Nachdem der breite Markteintritt der Strom erzeugenden Heizung für Deutschland auf 2011 verschoben wurde, ist die Heizungsindustrie eiskalt rechts überholt worden. Zumindest bei den Ankündigungen. Die „Energiepartnerschaft“ von Deutschlands größtem Ökostromanbieter LichtBlick und des Autobauers Volkswagen will bis 2020 etwa 100000 Erdgas-Heizkessel durch Blockheizkraftwerke ersetzen und als virtuelles Kraftwerk so betreiben, dass vornehmlich lukrativer Spitzenlaststrom erzeugt wird (siehe Seite 20). 2010 sind noch bescheidene 300 Inbetriebnahmen vorgesehen, 2011 schon einige tausend, ab 2012 will Volkswagen seine im Aufbau befindliche Serienfertigung mit mindestens 10000 Einheiten fahren. Bei größerer Nachfrage könnte sie auch deutlich mehr leisten.
Für die Klimaanlage in Gebäuden hat unsere Branche gerne auf das Automobil als Wegbereiter verwiesen. Dass jedes Kfz auch ein BHKW (mit Notkühler) beherbergt, hat man aufgrund anderer Auslegungsphilosophien kaum beachtet. Ein von Volkswagen entwickeltes BHKW zeigt jetzt neue Einsatzmöglichkeiten auf.
Vor dem Lohn kommt allerdings die Arbeit. Sie wird für den Exklusiv-Abnehmer des Volkswagen-BHKWs LichtBlick weniger bei der Kundenakquisition oder auf der gerätetechnischen Seite liegen, sondern vielmehr eine installationstechnische Herausforderung sein. 10000 Einheiten bundesweit zu installieren, bedeutet bei kontinuierlicher Auslastung etwa 100 hochspezialisierte Montageteams bei SHK-Unternehmen zu etablieren und eine entsprechende Auftragsvor- und -nachbereitung vorzuhalten. So munkelt man sogar, dass große Heiztechnikanbieter ihre Partner einschwören wollen „auf Kurs zu bleiben“.
Dass solche Störmanöver LichtBlick aufhalten werden, ist nicht zu erwarten. Wenngleich die Verhältnisse hier etwas anders sind, lohnt sich dennoch ein Seitenblick auf den Wärmepumpenmarkt. Hier kann man schon heute sehen, wie schnell ein technologischer Seitenwind eine Branche für immer verändert. 2008 startete Daikin mit seiner „Volkswärmepumpe“ Altherma den Markteintritt. Die entscheidende Neuerung: Das Luft/Wasser-Wärmepumpenkonzept basiert auf einer Außeneinheit, die in Großserie günstig produziert wird und einem Hydraulikmodul, das ebenfalls schon im Werk betriebsfertig konfektioniert werden kann. Mit dem Vorstoß war Daikin nicht lange allein. Mit der größten Marktrelevanz folgte Mitsubishi Electric mit einem ähnlichen Konzept, aber einer anderen Marktbearbeitung: Neben dem Eigenvertrieb findet sich die Luft/Wasser-Wärmepumpe bzw. die Außeneinheit auch bei mehreren etablierten Wärmepumpenanbietern im Produktsortiment, denn nicht nur der Preis, sondern auch die Leistungsdaten sind überzeugend.
Dass ein BHKW ohne internen und externen Spitzenlastkessel den Wärmebedarf eines Wohngebäudes zu 100 % aus der Abwärme der Stromproduktion deckt, galt Anfang September 2009 als krasser und gerichtlich bestätigter Planungsfehler. Jetzt hat LichtBlick eine Alternative aufgezeigt, mit der Einsatzgrenze eines Erdgasverbrauchs von 45000 kWh/a (bei Beheizung über einen Heizkessel), aber Spielraum für verkleinerte Ausführungen und den Einsatz im Ein- und Zweifamilienhaus gelassen. Benchmarks werden sein: Markteintritt mit Massenproduktion ohne aufwendige Komponentenentwicklung, Partnerschaften mit Energieanbietern und eine Auslegung auf eine wesentlich geringere Laufzeit als 5000 h/a und eine geringere Standzeit als 80000 Betriebsstunden, die heute vielfach als Ziel gelten.
Auf der gerätetechnischen Seite sind die Verdächtigen schnell ausgemacht. Nicht nur Volkswagen kann exzellente Motoren bauen. Schon seit einiger Zeit im Markt verfügbar sind Gerätekonzepte, die dem Volkswagen-BHKW mindestens ebenbürtig sind. Mit der „alten BHKW-Denkweise“ und ohne Partnerschaft kann man die Verkaufszahlen allerdings fast noch an zwei Händen abzählen. Weiterer Schwung ist durch das Aufkommen von Hybridfahrzeugen zu erwarten. Je nach Konzept haben sie bereits ein BHKW mit den gesuchten Leistungsdaten unter der Haube und nähern sich auch der gesuchten Leistung an.
Es ist abzusehen, dass sich der Wärmeerzeugermarkt erheblich stärker verändern wird, als es die von LichtBlick angekündigten Modulzahlen andeuten. Bei Volkswagen ging der Impuls für die BHKW-Entwicklung von einer drohenden Standortschließung aus. Sie löste die Überlegung aus, was man mit den hochentwickelten Komponenten, die man immer schwieriger in den Kernmärkten verkauft, noch anfangen kann. Erkennen Sie Parallelen?
Ihr
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner
Sie sind anderer Meinung?
Ich freue mich darauf:
vorlaender@tga-fachplaner.de