Ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050 gehört seit 2010 zu den energiepolitischen Zielen der Bundesregierung. Eine gesetzliche Grundlage gibt es dafür bisher jedoch nicht, auch wenn beispielsweise die Erwähnung in der Energieeinsparverordnung in § 1 „Zweck und Anwendungsbereich“ dies suggeriert.
Gleichzeitig zeigt § 1 EnEV mit der Bedingung „unter Beachtung des gesetzlichen Grundsatzes der wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ die Grenzen des Verordnungsgebers beim Verordnen auf. Eine Peitsche verbietet das Energieeinsparungsgesetz. Aber das (geplante) Zuckerbrot wird (seit dem Anfang 2013 von der Bundesregierung abgesegneten EnEV-Entwurf) erwähnt: „Neben den Festlegungen in der [Energieeinspar]Verordnung soll dieses Ziel [nahezu klimaneutraler Gebäudebestand] auch mit anderen Instrumenten, insbesondere mit einer Modernisierungsoffensive für Gebäude, Anreizen durch die Förderpolitik und einem Sanierungsfahrplan, verfolgt werden.“
Mit Anreizen durch die Förderpolitik eine nachhaltige, organische Dekarbonisierung im Gebäudebereich zu bewirken, will momentan nicht so richtig gelingen. Etliche gescheiterte Versuche für die Einführung steuerlicher Abschreibungen, niedrige Energiepreise – gerade beginnen auch die Erdgaspreise abzubröckeln – eher milde Winter, eine große Nachfrage nach Immobilien und Wohnungsnot in den Ballungszentren sind ein starkes Gegengewicht zu Förderangeboten, historisch niedrigen Zinsen und den Förderservices vieler Hersteller.
Dazu kommt, dass es für bestehende Gebäude eigentlich keine halbwegs vernünftige Maßnahme gibt, für die man nicht eines der bundesweiten Förderprogramme nutzen kann. Aus isolierten Blickwinkeln erscheint jede Option sinnvoll. Wird aber quasi alles gefördert, bleibt ein großer Teil der erhofften Anreizwirkung auf der Strecke und ein Gewöhnungseffekt setzt ein. Bei Heiztechnik ist es sogar so, dass die Substitution bestimmter Technik gefördert wird, während gleichzeitig Fördertöpfe für die Erneuerung der zu substituierenden Technik bereitstehen. Zudem spielen Untersuchungen bei der grundsätzlichen Sanierungsentscheidung nur eine kleine Rolle. Allerdings haben viele Programme positiven Einfluss auf die Qualität und die Tiefe der Sanierung.
Was jedoch kritisch ist: Die meisten Förderangebote sind Stückwerk, das nicht zur 2050-Zielsetzung passt, teilweise sogar die Zielerreichung behindert. Beispiel: Eine heute aufgebrachte Fassadendämmung, die nicht den Anforderungen von 2050 entspricht, wird schon vor dem Ende ihrer möglichen und gebotenen Nutzungszeit zum Entsorgungsfall und verschwendet zusätzlich graue Energie. Tatsächlich sind die Defizite noch größer, bis dato gibt es keine offizielle Definition vom Niedrigstenergiegebäude – seit 2010 für alle Neubauten ab 2021 verbindlich festgeschrieben. Die „ausführliche Darlegung der praktischen Umsetzung der Definition Niedrigstenergiegebäude“ hätte laut EU-Gebäuderichtlinie bis zum 9. Juli 2012 erfolgen müssen.
Zu Recht wird vielfach darauf hingewiesen, dass schon heute viele die Energieeffizienz eines Gebäudes betreffenden Entscheidungen 2050-tauglich oder -kompatibel sein müssen. Es wird also höchste Zeit, dass Berlin den Gebäudeeigentümern, Planern, Handwerkern und Herstellern Leitlinien für 2050-ready an die Hand gibt – damit alle am gleichen Ziel arbeiten können. Versprochen wurden die Leitlinien vor etwa sechs Jahren für die EnEV 2012, aus der dann eine EnEV 2014 wurde. Das Niveau „klimaneutrales Gebäude“ definiert sie bis heute nicht.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de