Die Nürnberger N-Ergie AG geht bei der Energiewende neue Wege und baut im Stadtteil Sandreuth einen 70 m hohen und 33000 m3 Wasser fassenden Wärmespeicher. Damit soll die Stromerzeugung von der Wärmeerzeugung entkoppelt werden. Solche Speicher sind bei Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Anlagen nichts Neues. Neu sind jedoch die zwei in den Wärmespeicher eingebauten Elektroheizer mit je 25 MW, die überschüssigen Strom aus den KWK-Anlagen und dem Stromnetz in Wärme umwandeln und für das Nürnberger Fernwärmenetz bereithalten. Mit ihrer Leistung können sie das Speichervolumen rechnerisch um rund 1,3 K/h erhöhen.
Mehr noch: Auch Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energien (EE) sollen – um Überspannungen zu vermeiden – in Nürnberg künftig in Wärme umgewandelt werden. Das sei billiger, als den Strom im Ausland zu verramschen, sagt N-Ergie-Chef Josef Hasler auf dem 8. Deutschen Energiekongress am 10. und 11. September 2013 in München. Heißwasser als Energiespeicher sei in diesem Fall die wirtschaftlichere Alternative zu anderen Speicherkonzepten. Power-to-Heat wird damit salonfähig!
Die bislang unterbewertete Rolle des Wärmemarktes entwickelte sich zum Schwerpunktthema der zweitägigen Veranstaltung mit prominenten Referenten aus Politik, Energiewirtschaft und Industrie. Ein Ergebnis vorweg: Alle Seiten sind sich darüber einig, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) reformiert werden muss. Über das künftige Stromdesign gibt es allerdings ganz unterschiedliche Auffassungen. Einig war man sich jedoch darin, dass die Energiewende jetzt auch im Wärmemarkt stattfinden müsse, denn dort seien die Einspar- und Energieeffizienzpotenziale ungleich höher, wirtschaftlicher und schneller umsetzbar als im Strommarkt Abb. 1 .
EEG-Reform für Versorgungssicherheit
Für Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, Bonn, ist die Reform des EEG gleichbedeutend mit einer Wiederherstellung der Wettbewerbssituation auf dem Strommarkt. Anders sei die Versorgungssicherheit auf Dauer nicht gewährleistet. Seine Forderungen lauten:
- Abschaffung der Einspeisevergütung
- Standortwahl von EE-Projekten muss sich an der Aufnahmefähigkeit der Netze orientieren
- Verpflichtende Direktvermarktung von EE-Strom aus neuen Anlagen
- Senkung der Entschädigungszahlungen für nicht abgenommenen EE-Strom
Im Gegensatz zu den meisten anderen Referenten lehnt Mundt ein neues Strommarktdesign wegen der hohen Regelkomplexität ab. Er plädiert für ein wettbewerblich organisiertes Stufenmodell aus strategischen Kraftwerksreserven und ein nach Wettbewerbskriterien funktionierendes Kapazitätsmodell. Zum Trend der Re-Kommunalisierung der Netze äußerte sich Mundt eher kritisch: Die Zersplitterung der Netze mache deren Handhabung schwieriger.
Genug Strom, aber am falschen Ort
Nicht der weitere Zubau von Kraftwerkskapazitäten bringt die Energiewende voran, sondern der Netzausbau auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene, möglichst in Kombination mit einem Nachfragemanagement und regionalen Speicherlösungen. Philip Lowe, Generaldirektor für Energie der Europäischen Kommission, Brüssel, appellierte an die Verantwortlichen, der Energieeffizienzverbesserung mehr Beachtung zu schenken und Regelstrategien, wie Last- und Demand Side-Management, stärker zu forcieren.
„In den EU-Ländern mangelt es nicht an Stromkapazitäten, nur sind diese nicht da, wo sie gebraucht werden.“ Der entscheidende Vorteil von Energieeffizienzmaßnahmen sei die Reduktion von Spitzenlasten bei gleichzeitiger Verbesserung der Reservekapazitäten. Energieeffizienzmaßnahmen könnten zudem sehr wirtschaftlich realisiert werden, da hierfür weniger Infrastrukturmaßnahmen, sprich Netzausbau, notwendig seien. Auch bei künftigen Überlegungen der EU werde die Verbesserung der Energieeffizienz eine ganz wesentliche Rolle spielen, so Lowe.
Versorgungssicherheit hat Priorität
„Weiter so wie bisher geht nicht“, sagt auch Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, Bonn, und moniert den schleppenden Netzausbau und die sinkende Versorgungssicherheit in Deutschland. Speziell die Lage in Süddeutschland könnte wegen der noch fehlenden Stromtrassen zwischen Nord- und Süddeutschland in den Jahren 2014/15 kritisch werden. „Wenn die Thüringer Strombrücke bis zur Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld im Jahr 2015 nicht betriebsbereit ist, haben wir im Süden ein Netzproblem.“
Wichtig sei eine schnelle EEG-Reform, um den Ausbau von EE-Strom mit dem Netzausbau besser zu koordinieren. Auch müsse die Direktvermarktung von EE-Strom verbindlich festgeschrieben werden. „Es kann nicht sein, dass jeder nach Lust und Laune EE-Strom in das Netz einspeist“, so Homann. Nach Aussagen des Netzbetreibers 50Hertz könnte die Nord-Süd-Leitung – Investitionskosten 250 Mio. Euro – jährlich bis zu 150 Mio. Euro an Eingriffskosten in das Netz verhindern Abb. 2 .
Netz- und EE-Ausbau synchronisieren
„Bei Wind und PV war das Tempo eindeutig zu schnell, da oftmals die entsprechenden Netze fehlten“, sagt auch Stephan Kapferer, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Er plädiert deshalb für eine rasche EEG-Reform mit synchronen Ausbauprozessen. Schon jetzt sei jedoch klar, dass die EEG-Reform zu regionalen Ungleichgewichten führen wird. Betroffen von einem koordinierten Ausbau seien in erster Linie die Windenergieunternehmen an der Nordseeküste, da viele geplante und bereits in Auftrag gegebene Windparks wegen fehlender Netzanbindungen unter Umständen derzeit nicht gebaut werden können.
Erschwerend bei der Reform des EEG seien die Komplexität des Strommarktes und die vielen regionalen Interessen, die kosteneffizientere Lösungen hinauszögerten. Hohe Priorität hätte die Netz- und Speicherforschung, da damit viele Probleme gelöst werden könnten. Kapferer ist optimistisch, dass die Industrie schon bald mit innovativen Speicherlösungen auf den Markt kommen wird, die sich gleichzeitig zu einem weltweiten Exportschlager entwickeln könnten.
Die Energiewende braucht eine Wende
So paradox es klingt: Der EE-Ausbau begünstigt den Einsatz von Braunkohle- bzw. Kohlekraftwerken, die ihrerseits die Klimabilanz verschlechtern. Ursache dafür ist die Einsatzfolge (Merit Order) der Kraftwerke nach deren jeweiligen Grenzkosten. Dadurch werden alte, abgeschriebene und mit preisgünstigem Brennstoff und niedrigen CO2-Emissionskosten betriebene Kraftwerke begünstigt.
Rune Bjørnsen, Statoil, Stavanger, Norwegen, plädiert für eine Energiewende zum Erdgas, da nur so die Ziele des Klimaschutzes eingehalten werden könnten. „Wir müssen die für die Residuallast1) notwendigen Kraftwerke nach ihren CO2-Emissionen einsetzen und nicht nur nach ihren Grenzkosten.“ Langfristig sei eine Energiewende mit Erdgas wirtschaftlicher als mit Kohle, so Bjørnsen. Das derzeitige EE-Ausbautempo im Strommarkt hält Bjørnsen für riskant, denn es bedrohe die Energieversorgung im Süden Deutschlands. Gaskraftwerke könnten das Versorgungsproblem am besten lösen, allerdings nur, wenn für Investoren und Betreiber wirtschaftliche Anreize geschaffen werden.
Kraftwerksseite fordert Kapazitätsmarkt
Auch Dr. Ingo Luge, E.on Deutschland, Essen, sprach sich für eine stärkere Synchronisierung zwischen dem Zubau von EE-Strom-Anlagen und den Netzerweiterungen aus. Um Investitionen nicht zu gefährden, sei auf der Kraftwerksseite langfristig ein Kapazitätsmarkt mit einem intelligenten Ansatz notwendig. Auf absehbare Zeit könne auf konventionelle Kraftwerke nicht verzichtet werden.
Mittelfristig müsse der Netzausbau vorangetrieben werden, um die Durchleitung von Windstrom vom Norden nach Süden zu gewährleisten Abb. 3. Derzeit werde Grünstrom aus dem Norden Deutschlands in die Nachbarstaaten umgeleitet und verdränge dort den Strom aus Gaskraftwerken. Zusätzliche EE-Stromkapazitäten im Megawattbereich ohne Integration in die bestehenden Versorgungsstrukturen zuzubauen, mache keinen Sinn. Wichtig seien neue Speichertechnologien, ein aktives Energiemanagement beim Kunden und intelligente Stromnetze. Luge räumt allerdings ein, dass der flächendeckende Roll-out von intelligenten Stromzählern mangels fehlender Geschäftsmodelle derzeit noch zu teuer ist.
Anreize für Direktvermarktung schaffen
Ganz Europa und die halbe Welt schaut auf Deutschland und seine Energiewende. Diese Vorbildfunktion könnte aus der Perspektive des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Berlin, schnell verblassen, wenn die dringend notwendige Reform des EEG nicht schnellstens eingeleitet werde. Geschäftsführerin Hildegard Müller fordert eine grundlegende Änderung des Marktdesigns mit dem Ziel, den weitgehend ungesteuerten Zubau von volatilen Stromerzeugungsanlagen mit dem Netzausbau zu synchronisieren.
Wichtig seien das Absichern der Residuallast und der Einbau von Energiespeichern. Eine Möglichkeit, das Netz zu stabilisieren, seien monetäre Anreize für die Anbieter von EE-Stromanlagen, bei geringer Nachfrage keinen EE-Strom in das Stromnetz einzuspeisen, sondern den Strom selbst zu vermarkten oder selbst zu nutzen. Auch müsse der Ausbau der Offshore- und Onshore-Windparks besser mit dem Netzausbau koordiniert werden, um die Einspeisung von Wind zu verstetigen. Gleichzeitig verringere sich dadurch der Bedarf an teurer Speicherkapazität. Auch der Wärmemarkt müsse besser in die Energiewende integriert werden, denn die bisherigen Aktivitäten konzentrierten sich fast ausschließlich auf den Strommarkt.
Wärmespeicher mit Heizstäben
„Man hat die Komplexität der Energiewende unterschätzt.“ Diese Bewertung von Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der N-Ergie AG, Nürnberg, zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Eine wichtige Rolle in der Energiewende komme den bestehenden und derzeit in Neugründung befindlichen Stadtwerken zu, da diese Strom und Wärme lastnah erzeugen und die Interessen der Kommunen und nicht die von Investoren und ihren Anteilseignern vertreten. Auch Hasler plädiert dafür, den weiteren EE-Ausbau stärker an die Anforderungen des Strommarkts anzupassen und den Grünstrom möglichst regional und zeitnah zu vermarkten bzw. an der tatsächlichen Nachfrage auszurichten, beispielsweise durch Preissignale. Dadurch ließe sich der Bedarf an Ausgleichsenergiekapazitäten reduzieren.
Ein wesentlicher Baustein der Energiewende sei die Kraft-Wärme-Koppelung, die derzeit rund 19 %2) an der Nettostromerzeugung aus regelbaren Anlagen ausmache. Eine Studie von Prognos im Auftrag von AGFW und BDEW prognostiziert sogar einen KWK-Anteil an der regelbaren Erzeugung im Jahr 2030 von 30 bis 46 %, bis 2050 sogar von bis zu 60 %. Wichtig für die Bedarfsanpassung seien stromgeführte KWK-Anlagen, die den Grünstrom regional in das Energiesystem integrieren. Dazu sei es notwendig, die kommunalen Wärme- und Kältenetze weiter auszubauen und diese mit ausreichend Wärmespeicher zur Unterstützung des stromgeführten Betriebs auszurüsten. Zusätzlich könne durch die Kombination aus Elektroheizern und Wärmespeichern die Wirtschaftlichkeit von KWK-Anlagen verbessert werden. Überschüsse des Regelenergiemarkts könnten damit direkt genutzt werden Abb. 4. Hasler: „Es ist besser mit Überschussstrom zu heizen, als KWK-Anlagen abzuregeln.“
Ausbau der Wärmespeicherkapazität
Wärme ist im Gegensatz zu Strom schon heute gut speicherbar. Deshalb sollte dem Wärmemarkt bei der Integration von konventioneller und erneuerbarer Energie mehr Beachtung geschenkt werden. Für Dr. René Umlauft, Vorstandssprecher MAN Diesel & Turbo, Augsburg, begünstigt die Energiewende dezentrale Kraftwerke in der Bauart von BHKW. Diese seien flexibler, ließen sich modular einsetzen und hätten bessere Teillastwirkungsgrade als zentrale Kraftwerke.
Außerdem könne bei dezentralen KWK-Lösungen Strom und Wärme lastnah erzeugt werden. Zur weiteren Flexibilisierung und Stabilisierung der Energieversorgung seien sowohl Speicher für Wärme als auch für elektrische Energie notwendig. Durch die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme seien Gesamtnutzungsgrade von 85 bis 90 % erreichbar. Unverzichtbar sei der Ausbau der Speicherkapazitäten auf der Wärmeseite. Überschüssigen Windstrom könne man am besten durch Verfahren wie Power-to-Liquid, Power-to-Gas Abb. 5 und Power-to-Heat umwandeln, um ihn an anderer Stelle und zu einer anderen Zeit zu nutzen.
Stadtwerke suchen TGA/SHK-Partner
Mit Energiedienstleistungen, Beratung und neuen innovativen Produkten wollen Energieversorger und Stadtwerke den schrumpfenden Commodity-Markt kompensieren. Als Commodities (austauschbare wirtschaftliche Güter) gelten im Energiebereich austauschbare Produkte wie Strom, Erdgas, Telekommunikation und zum Teil auch Fernwärme. Um sich von anderen Commodity-Anbietern abzusetzen, sollen diese Standardangebote durch zusätzliche Dienstleistungen und innovative Produkte und Systeme „veredelt“ werden. Die zukünftigen Handlungsfelder für Stadtwerke sieht Dr. Dieter Steinkamp, Rheinenergie AG, Köln, Stadtwerke Köln, im EE-Ausbau, in der Bereitstellung der Residuallast aus konventionellen Kraftwerken, in Dienstleistungen rund um das Thema Energieeffizienz sowie in Smart-City-Konzepten, das heißt, in intelligent vernetzten Strukturen zwischen Energieanbietern (erneuerbar, konventionell), Energienutzern und E-Mobility.
Bei den erneuerbaren Energien setzt Rheinenergie künftig auf Onshore-Lösungen wie Biogasanlagen, PV-Anlagen, Onshore-Windparks und Holz-Heizkraftwerke. Bei den konventionellen Kraftwerken geht es in erster Linie darum, deren Effizienz mittels Kraft-Wärme-Kopplung zu steigern und das Fernwärmeangebot auszubauen bzw. vorhandene Gebiete zu verdichten. Zusätzlich soll die Kraft-Wärme-Kopplung auch in Nahwärmesystemen stärker forciert werden. Ebenso will Rheinenergie auch Programme zur Förderung von Mikro-KWK-Anlagen und Brennstoffzellen-Heizungsanlagen auflegen.
Wichtigstes Ziel sei jedoch, die Stadtwerke als Energiedienstleister für Industrie, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Hauseigentümer fest zu etablieren. Zusammen mit Partnern aus den Bereichen Ingenieurplanung, Anlagenbau und SHK-Handwerk sollen unter Federführung von Rheinenergie bzw. der Stadtwerke Köln neue Produkte entwickelt werden. Steinkamp: „Wir können die Themen nicht alleine heben, wir brauchen dazu Kooperationspartner.“ Die Stadtwerke sollen dabei als Systemmanager für die energiewirtschaftliche Steuerung von kommunalen Netzen auftreten. Dazu gehören auch die Vermarktung dezentraler Energieerzeugungsanlagen Abb. 6, die Bereitstellung von negativer Regelenergie (Demand-Side-Management) und die Bewirtschaftung von dezentralen Stromspeichern.
Überangebote gefährden Netzstabilität
„Die Situation in den Netzen entwickelt sich dramatisch. Allein in der Tennet-Netzzone sind jährlich rund 1000 Eingriffe notwendig, um die Stromversorgung stabil zu halten.“ Laut Rudolf Martin Siegers, Siemens AG, werden sowohl Netze als auch Kraftwerke an immer mehr Tagen im Jahr durch die Energiewende überstrapaziert. So kam es am 26. August 2012 zu einem temporären Überangebot an EE-Strom, das nur über Stromexporte in die Nachbarländer abgeleitet werden konnte. Dagegen musste am 8. Februar 2012 wegen fehlender Leistung aus Windkraft und PV-Anlagen fast der gesamte Tagesbedarf durch konventionelle Kraftwerke abgedeckt werden.
Deutsche Pumpspeicherwerke könnten in einem solchen Fall allenfalls knapp eine Stunde Strom liefern, so Siegers. Er plädiert dafür, Offshore-Windanlagen weiter auszubauen, da ihre Leistungskonstanz höher als die von Onshore-Anlagen sei. Wichtig sei jedoch der Ausbau der Netze mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), denn nur so könnten große Strommengen verlustarm vom Norden in den Süden Deutschlands übertragen werden.
Die Lösung der Energiewende sieht Siegers in der Kombination aus erneuerbaren Energien und hocheffizienten, schnell reagierenden Gaskraftwerken sowie einem leistungsfähigen Stromnetz. Energiespeicher jeglicher Technologie seien derzeit noch nicht wirtschaftlich, aber auf dem Weg zur Marktreife. „Wenn wir das Kostenproblem gelöst haben, haben wir gleichzeitig einen Exportschlager, denn Stromspeicher werden in der ganzen Welt dringend gebraucht“, betont Siegers. Neben einem neuen Strommarktdesign mit einer regional effizienten und am technologischen Fortschritt orientierten Förderung weist Siegers auch auf die bislang eher ungenutzten Energieeffizienzpotenziale hin. Hier gebe es noch erheblichen Nachholbedarf. Auch Siegers plädiert dafür, EE-Strom ohne die entsprechende Nachfrage im Netz künftig nicht mehr zu vergüten.
Zunächst Energiesparpotenziale nutzen
Brauchen wir den EE-Ausbau überhaupt in der geplanten Dimension? Ist es nicht sinnvoller, zunächst die Energieeffizienzpotenziale der bestehenden Versorgungsstrukturen besser zu nutzen, um dann gezielt und koordiniert den Ausbau von erneuerbaren Energien und Hocheffizienz-KWK-Anlagen und intelligenten Stromnetzen voranzubringen? Stefan Wenzel, Umweltminister Niedersachsen, Hannover, geht davon aus, dass 40 % der heute eingesetzten Primärenergie durch Energieeffizienzmaßnahmen eingespart werden kann; in Haushalten sei sogar eine Halbierung des Stromverbrauchs möglich.
Wichtig bei der Reform des EEG ist für Wenzel der bevorzugte Einsatz energieeffizienter Gaskraftwerke und nicht von Braunkohle- bzw. Kohlekraftwerken. Was die wirtschaftliche Einschätzung von Offshore- und Onshore-Windkraftanlagen anbelangt, so plädiert Wenzel für „ehrlichere Zahlen“, meint aber, wir brauchen beide Standorte, um die Energiewende voranzubringen. Um den Ausbau von Offshore-Windanlagen abzusichern, müsse vermehrt das Speicherpotenzial von Pumpspeicherwerken in Nordeuropa genutzt werden, das heißt, überschüssiger Windstrom sollte zu Wasserstrom umgewandelt werden.
Thesen als Ausblick
- Strom zu Wärme, neudeutsch Powerto-Heat, ist im Rahmen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien kein Tabu mehr.
- Was im großen Stil bei Heizkraftwerken funktioniert, könnte künftig auch bei MikroKWK-Anlagen und BHKW eine ernstzunehmende Option sein. Durch Elektrodenkessel und Heizstäbe lässt sich die Strom- und Wärmeerzeugung entkoppeln und damit die Stromproduktion erhöhen.
- Dem schrumpfenden Markt für Commodities begegnen Stadtwerke und Dienstleister mit innovativen Dienstleistungen und Produkten. Mangels eigenen Personals wird eine Zusammenarbeit mit TGA-Planern, Anlagenbauern und SHK-Fachfirmen angestrebt.
- Das Einspar- und Effizienzpotenzial des Wärmemarktes im Rahmen der Energiewende gilt als unterbewertet.
- Für wärmetechnische Effizienzmaßnahmen sind keine periphere Infrastrukturmaßnahmen, beispielsweise Netze, notwendig. Einsparerfolge stellen sich unmittelbar ein.
- Viele Effizienzmaßnahmen sind auch ohne Förderung wirtschaftlich. Allerdings bedarf es einer besseren und kontinuierlichen Informationspolitik.
- Der Gebäudesektor, und hier insbesondere die Wohngebäude, bieten sehr hohe, leicht zu realisierende Energieeinsparungen und Energieeffizienzverbesserungen. Bei der Hochrechnung von Einsparmöglichkeiten wird jedoch meist der sogenannte Rebound-Effekt außer Acht gelassen. Wer in Effizienzmaßnahmen investiert, verbraucht anschließend meist mehr Energie (als geplant bzw. nötig) aus dem Gefühl heraus, etwas für die Umwelt getan zu haben.
- Geschäftsmodelle mit zeit- und lastvariablen Stromtarifen lassen auf sich warten. Die Versorger zögern deshalb den Roll-out von Smart Metern weiter hinaus. Smart-Grid-ready-Wärmepumpen sind derzeit eher ein Geschäftsmodell für den Verleiher des Gütezeichens und weniger für den Käufer. •
1) Residuallast (lat. residuum „Rest“): Nachgefragte Leistung abzüglich der fluktuierenden Einspeiser aus nicht steuerbaren Kraftwerken, zum Beispiel Windkraft- und PV-Anlagen.
2) Ziel der Bundesregierung und des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes ist es, den KWK-Strommengenanteil an der gesamten Stromerzeugung bis 2020 auf 25 % zu steigern. Dieses Ziel wird oft als kaum noch erreichbar bewertet. Die letzte, gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung hatte ergeben, dass der KWK-Anteil an der gesamten Stromerzeugung von 2002 bis 2010 um 1,5 % auf 15,4 % gestiegen ist.
Im Kontext
Power-to-Heat muss wirtschaftlich und auch ökologisch sein.
Ob die TGA/SHK-Branche es will oder nicht, die Umwälzungen im Stromsektor haben inzwischen einen maßgeblichen Einfluss auf ihre Geschäfte. Strom dominiert die öffentliche Energiewendedebatte, der Wärmemarkt schafft es trotz seiner Schlüsselfunktion nur selten auf die Tagesordnung. Die attraktive EEG-Vergütung für Photovoltaik-Anlagen hat lange Zeit privates Kapital gelenkt und dafür gesorgt, dass Kleinanlagen künftig ohne diese Vergütungsgarantie wirtschaftlich sind (Webcode 551117). Steigende Strompreise machen kleine BHKW-Anlagen attraktiver, die Wirtschaftlichkeit von Wärmepumpen wird hingegen belastet und die Solarthermie droht durch die Eigen- und Heizstromkonkurrenz in die Nische zurückzufallen.
Eine positive Kopplung von Wärme- und Strommarkt hat die Branche verpennt. Nach einer Vereinbarung aus dem Jahr 1999 zwischen dem damals für erneuerbare Energien zuständigen Wirtschaftsministerium und dem Finanzministerium sollte der Anteil der Stromsteuer, der auf Strom aus erneuerbaren Energien (EE-Strom, 1999 rund 29 TWh) erhoben wird, vollständig dem Marktanreizprogramm zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt (MAP) zugutekommen und so an die Verbraucher zurückfließen. Hintergrund war, dass die Stromsteuer von 2,05 Ct/kWh generell auf verbrauchten Strom erhoben wird, an der Steckdose aber nicht zwischen konventionellem und aus erneuerbarer Energie gewonnenem Strom unterschieden werden kann. 2009 hat der Staat durch die Besteuerung von EE-Strom (95 TWh) über 1 Mrd. Euro eingenommen, 2012 wurde schon 50 % mehr EE-Strom (142 TWh) produziert. Für das MAP steht bis heute viel weniger Geld zur Verfügung, auf die Barrikaden ging die Branche trotzdem nicht.
Power-to-Heat muss sich insbesondere zwei Kriterien stellen: Unter Berücksichtigung aller Effekte dürfen die CO2-Emissionen nicht steigen und es muss wirtschaftlich für den Nutzer und auch für die Allgemeinheit sein. Die Wirtschaftlichkeit für die Nutzer würde bereits genügen, damit sich ein Markt entwickelt. Mit der momentanen Gestaltung der Strompreise ist dies für kleinere Heizungsanlagen nicht abzusehen.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner
Energiewende-Diskussion: Widersinniges und Sinnvolles
Die Energiewende droht in eine Sackgasse zu geraten. Die Liste der Widersinnigkeiten wurde auf dem 8. Deutschen Energiekongress des Süddeutschen Verlages in München um einige Punkte ergänzt. Im Rahmen der Podiumsdiskussion „Wie kann eine zukunfts- und wettbewerbsfähige Energieversorgung gelingen?“ sagte Michael Feist, Stadtwerke Hannover, dass modernste GuD-Kraftwerke aufgrund des Merit-Order-Effekts durch abgeschriebene Kohlekraftwerke verdrängt werden. Gleichzeitig fehle es an Stromleitungen zu den Windparks, um EE-Strom überhaupt ins Netz zu bringen. Völlig paradox klingt der Hinweis, dass abgeschaltete Gaskraftwerke und noch nicht ans Netz angeschlossene Windparks per Notstrom in Betrieb gehalten werden müssen, um funktionstüchtig zu bleiben.
Auch Dr. Ludwig Möhring, Wingas, Kassel, weist auf die durch das EEG ausgelöste Kettenreaktion hin: „Die Energiewende führt zu mehr Kohlestrom und damit zu höheren CO2-Emissionen. Die Energiewende richtet sich damit nicht mehr am Klimaschutz aus. Das ist grotesk!“ Ewald Woste, Thüga AG, München, fordert eine schnelle Reform des EEG mit dem Ziel, den „Subventionswahn“ zurückzudrängen und mehr Marktwirtschaft zuzulassen. Dr. Rudolf Staudigl, Wacker Chemie, München, sieht in den steigenden Strompreisen bereits Standortprobleme für Deutschland. „Die De-Industrialisierung ist schon in Gang. Wegen der günstigen Energiepreise in den USA und Kanada wende sich die Chemieindustrie bereits von Deutschland ab.“
„In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Energiewende gleichbedeutend mit einer Stromwende, bei der Licht gespart werden muss“, sagt Dr. Werner Brinker, EWE, Oldenburg. Der Erdgas- und Wärmemarkt komme in der Energiewende-Diskussion bisher viel zu kurz. Woste präzisiert dies: „Das eigentliche Energiewendeprogramm ist die energetische Gebäudesanierung. Beginnen wir einfach hier und ersetzen die alten Ölheizungen durch moderne Gasheizgeräte.“
Auch Möhring ist der Auffassung, dass das Einsparpotenzial des Wärmemarktes total unterschätzt werde: „Wir sind am Wärmemarkt noch nahe an den Werkseinstellungen.“ Feist ergänzt: „Die Energiewende im Wärmemarkt ist billiger als die Energiewende im Strommarkt. Nur darf der Staat keine Zwangsinvestitionen für Hausbesitzer verordnen. Der Heizkesselaustausch ist die wirtschaftlichste Lösung und zudem zehnmal billiger als die Wärmedämmung eines Hauses.“ Dr. Marcel Huber, Bayerischer Umweltminister, München, setzt auf mehr Information und weniger auf Förderprogramme: „Es gibt genügend Maßnahmen, die sich schnell amortisieren, beispielsweise ein Pumpenaustausch. Dazu bedarf es keiner Förderung, sondern gezielter Informationen“. Zum EEG hat Huber eine klare Einstellung: „Das Ding muss weg!“. Wichtig sei, die Thüringer-Spange zügig fertigzustellen, die Entwicklung von Speichertechnologien voranzutreiben und Anreize für Demand-Side-Management zu schaffen.
Unkonventionelle Lagerstätten gewinnen an Bedeutung
Mithilfe unkonventioneller Fördermethoden könnte Deutschland über einen Zeitraum von über 100 Jahren seinen Selbstversorgungsanteil an Energierohstoffen absichern. Nach Aussagen von Dr. Rainer Seele, Wintershall Holding, Kassel, werden derzeit die technologischen Voraussetzungen geschaffen, die heimische Förderung von Öl und Erdgas zu verbessern und bereits aufgelassene Lagerstätten mithilfe neuer Technologien nochmals auszubeuten. Besondere Hoffnungen setzt Wintershall in den Waldpilz Schizophyllum commune, ein, Zitat Wintershall, „Naturwunder aus dem Wald, das bei der Erdölförderung hilft.“ Das aus dem Pilz gewonnene Bio-Polymer dient dazu, das Lagerstättenwasser einer Ölquelle einzudicken, um dort mehr Öl aus den Poren des Trägergesteins zu verdrängen.
Die neue Fördertechnologie – sollten sich die Feldversuche in Deutschland bewähren – könnte weltweit zur nochmaligen Ausbeutung bereits leergepumpter Lagerstätten eingesetzt werden. Das bislang als Nahrungsergänzungsmittel und Verdickungsmittel in Kosmetikartikeln verwendete Bio-Polymer sei in der Lage, die heute üblichen thermischen und chemischen Flutverfahren zu ersetzen. Der Entölungsgrad von Lagerstätten ließe sich damit auf bis zu 45 % steigern, so Wintershall. Zum Vergleich: Mit den klassischen Pferdekopf-Pumpen lassen sich allenfalls 30 bis 40 % des eingelagerten Öls fördern. Seele plädiert dafür, die Versorgung mit Energie stärker zu differenzieren und durch Partnerschaften mit Norwegen und Russland abzusichern. Auch das umstrittene Fracking zur Förderung von Schiefergas dürfe nicht pauschal verboten werden, das schade dem Technologiestandort Deutschland. Denn so Seele: „Ohne die Förderung von unkonventionellem Erdöl und Erdgas wird die Energiewende unbezahlbar.“
Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de