Die Aufgabe ist seit gut acht Jahren eindeutig: „Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass bis 31. Dezember 2020 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sind und nach dem 31. Dezember 2018 neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden, Niedrigstenergiegebäude sind.“
Auch die Definition: „Ein ‚Niedrigstenergiegebäude‘ ist ein Gebäude, das eine sehr hohe […] Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen […] gedeckt werden.“ Etwas problematischer wird es, wenn man in diese Definition einsetzt: „Die ‚Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes‘ ist die berechnete oder gemessene Energiemenge, die benötigt wird, um den Energiebedarf im Rahmen der üblichen Nutzung des Gebäudes […] zu decken.“ Danach müsste ein Niedrigstenergiegebäude, in der englischen Version der EU-Gebäuderichtlinie „nearly zero-energy building“, einen sehr hohen Energiebedarf aufweisen. Selbstredend ist das Gegenteil gemeint.
Der im November 2018 aufgetauchte Straßenbahn-Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz (GEG Webcode 849719) nimmt die Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie auf: „Ein zu errichtendes Gebäude, das nach seiner Zweckbestimmung beheizt oder gekühlt werden muss, muss eine sehr gute Gesamtenergieeffizienz aufweisen; der Energiebedarf des Gebäudes muss sehr gering sein und soll, soweit möglich, zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden (Niedrigstenergiegebäude).“
Im Weiteren wird im GEG-Entwurf das bereits seit 2016 geltende EnEV-Anforderungsniveau zum Niedrigstenergiegebäude-Standard erklärt, obwohl die Mehrzahl der Bauprojekte, zum großen Teil durch Fördermaßnahmen unterstützt, diesen Standard bereits deutlich unterschreitet. Zumindest auf dem Papier. Eine Kontrolle des tatsächlichen Energieverbrauchs ist auch künftig nicht vorgesehen; hinlänglich bekannte, aber einfach zu korrigierende Defizite im realen Gebäudebetrieb werden damit weiterhin den Leitgedanken „kostenoptimales Niveau“ aushebeln.
Ein Manko des GEG-Entwurfs ist auch, dass er nur den Energiebedarf in der Nutzungsphase berücksichtigt. Bei einem (echten) nearly zero-energy building haben aber der Energiebedarf und die CO2-Emissionen für die Herstellung von Baustoffen bei heute üblichen Baupraktiken eine sehr große Bedeutung.
Kritisch ist auch, dass der GEG-Entwurf bei Wohngebäuden noch mehr als bisher eine Kompensation zwischen Gebäudehülle, Anlagentechnik und der Nutzung erneuerbarer Energien zulässt. Wer dies ausreizt, könnte die Gebäudehülle schlechter als nach EnEV 2014 ausführen, auch schlechter als es die aktuellen Bauteilanforderungen für Modernisierungen vorsehen.
Der Lichtblick am GEG-Entwurf ist eine einfache Multiplikationsaufgabe: Die mit dem Gebäudebetrieb verbundene emittierte Menge von Treibhausgasen ist auf Basis der eingesetzten Energieträger bzw. -quellen und tabellarisch aufgelisteten Emissionsfaktoren (in g CO2-Äquivalent pro kWh) zu berechnen und im Energieausweis anzugeben. Das ordnet erstmals Gebäude ein Stück weit in den Anspruch klimaneutraler Gebäudebestand ein.
Dass mit dem ersten Aufschlag des GEG aufgrund der vertrödelten Zeit keine wesentliche Fortentwicklung stattfinden wird, ist wohl zu akzeptieren. Der Gesetzgeber sollte aber den Mut haben, diese im Gesetz bereits datiert anzukündigen und sich damit selbst in die Pflicht nehmen.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de