Je neutraler die Experten, desto klarer sind ihre Äußerungen zur aktuellen Energiepolitik der Bundesregierung. So zitiert dapd Olav Hohmeyer, Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), anlässlich der Vorstellung des SRU-Sondergutachtens „Wege zur 100 % erneuerbaren Stromversorgung“ (am 26. Januar 2011): „Ich halte es für verheerend, dass man das Vertrauen der Bevölkerung in die Energiepolitik extrem dadurch belastet, dass man Klientelpolitik für die Kernenergie gemacht hat.“ Was die Bundesregierung im Moment in der Energiepolitik tue, gehe „komplett in die falsche Richtung“.
Dabei ist das „Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“ (Webcode 293258) für Merkel doch eine „Revolution“. Da sie eine „meist unter Anwendung von Gewalt erzwungene Totaländerung der staatlichen Ordnung“ die „fast immer auf die Einführung eines neuen politischen Systems und den personalen Wechsel der Inhaber der Staatsgewalt ausgerichtet“ ist (Wikipedia, umgangssprachliches Verständnis für Revolution) sicher nicht proklamieren wollte, muss sie wohl an „Veränderung, plötzlicher Wandel, Neuerung“ (Wikipedia) gedacht haben. Ob dies zutrifft, hängt vom Betrachtungswinkel und vom Erwartungshorizont ab. An sinkende Stromkosten durch die Laufzeitverlängerung werden die meisten Bürger nicht glauben, schließlich haben die Kernkraftwerksbetreiber dies bereits selbst als unrealistisch bezeichnet.
Empfindlicher als bei der Laufzeitverlängerung werden Mieter und Immobilienbesitzer – zumindest ihre Interessensvertretungen – reagieren, wenn die Bundesregierung in den nächsten Monaten Punkt „E. Energetische Gebäudesanierung und energieeffizientes Bauen“ im Energiekonzept in der EnEV 2012 konkretisiert. Für die Immobilienbesitzer ist dabei die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (Webcode 296893) das Maximalziel – Vorgaben für bestehende Gebäude existieren hier kaum. Nach dem Energiekonzept sollen sie zwar schon jetzt definiert werden, aber erst langsam ab 2020 greifen. Viele Experten mahnen seit Jahren ein strengeres Vorgehen.
Vor dem Beginn der heißen Diskussionsphase um die EnEV 2012 hat jetzt der Nachhaltigkeits-Architekt Rolf Disch die Petition „Plusenergie jetzt!“ initiiert: Danach sollen Regierung und Parlament beschließen: „1. Plusenergie muss schnellstmöglich Standard beim Neubau werden. 2. Die energetische Gebäudesanierungsrate muss von derzeit 1 % auf mindestens 3 % erhöht werden. 3. In Anreizprogrammen für Neubau und Sanierung muss der Plusenergie-Standard die höchste Förderstufe bekommen und durch Niedrigst-ZinsKredite gefördert werden.“
Sie können den Appell noch bis Ende März unterzeichnen, und damit ein Zeichen setzen ( http://www.plusenergie.de ). Denn sie ist eine Petition der Vernunft. Wer sich heute mit einem beliebigen Gebäude über die nächsten 40 Jahre und die Zielsetzung bis dahin einer Minderung des Primärenergiebedarfs um 80 % auseinandersetzt (Ankündigung im Energiekonzept), kommt schnell dahinter, dass man eine neue Vorgehensweise und einen individuellen, langfristigen Sanierungsfahrplan benötigt. Dann erkennt man auch, dass Merkels Ziel bezogen auf einzelne Gebäude zu niedrig angesetzt und der Zeitpunkt zu weit aufgeschoben ist. Plusenergiehäusern – auch im Bestand – gehört schon die nahe Zukunft. Umsetzen muss man ein Plusenergiehaus im Bestand nicht unbedingt auf einen Schlag, vordenken aber schon. •
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner
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