Nach Erfahrungswerten bemessene Abwasserleitungen werden häufig überdimensioniert. Das führt zu Mehrkosten, unnötigem Material- und Platzverbrauch. Außerdem wird das Abflussverhalten verschlechtert, sodass Feststoffe in horizontalen Leitungen nicht richtig abtransportiert werden und Verstopfungen vorprogrammiert sind. Auch ungünstige Trassenführungen können zu Problemen führen, die sich nur aufwendig korrigieren lassen.
Wird die Leitungsführung im CAD-Plan oder 3D-Gebäudemodell im Vorfeld optimiert, lassen sich Material, Durchbrüche, Aussparungen und Schlitze in Wänden und Geschossdecken sowie Brandschutzmaßnahmen einsparen. Außerdem können die hydraulischen Eigenschaften von Abwasser-Installationen durch die exakte Berechnung der Rohrnennweiten gegenüber überdimensionierten Systemen erheblich verbessert werden. Auch durch ungünstig positionierte Dachabläufe, falsch bemessene Regenrinnen oder Fallrohre bedingte Bauschäden lassen sich vermeiden.
Was leistet Entwässerungs-Software?
Software für Entwässerungsnetze unterstützt Planer und Installateure bei der Berechnung, Auslegung und Optimierung von Entwässerungsanlagen und -systemen für Gebäude und Grundstücke. Berechnet werden auf Grundlage der europäischen Normenreihen DIN EN 12 056 [1, 2] und DIN EN 752 [3] sowie des ergänzenden deutschen Regelwerks DIN 1986-100 [4] die Nennweiten, Mindestgefälle, Füllungsgrade oder Fließgeschwindigkeiten von Schmutz-, Regen- und Grauwasserleitungen.
Einige Programme ermitteln auch die jeweiligen Sohlhöhen der Teilstrecken auf der Grundlage des notwendigen Gefälles. Bei der Berechnung können auch fixe Parameter vorgegeben werden, wie etwa Mindestgefälle oder Nennweiten. Berücksichtigt werden Anschlusswerte (DU) der Sanitärgegenstände, Volumen- (Qc) und Pumpenströme (Qp). Auch Sonderbauteile, wie Rückstausicherungen, Hebeanlagen, Abscheideranlagen oder Anlagen zur Regenwasser-/Grauwassernutzung werden berücksichtigt, bei einigen Programmen allerdings nicht bei der Berechnung, sondern nur in der Plangrafik oder Stückliste.
Neben der Hauptlüftung berücksichtigen fast alle Programme die direkte und indirekte Nebenlüftung, die Umlüftung und die Sekundärlüftung, Belüftungsventile und Lüftungshauben.
Die Berechnungsergebnisse werden auf der Grundlage hydrodynamischer Fließformeln auf die Einhaltung von Mindestgefälle, Mindestgeschwindigkeiten und Füllungsgrade, abhängig vom Fließgefälle und den Fließwiderständen überprüft. Damit kann man nachweisen, dass die notwendige Leistungs- und Selbstreinigungsfähigkeit an jedem Punkt gegeben ist. Neben der Neuberechnung können auch Nennweiten bestehender Gesamt- und Teil-Netze rechnerisch überprüft und bei Sanierungen oder Anlagenerweiterungen einbezogen werden.
Individuell erweiterbare Datenbanken mit allen relevanten Parametern für Rohre, Formstücke, Entwässerungsgegenstände, Regenwasserabflüsse, Regenereignisse, Belüftungsventile, Lüftungshauben, Dämmung etc. beschleunigen die Planung. Alle Ein- und Ausgaben werden tabellarisch oder grafisch dokumentiert. So listen etwa Fließwege-Datenblätter alle wichtigen Berechnungsergebnisse und Fließwege auf.
Die Ergebnisse können ausgedruckt, als PDF-Datei ausgegeben oder über diverse alphanumerische Schnittstellen exportiert werden. Massenauszüge bilden die Grundlage für Leistungsverzeichnisse, die raum- oder gruppenweise unterteilt und für Dachabläufe, Entwässerungsgegenstände, Rohrleitungen, Formstücke, Zubehör etc. nach Nennweiten geordnet werden können. Der Materialauszug kann anschließend in eine Ausschreibungssoftware importiert oder in Excel nachbearbeitet werden.
Lassen sich Trinkwasser-Installationen parallel zu Entwässerungsanlagen planen, können Mehrfacheingaben vermieden und Kollisionskontrollen durchgeführt werden. Werden auch andere haustechnische Gewerke mit derselben Software geplant, sind gewerkeübergreifende Kollisionskontrollen möglich. Bei der BIM-orientierten Planung werden mit unterschiedlichen Programmen geplante Fachmodelle über das BCF-Datenformat auf Kollisionen geprüft.
Einige Programme überprüfen die Planung auch auf mögliche Fehler oder eine Überschreitung von Grenzbedingungen, wie etwa die maximale Länge und Anzahl von Bögen, die Absturzhöhe gemäß den Tabellen 5 und 8 in DIN EN 12 056-2 und der Tabelle 5 in DIN 1986-100. Werden eventuelle Problemstellen vom Programm grafisch hervorgehoben, behalten die Anwender bei der Kontrolle und Korrektur die Übersicht.
Dachentwässerung sicher auslegen
Diffiziler als die Abwasserplanung ist angesichts zunehmender Extrem-Wetterereignisse die Auslegung von Dachentwässerungsanlagen. Werden beispielsweise innen liegende Regenrinnen falsch bemessen, kann das nicht nur zu einer massiven Durchfeuchtung des Dachaufbaus und von Gebäudebauteilen, sondern auch zu statischen Problemen führen.
Deshalb ist gemäß DIN EN 12 056-3 und DIN 1986-100 ein hydraulischer Leistungsnachweis zwingend, der allerdings einen höheren Berechnungsaufwand voraussetzt. Für die Ermittlung der erforderlichen Nennweiten für Dachabläufe und Notüberläufe sollte deshalb unbedingt Software eingesetzt werden. Sie berücksichtigt alle relevanten Berechnungsparameter wie Regenspenden (r), Regenwasserabflüsse (Q), abflusswirksame Dachflächen (A), Abflussbeiwerte (C), Fließweglängen (L) sowie durch Rinnenwinkel, Lötstutzen oder Laubfangkörbe bedingte Strömungswiderstände.
Die Bemessungsregeln unterscheiden zwischen vorgehängten und innen liegenden Rinnen, die nach unterschiedlichen Regenszenarien ausgelegt werden (Berechnungsregen r5,5 bzw. Jahrhundertregen r5,100). Zu den Berechnungsergebnissen gehören auch ein Überflutungsnachweis nach DIN 1986-100 oder der erforderliche Rückhalteraum bei Einleitungsbeschränkung.
Bei der Entwässerungsplanung von Flachdächern wird zwischen der konventionellen Freispiegel- und der Druckströmungsentwässerung unterschieden. Letztere saugt durch die Schwerkraft das Regenwasser von der Dachfläche, sobald sich eine bestimmte Wassermenge auf dem Dach anstaut und eine vollständige Füllung der Rohrleitung erreicht wird. Voraussetzung ist allerdings eine Mindest-Dachflächengröße (ab ca. 150 m2), eine Fallhöhe von mindestens 4 m, spezielle Dachabläufe sowie weitere Randbedingungen.
Allerdings bieten nur wenige produktunabhängige Programme (beispielsweise C.A.T.S. Sanitär Professional, liNear Analyse Waste Water und andere) die Planung und Berechnung einer Druckströmungsentwässerung an. Das liegt daran, dass die einschlägigen Hersteller entsprechender Lösungen die erforderliche Planung und Berechnung kostenlos anbieten, sofern die jeweiligen Produkte verbaut werden.
So wird geplant
Geplant wird auf der Grundlage per DXF- oder DWG-Schnittstelle importierter Architektenpläne oder per IFC-Schnittstelle eingelesener BIM-Gebäudemodelle. Bei einigen Programmen können auch gescannte Papierpläne als Planungsgrundlage hinterlegt werden.
Bei nahezu allen in der Marktübersicht berücksichtigten Programmen kann die Entwässerungsplanung im Zusammenhang mit Planung der Trinkwasser-Installation erfolgen. Dabei werden die Positionen aller Sanitärgegenstände definiert und stehen damit inklusive aller Anschlusswerte auch für die Planung der Entwässerungsanlage zur Verfügung.
Die Trassenführung der Abflussleitungen wird mit einer Polylinie im Grundriss, Schnitt (Strangschema) oder in der Isometrie vorgegeben. Auf Grundlage dieses Ein-Strich-Modells werden die Abflussleitungen automatisch generiert. Parallel dazu werden die Leitungslängen ermittelt und die Leitungsart definiert. Die Art der Leitung (Schmutz-, Regen-, Grauwasser- und Lüftungsleitungen) erkennen die Programme im Idealfall aus der jeweiligen Anschlusssituation und der Leitungsführung ebenso automatisch, wie Lüftungsarten oder Bauteile wie Belüftungsventile, Lüftungshauben etc.
Werden Sanitärgegenstände neu eingefügt, entfernt oder verändert, passt sich die Leitungsführung selbstständig an. Anlagenteile lassen sich kopieren und werden an der neuen Position automatisch an das Hauptleitungsnetz angebunden, was den Nachbearbeitungsaufwand bei Änderungen reduziert. Änderungen innerhalb der Berechnung werden automatisch in allen Darstellungen und Stücklisten übernommen.
Da im Geschosswohnungsbau die Anordnung der Verbraucher auf den Etagen meist identisch oder zumindest sehr ähnlich ist, lassen sich einmal definierte Teilstränge inklusive aller Parameter mehrfach kopieren. Wird in einem Bestandsgebäude ein vorhandenes Abwassernetz erweitert und sollen Rohrleitungsabschnitte weiter genutzt werden, ist auch eine Eingabe feststehender Nennweiten und Gefälle von Teilstrecken möglich.
Welche Planungsprogramme gibt es?
Programme für die Auslegung von Entwässerungsnetzen haben unterschiedliche Zielgruppen: Produktspezifische Berechnungsprogramme, wie Geberit ProPlanner und Uponor HSE sind vor allem auf Fachhandwerker zugeschnitten, ebenso wie produktspezifische Online-Berechnungshilfen (z. B. Rinnenberechnung Online). Teilweise verwenden Produkthersteller für die Berechnungsdienstleistung auch eigene, allgemein nicht erhältliche Software, beispielsweise Aquaperfect von Düker.
Kostenpflichtige Lösungen sind herstellerübergreifend und verfügen deshalb über entsprechend umfangreiche Bauteildatenbanken. Zu diesen Lösungen gehören numerische Berechnungsprogramme mit grafischer Darstellung, CAD-Programme mit aufgesetzten Berechnungsmodulen sowie CAE-Lösungen mit integrierter Kalkulation.
Sanitär-Paketlösungen ermöglichen die parallele Planung von Trinkwasser- und Entwässerungsanlagen, mit den oben genannten Vorteilen. Nur ein Teil der Programme bietet sowohl eine Abwasser- als auch eine Dachentwässerungsplanung.
Alle Programme sind zwar intuitiv bedienbar, fachliches Know-how ist dennoch zwingend erforderlich. Der Anwender muss wissen, was er tut und was den Normvorgaben entspricht, denn das prüft die Software nicht oder nur teilweise, etwa eine Kaskadenentwässerung oder die Zusammenführung von Abläufen mit unterschiedlichem Höhenniveau bei Anlagen mit Druckströmungsentwässerung.
Vergleichsübersicht: Entwässerungsnetz-Planungssoftware
Was „sagt“ die Tabelle nicht?
Entwässerungsnetz-Planungssoftware unterscheidet sich wie jede Software durch den Funktionsumfang. Unterschiede gibt es aber auch beim Bedienungskomfort, der Benutzerfreundlichkeit, den Arbeits- und Bedienungsabläufen und so weiter. Diese Programmqualitäten lassen sich allerdings nicht oder nur bedingt in tabellarischen Produktvergleichen objektiv abbilden.
Deshalb sollte man nicht nur darauf achten, ob die Software alle Funktionsanforderungen erfüllt, sondern auch, wie einfach und intuitiv oder kompliziert und umständlich Bedienungsabläufe sind. Das gilt für die Planung ebenso wie für Änderungen und daraus resultierende Folgeänderungen. Die Fähigkeit eines Programms, schnell auf Änderungen reagieren zu können, ist erfahrungsgemäß mindestens ebenso wichtig wie eine schnelle Auslegung.
Entwässerungsnetze spielen ferner im Gesamtkontext der Gebäudeplanung und der Koordination mit anderen Gewerken eine wichtige Rolle. Deshalb muss auch der Informationsfluss sowohl innerhalb des Planungsteams – etwa bei der Trassenführung und Gefälleplanung in Zwischendecken – als auch im Gebäudemodell im Hinblick auf Berechnungen, Massen- oder Kostenkalkulationen stimmen.
Steht eine Kaufentscheidung oder ein Programmwechsel an, ist es deshalb ratsam, mithilfe einer Anforderungs-Checkliste zwei oder drei Produkte auszuwählen und diese nach einem Download der Testversionen praktischen Aufgabenstellungen zu unterziehen. Dann sollte bei der Wahl der richtigen Software nichts mehr schiefgehen.
Acado Haustechnik www.acado.ch
Autodesk Revit MEP www.autodesk.de
EboCAD Sanitär www.eboplan.ch
Haustech-CAD Sanitär www.bausoft.ch
HSE www.uponor.de
MagiCAD www.magicad.com/de
MF-Drain www.friedrich-datentechnik.de
pit-CAD Heizung/Sanitär www.pit.de
Plancal nova Sanitär Abwasser www.trimble.com
SSS2000 Abwasserinstallation DIN EN 12056-2 www.sss2000.de
[1] DIN EN 12 056-2 Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 2: Schmutzwasseranlagen, Planung und Berechnung. Berlin: Beuth Verlag, Januar 2001
[2] DIN EN 12 056-3 Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung. Berlin: Beuth Verlag, Januar 2001
[3] DIN EN 752 Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden. Berlin: Beuth Verlag, Juli 2017
[4] DIN 1986-100 Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12 056. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2016
[5] Ishorst, B.: Vollgefüllt und ohne Gefälle. Stuttgart: Gentner Verlag, SBZ 10/2012
[6] Geberit (Hrsg.): Abwasserhydraulik. Leitfaden für Planung, Dimensionierung, Ausführung und den Betrieb von Abwasseranlagen., Eigenverlag 2017, Pfullendorf
[7] IZEG Informationszentrum Entwässerungstechnik Guss e.V. (Hrsg.): Planung und Ausführung von Entwässerungsanlagenfür Gebäude und Grundstücke, Eigenverlag, Bonn, 2. Auflage 2014, E-Book
Dieser Artikel ist eine Überarbeitung des Artikels „Auch der Ablauf muss stimmen“ von Marian Behaneck, erschienen in TGA 10-2017.