Wie kann man unbeliebte Notwendigkeiten im Ordnungsrecht durchsetzen? Zunächst bietet sich da die Europäische Union an. Hier wird oft konsequenter vorgegangen, wenn es gilt, langfristige Ziele frühzeitig mit den notwendigen Verordnungen und Richtlinien zu begleiten. Zwar werden sie häufig genug von den Mitgliedstaaten „entschärft“, aber am Ende bleibt doch mehr als nach einem nationalen „Dialogprozess“ übrig.
Eine andere Möglichkeit sind bundesweite Förderprogramme, die vorziehen, was Lobbyisten zuvor im Ordnungsrecht verhindert haben. Angesichts der Bedeutung von KfW-Förderprogrammen zum energiesparenden Bauen und Sanieren kann man bereits von einem parallelen Ordnungsrecht sprechen. So wird heute mit Fördergeldern mehr als die Hälfte der Gebäude nach Standards errichtet, die zuvor von „Interessenvertretern“ als utopisch, unwirtschaftlich und als Hemmnis für das Bauen und Modernisieren abgestempelt worden sind.
Mit den Förderprogrammen, die aktuell aufgrund der schwindenden Chancen, die Klima(zwischen)ziele der Bundesregierung noch zu erreichen, relativ gut ausgestattet sind und für fast jede Maßnahme zur Verfügung stehen, hat sich jedoch eine Kultur etabliert, die noch zum Bumerang werden kann. Laut einer von TNS Emnid im Auftrag der Deutschen Energie-Agentur (dena) durchgeführten Umfrage glauben 70 % der über 3000 befragten Wohnungs- oder Hauseigentümer sowie Mieter und Vermieter, dass eine noch bessere Förderung von besonderer Bedeutung dafür ist, um zukünftig mehr Menschen für eine energetische Sanierung zu motivieren. Eine große Mehrheit der Befragten sprach sich zugleich für steuerliche Fördermaßnahmen aus. Staatliche Verpflichtungen zur Sanierung landeten dagegen auf dem letzten Platz.
Stark vereinfacht: Die Bürger wollen eine möglichst große Freiheit bei der Umsetzung, jedoch soll sich der Staat daran üppig beteiligen. Der finanzielle Aspekt wird sich kaum erfüllen lassen. Sollen die Fördermittel nicht nur Mitnahmeeffekte finanzieren, müssen hohe Standards und Ziele vorgeschrieben werden. Schwierig ist auch, den Bürgern die größtmögliche Freiheit zu gewähren, da deren Ziele nicht unbedingt deckungsgleich mit den Klimaschutzzielen sind. Zudem kann nicht erwartet werden, dass jeder Bürger bei seinen Entscheidungen alle langfristigen Auswirkungen erkennen kann und sein Handeln darauf abstimmt. Wäre dies so, bräuchten wir gar keine Klimaschutzziele, kein Energieeinsparrecht und ganz andere Förderprogramme.
In diesem Zusammenhang sind Teilergebnisse der BauInfoConsult-Jahresanalyse-2016/17 interessant. Im Rahmen der Branchenstudie wurden 180 Architekten und 189 SHK-Installateure um eine Einschätzung gebeten, ob die im Bestand größtenteils nicht geltenden EnEV-Anforderungen die Modernisierung der deutschen Heizungslandschaft einbremst. 76 % der Architekten sind bei diesem Thema der Meinung, dass die „Revolution im Heizungskeller“ unter diesen Voraussetzungen noch weiter verzögert wird. Auch von den befragten SHK-Installateuren sind 66 % der Ansicht, dass es ohne eine verschärfte EnEV im Bestand nicht zu einer massiven Erneuerungswelle in den deutschen Heizungsräumen kommen wird. Bemerkenswert: Die Interessenvertreter beider Gruppen haben sich stets gegen eine solche Erweiterung der EnEV stark gemacht, mit dem Argument, dass dann weniger modernisiert würde.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de