Rund ein Jahrzehnt war die EnEV-Fortschreibung zwar eine spannungsgeladene, technische aber eine eher langweilige Sache. Es wurden hier und da die Anforderungen hochgesetzt, eigentlich selbstverständliche Nachrüstpflichten eingeführt und der zuvor schon auf euro-päischer Ebene entschärften EU-Gebäuderichtlinie mit einer 1 : 1-Umsetzung gefolgt – oft mit Verzug und ohne den Ehrgeiz, aus dem vorgegebenen Rahmen wirkungsvolle Instrumente zu entwickeln. So ist beispielsweise der Energieausweis bis heute kaum mehr als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Gefriemelt wurde vor allem an der Gebäudehülle – um mit der Bau-praxis gleichzuziehen.
Der statische EnEV-Ansatz impliziert, dass sich im Lebenszyklus eines Gebäudes an den Rahmenbedingungen nicht viel ändert. So wird unterstellt, dass die Primärenergiefaktoren konstant bleiben. Lange Zeit war dieses Konzept auch hinreichend genau, nun passt es immer weniger. Denn energiepolitisch macht es keinen Sinn, einheitliche Anforderungen an Gebäude zu stellen, wenn bekannt ist, dass sich die Primärenergiefaktoren und andere (Umwelt)Wirkungen der Energieträger im Lebenszyklus eines Gebäudes (bzw. während der Nutzungsdauer der Anlagentechnik) verändern werden. Dann ist eine Bilanzierung für einen längeren Zeitraum erforderlich.
Ein weiteres Dilemma der EnEV ist ihre Ermächtigung über das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), das 1976 im Zuge der ersten Ölkrise entstand. Klimaschutz war damals kein Thema, heute ist das übergeordnete Ziel jedoch, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. So ist das Thema Energieeinsparung in der EnEV an die zweite Stelle getreten, laut § 1 EnEV soll die Verordnung „… dazu beitragen, dass die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, insbesondere ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050, erreicht werden“. Dieser Zweck wird jedoch vom EnEG nicht ansatzweise gedeckt. So wird versucht, über die Energieeinsparung die CO2-Emissionen zu senken. Das gelingt prinzipiell auch. Effektiver wäre es jedoch, das Ziel direkt zu verfolgen und die Anforderungen, unter Berücksichtigung von Nebeneffekten, konsequent daran auszurichten.
In TGA Fachplaner wird schon seit einigen Jahren darauf hingewiesen, dass der Primärenergiebezug falsche Anreize setzt und Fehlentwicklungen provoziert. Nun haben der DVGW und Zukunft Erdgas das Thema aufgegriffen und vom Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie in einer Studie aufzeigen lassen, dass die EnEV mit der Ausrichtung auf die künstlich geschaffene Größe (nicht erneuerbarer) Primärenergieverbrauch ihre Steuerungswirkung für den Klimaschutz verfehlt. Die Absenkung des Primärenergiefaktors für Strom auf 1,8 (perspektivisch auf Null zulaufend) verdeutlicht, dass eine Anpassung erforderlich ist. Ähnliche Probleme existieren schon seit Längerem bei Fernwärme und Holz.
Vom Bundesbauministerium wird derzeit signalisiert, dass für den noch zu definierenden Niedrigstenergiegebäude-Standard ab 2021 kaum Spielraum gesehen wird, unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots über die Anforderungen der EnEV 2016 hinauszugehen. Dazu zwei Empfehlungen: Realisieren, wie schon heute gebaut und modernisiert wird und das EnEV-Konzept am eigentlichen Zweck ausrichten. Den Rest regelt der Markt.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de