Die Deutsche Bahn im Freudentaumel, der DVGW und der Mineralölwirtschaftsverband zufrieden, lobende Worte vom Bauherren- Schutzbund und sogar von Haus & Grund. BDH, ZVSHK und DG Haustechnik selig. Fast könnte man glauben, das vom Klimakabinett am 20. September 2019 beschlossene Klimaschutzprogramm 2030 (Details siehe Seite 6) wäre auf breite Zustimmung gestoßen. Hier wird offensichtlich die Wirtschaft gefördert, was nicht unbedingt ein Widerspruch zum Klimaschutz ist.
Von anderen Seiten gab es jedoch heftige Kritik: Desaströse Vorschläge, fluglahmer Flickenteppich, erschreckend kraft- und mutlos, das Gesamtpaket enttäuschend, der Ausbau erneuerbarer Energien wird weiter torpediert, komplettes Versagen, Klimaschutz wird weiter verzögert…
Filtert man die substanzielle Kritik heraus, gibt es zum einen Enttäuschte, die gerade ihre Belange und Interessen nicht ausreichend berücksichtigt sehen. Die Nichtberücksichtigung einiger Punkte ist tatsächlich erstaunlich, andere blitzen regelmäßig in Berlin ab. Aber: Alles was noch nicht einbezogen ist, hat auch künftig noch Chancen, denn kaum jemand geht davon aus, dass mit dem Klimaschutzprogramm 2030 die Klimaziele für 2030 auch bis 2030 zu erreichen sind.
Die zweite Gruppe kritisiert, dass das Klimakabinett ohne erkennbare Notwendigkeit viel zu viele kleinteilige und sich teilweise gegenseitig aufhebende oder behindernde Maßnahmen beschlossen hat. Immerhin sind es insgesamt 66 Eckpunkte, viele enthalten mehrere Maßnahmen. Das dritte Filtrat beschäftigt sich mit dem CO2-Bepreisungssystem. Zunächst wird nahezu einstimmig begrüßt, dass es dieses überhaupt geben soll. Generell beanstandet wird der niedrige Startpreis von 10 Euro/t CO2, ebenso die lange „Gewöhnungsphase“ mit einer vorgegebenen Festpreistreppe bis 35 Euro/t CO2 im Jahr 2025 sowie die Preisregulierung insgesamt. Es sei zum Beispiel sinnvoller, eine deutlich höhere CO2-Bepreisung mit einer direkten Rückführung an alle Bürger zu verknüpfen, als eine kaum schmerzende CO2-Bepreisung mit einer nicht spürbaren Strompreissenkung zu kombinieren. Das sei nicht nur wirkungslos, sondern auch noch kontraproduktiv.
Bewertet man die elf TGA-relevanten Eckpunkte, findet man hauptsächlich neue Anläufe zu alten Konzepten. Die Idee einer steuerlichen Förderung ist mindestens zehn Jahre alt, ebenso eine Umlage auf Erdgas und Heizöl (damals zur Finanzierung von Heizsystemen mit erneuerbaren Energien), denn viel mehr ist die CO2-Bepreisung bis 2025 nicht. Mit dem Marktanreizprogramm gibt es seit 20 Jahren eine „Umstiegsprämie“, nur wurde sie durch die parallele Förderung der Gegenspieler negiert. Höhere Fördersätze zeugen bloß davon, in welche Zwickmühle sich die Politik manövriert hat. Und Förderprogramme besser auf die Adressaten auszurichten, ist wohl eine Selbstverständlichkeit, für die man kein Klimakabinett benötigt.
Was aber ärgerlich ist: Gebäude des Bundes müssen laut Klimaschutzprogramm künftig „für den gesamten Gebäudebestand vorbildhaft sein und demonstrieren, dass die klimapolitischen Ziele im Einklang mit Kosteneffizienz […] umgesetzt werden können. […] Neue Gebäude des Bundes sollen ab 2022 mindestens dem Effizienzhaus-Standard 40 entsprechen.“ Das ist gut und richtig. Wenn der Bund aber schon kurzfristig kosteneffizient nachhaltig bauen kann, wieso wird die Festschreibung des Effizienzhaus-Standards 55 im Gebäudeenergiegesetz verweigert?
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner vorlaender@tga-fachplaner.de · www.tga-fachplaner.de