Werden von der deutschen Politik Ziele für den Klimaschutz vorgegeben, wird ihnen sofort das Prädikat ambitioniert mitgegeben. Für Projekte und Vorhaben bedeutet ambitioniert: anspruchsvoll, herausfordernd, vielleicht nicht erreichbar. Wer etwas als ambitioniert bezeichnet, liefert quasi schon die Erklärung oder Entschuldigung für ein eventuelles Scheitern mit.
Die eigentliche Ambition an Klimaschutzzielen – die ja bereits einen Kompromiss zwischen dem Erforderlichen und anderen Erwägungen sind – ist, dass meistens sehr viele und / oder besonders mächtige Akteure für die Ziele möglichst preiswert gewonnen werden müssen. Dazu kommt, dass zahlreiche Organisationen erhebliche Ressourcen einsetzen, um Klimaschutzziele schon vor dem Ausrufen abzuschwächen und in ein schlechtes Licht zu rücken.
Daneben gibt es zahlreiche Organisationen, die ein erhebliches Interesse daran haben, dass Klimaschutzzielen zugeschriebene Maßnahmen umgesetzt werden und die Politik dafür möglichst viel Geld mit möglichst geringen Schwellen zum Abschöpfen locker macht. Die Prophezeiung „die Klimaschutzziele werden verfehlt“ wird darum oft als Druckmittel benutzt, damit Berlin Geld ein- oder nachlegt bzw. Pläne für Pflichten abschwächt.
Zwischenziele werden besonders gerne angeprangert. Eigentlich kommt ihnen eine Kontrollfunktion zu, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können, damit das tatsächliche Ziel erreicht wird. Bezogen auf unsere Branche wäre das ein weitgehend klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050. Dazu muss der Energieverbrauch von nahezu allen Gebäuden massiv gesenkt und der nicht vermeidbare Rest möglichst vollständig mit erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Eine aussagekräftige Zwischenbilanz für 2020 wäre also, den Anteil der Gebäude zu bestimmen, der – unter Berücksichtigung vorgezeichneter Entwicklungen, wie die Dekarbonisierung der Stromerzeugung – den 2050 erforderlichen Zustand bereits erreicht hat oder aufgrund absehbarer Maßnahmen erreichen wird. Ohne echten Wert ist es hingegen, eine Quote für die Nutzung erneuerbarer Energien zu bestimmen, die heute in einer 2050 gar nicht mehr tragbaren Art eingesetzt werden oder eine Verringerung des Energieverbrauchs gegenüber einem Referenzjahr zu ermitteln. Das Problem ist: Für die unsinnige Bewertung gibt es Regeln, für die Bewertung mit echtem Erkenntnisgewinn gibt es sie bisher nicht.
Beispielsweise ist der geförderte Massenaustausch von Umwälzpumpen für die Zwischenbilanz 2020 und die Glaubwürdigkeit der Politik wichtig, für die Klimaschutzziele 2050 jedoch fast ohne Belang. Der verringerte Stromverbrauch erleichtert zwar die Transformation der Stromerzeugung und -nutzung, 2050 werden die Pumpen aber überwiegend nicht mehr existent sein und so auch keinen Beitrag für das Hauptziel leisten. Hingegen würde ein morgen richtig eingebautes Passivhausfenster bereits einen Beitrag für die Klimaneutralität des Gebäudebestands in 2050 leisten.
Eine Zwischenzielverfehlung ist zunächst einmal eine Chance zur Optimierung. Wichtig ist auch, wie groß die Abweichung eigentlich ist. Sind es Monate, Jahre oder Jahrzehnte? Verfehlt ist aller-dings, dass man Klimaschutzziele als ambitioniert deklariert, die Zwischenziele falsch formuliert und wichtige Werkzeuge, wie der Sanierungsfahrplan, nicht vorhanden sind.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de