Ölbrennwerttechnik) beim Heizöl EL schwefelarm. Zwar ist der Preis pro Liter höher, ebenfalls aber die Nutzwärmeausbeute. Wer nur auf den (Liter-)Preis schaut, ist dann selbst schuld. Beklagen sollten wir das aber nicht, sondern es durch die Beratung unserer Kunden mit zukunftssicheren Konzepten für beide Seiten kapitalisieren.
Ihr
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner