Kaum jemand hat vor zwei Jahren vorhergesehen, dass Gaskraftwerke durch die Energiewende so schnell massiv unter Druck geraten werden. E.on-Chef Johannes Teyssen sprach auf einer Energietagung des Handelsblatts am 23. Januar 2013 sogar von einer „dramatischen Lage“ – wegen der Zunahme erneuerbarer Energien. Er warnte die Politik, dass durch die finanziellen Probleme bei immer mehr Gaskraftwerken Risiken für die Versorgungssicherheit entstehen. Viele Betreiber würden ihre Anlagen am liebsten einmotten, um die Verluste zu begrenzen.
Eigentlich wird seit Jahren gepredigt, dass aufgrund des Zubaus von Photovoltaik- und Windkraft-Anlagen mehr schnellregelbare (Gas)Kraftwerke benötigt werden. Doch unter den aktuellen Bedingungen werden sie zunehmend aus dem Markt gedrängt. Der Spitzenlaststrom wird zunehmend von Sonne und Wind gedeckt und für die Grundlast sind sie zu teuer – auch weil der Preisverfall bei den CO2-Emissionsberechtigungen Strom aus Kohlekraftwerken günstiger macht. Weil E.on viele Gaskraftwerke und sein Wettbewerber RWE viele Kohlekraftwerke betreibt, hat Teyssen sogar laut über einen Mindestpreis für CO2-Emissionsberechtigungen oder eine CO2-Besteuerung nachgedacht.
Technisch gesehen hat (Erd)Gas große Vorteile. Bezogen auf seinen Heizwert entstehen bei der Verbrennung im Wettbewerb der fossilen Energieträger relativ geringe CO2-Mengen und es ist mit regenerativ und synthetisch erzeugtem Methan kompatibel. Die Infrastruktur ist gut ausgebaut und verfügt über große Speicherkapazitäten. Die Umwandlung von Erd(Gas) in elektrische Energie ist mit hohem Wirkungsgrad möglich und überschüssige elektrische Energie kann durch Wasserstoffelektrolyse, gegebenenfalls mit zusätzlicher Methanisierung, in ein speicher- und einspeisefähiges Gas verwandelt werden. Allerdings: Erdgas fehlt weitgehend die energiepolitische Rückendeckung.
„Der Fall“ lässt vermuten, dass die Energiewende noch weitere Überraschungen bringen wird. Auf steigende Strompreise reagiert nicht nur die Wirtschaft empfindlich, auch vielen Verbrauchern ist die schwer zu kalkulierende Abhängigkeit ein Dorn im Auge. Es wird zwar noch ein wenig dauern, bis sich die akkumulierte Wirkung des gerade beginnenden Zubaus mit Photovoltaik-Anlagen gekoppelter Stromspeicher bemerkbar macht. Dann werden aber zunehmend auch Grundlastkraftwerke aus dem Markt gedrängt. Und es wird sich die Frage stellen, wie viel zusätzliche Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) der Markt eigentlich trägt.
Die TGA-Branche muss sich darauf einstellen, dass künftig die beliebige Netzeinspeisung dezentraler KWK-Anlagen immer weniger gefördert oder sogar beschränkt wird. Das bedeutet, heutige KWK-Konzepte grundlegend zu überdenken. Dass Gaskraftwerke mit Weltrekordwirkungsgrad schon kurze Zeit nach der Inbetriebnahme durch geänderte Rahmenbedingungen zum finanziellen Sorgenkind werden, sollte uns eine Warnung sein.
Übrigens: TGA Fachplaner wird klimaneutral gedruckt und auch der Betrieb der Internetseite von TGA Fachplaner erfolgt klimaneutral. Mehr dazu erfahren Sie, wenn Sie auf https://www.tga-fachplaner.de/ das ClimatePartner-Logo anklicken. •
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · https://www.tga-fachplaner.de/
Ihr Link zu allen TGA-Leitartikeln: Webcode 1025
Ihre Meinung ist uns wichtig: vorlaender@tga-fachplaner.de