Eine weltweite Energiewende hin zu 100 % erneuerbarer Stromversorgung ist keine reine Zukunftsvision, sondern greifbare Realität. Das zeigt eine Studie der Lappeenranta University of Technology und der Energy Watch Group, die im November 2017 während des Global Renewable Energy Solution Showcase Events im Rahmen der Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP23 in Bonn präsentiert wurde.
Die Studie „Globales Energiesystem basierend auf 100 % Erneuerbarer Energie – Stromsektor“ (Download auf www.energywatchgroup.org) liefert aufschlussreiche Ergebnisse: Ein weltweites Elektrizitätssystem, das komplett auf erneuerbaren Energien basiert, schafft Versorgungssicherheit zu jeder Stunde und ist auch kosteneffizienter als das aktuelle Stromsystem, das hauptsächlich auf fossilen Brennstoffen und Kernkraft basiert.
Die mittleren Stromkosten für 100 % erneuer-bare Energie im globalen Durchschnitt belaufen sich im Jahr 2050 auf 52 Euro/MWh, inklusive Kosten für Abregelungen und Speicherung sowie Netzkosten. Im Vergleich dazu beliefen sich die mittleren globalen Stromkosten im Jahr 2015 auf rund 70 Euro/MWh.
Eine Wende hin zu 100 % erneuerbaren Energien würde die Treibhausgasemissionen im Stromsektor von ungefähr 11 Mrd. t CO2eq im Jahr 2015 auf null reduzieren. Zudem würde es 36 Mio. Arbeitsplätze geben, 17 Mio. mehr, als heute im Stromsektor beschäftigt sind.
Durch stark fallende Kosten werden Photovoltaik und Batteriespeicherung die wichtigsten Pfeiler des erneuerbaren Energiesystems sein. Im globalen Strommix 2050 werden Photovoltaik 69 %, Windenergie 18 %, Wasserkraft 8 % und Bioenergie 2 % des Bedarfs decken. In dem Szenario der Studie wird bis 2030 Windenergie 32 % des Strombedarfs weltweit decken. Danach wird Photovoltaik wettbewerbsfähiger, und ihr prozentualer Anteil im globalen Stromsektor steigt von 37 % im Jahr 2030 auf 69 % im Jahr 2050; Batterien sind dafür die Schlüsseltechnologie. 31 % des globalen Strombedarfs im Jahr 2050 wird von Speichern abgedeckt, wovon 95 % durch Batteriespeicher bereitgestellt wird. Batteriespeicher werden vor allem die täglichen Schwankungen ausgleichen, während aus erneuerbaren Energien erzeugtes Gas die saisonale Speicherung übernimmt.
Die Kernaussage der Studie mag nicht neu oder gar überraschend klingen. Neu ist, dass die Studie ein oft von Kritikern der Energiewende zitiertes Argument, dass erneuerbare Energien nicht in der Lage wären, Strom ganzjährig zu jeder Tageszeit zu liefern, widerlegt. Die verwendete Modellierung ist bislang einzigartig und berechnet den kostenoptimierten Mix von Technologien auf Grundlage von lokal verfügbaren erneuerbaren Energieressourcen, wobei die Welt in 145 Regionen eingeteilt ist.
Es bleibt aber mindestens eine Frage: Warum hat Berlin nicht so ein Modell für Deutschland? Eine Simulation, mit der man treffsicher zeigen kann, dass es nicht gleich dunkel wird, wenn man die Stromproduktion aus Kohle drosselt? Eine Applikation, mit der man Vorschläge überprüfen und die Reflexe von Lobbyisten parieren kann? Ein Tool, das hilft, den Einstieg in die Produktion von Gas aus erneuerbaren Energien richtig zu timen? Ein Instrument, das Tauziehen und Kuhhandel in Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen überflüssig macht?
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de