Studien, wie die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2050 im Gebäudebereich zu erreichen oder nicht zu erreichen sind und wie hoch mutmaßlich die Kosten sind, gibt es mittlerweile viele. Und mindestens ebenso viele unterschiedliche Ergebnisse. Immer kommt dabei heraus, dass ein Weiter-wie-bisher auch den unteren Rand des Ziels (80 % weniger CO2-Emissionen als 1990) deutlich verfehlt – sonst würden wir ja auch gar keinen Klimaschutzplan benötigen. Mit zwei oder drei weiteren Szenarien wird dann eine Wunschvorstellung in Position gebracht und meistens ein unliebsames Konzept aufgrund deutlich höherer Kosten demontiert.
Leitbild des Klimaschutzplans ist eine weitgehende Treibhausgasneutralität für Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts. Weitgehend bedeutet um 80 bis 95 % geringere Treibhausgasemissionen als 1990, dazu müssen die energiebedingten Emissionen nahezu vollständig heruntergefahren werden, ohne dabei an anderer Stelle – örtlich oder strukturell – neue Treibhausgase freizusetzen. Der Zeitpunkt 2050 ist keine willkürliche und keine individuelle Zielmarke für Deutschland, sondern resultiert aus einer globalen Budgetbetrachtung, um die Klimaerwärmung auf einen Wert von 2 °C zu begrenzen, in Paris wurde sogar „deutlich unter 2 °C“ vereinbart.
Aus der Budgettheorie resultiert, dass nicht nur das Erreichen eines klimaneutralen Gebäudebestands, sondern auch der Pfad der Emissionsreduzierung zum Ziel gehört. Würde man beispielsweise im Hintergrund umbauen, müsste man den großen Schalter schon Mitte 2032 umlegen, um im Vergleich zu einer linearen Minderung die Atmosphäre bis 2050 mit höchstens der gleichen Menge an CO2 zu beladen. Oder man könnte Zeit gewinnen, indem man in den frühen Jahren sehr große Fortschritte macht. Für schwieriger umsetzbare Maßnahmen hätte man dann mehr Zeit, beispielsweise könnte man die Dämmung der Gebäudehüllen um zehn Jahr strecken, die Wirtschaftlichkeit verbessern und realistischere Sanierungsraten bekommen.
Zudem endet die Betrachtung in vielen Studien genau 2050 mit einem umgebauten Energiesystem und den bis dahin aufgelaufenen Kosten. Allerdings macht es in der Gesamtbetrachtung schon einen Unterschied, ob dann für einen im Mittel mäßig sanierten Gebäudebestand der Energieträgermix aus national erzeugtem Strom und importierten P2X-Brennstoffen besteht oder ein höherwertig gedämmter Gebäudebestand weitestgehend elektrifiziert ist. Auch sind die Chancen ungleich, dass Szenarien überhaupt verwirklicht werden können. Schon heute sind viele Gebäudeeigentümer bereit, höhere Gesamtkosten für ein System zu tragen, wenn sie damit einen höheren Autarkiegrad erreichen können.
Studien, die nicht mindestens für die halbe Nutzungsdauer der Energiesysteme über 2050 hinausschauen, sind deshalb kritisch zu hinterfragen. Auch Szenarien, bei denen außerhalb Deutschlands viel investiert werden muss, damit wir saubere Energieträger möglichst billig importieren können, werfen deutliche und vielschichtige Fragezeichen auf. Jede Prognose bis 2050 unterliegt erheblichen Unsicherheiten. Sie werden aber nicht geringer, wenn man bei 2050 einen Schnitt macht. Eine Betrachtung bis 2060 und darüber hinaus sollte deshalb selbstverständlich sein.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de