Der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, hat nach der Bundestagswahl 2021 ein eigenständiges Bundesministerium für Bauen und Infrastruktur gefordert. Der Wohnungsbau müsse künftig einen anderen Stellenwert am Kabinettstisch bekommen.
Feiger: „Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die soziale Frage des Wohnens nicht mit einem ‚Anhängsel-Ressort‘ lösen lässt. Es ist ein großer Fehler gewesen, auf ein eigenständiges, vollwertiges Bau-Ressort innerhalb der Bundesregierung zu verzichten und den Wohnungsbau dem Organigramm des Bundesinnenministeriums anzuhängen.“
So habe es in der Amtszeit von Bundesminister Horst Seehofer (CSU) nicht etwa mehr, sondern deutlich weniger der dringend benötigten Sozialwohnungen gegeben. Feiger: „Der Schwund ist enorm: 43 000 Sozialwohnungen sind bundesweit in den vergangenen fünf Jahren vom Markt verschwunden – und zwar Jahr für Jahr.
Mittlerweile haben wir die Marke von 1,1 Mio. Sozialwohnungen unterschritten. Entsprechend haarsträubend ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt: Von zehn Mieterhaushalten, die einen Wohnberechtigungsschein bekommen könnten, hat heute nur einer die Chance, auch tatsächlich in einer Sozialwohnung zu wohnen.“ Feiger beruft sich dabei auf eine Auswertung des Pestel-Instituts (Hannover) auf der Grundlage amtlicher Statistiken. Ende der 1980er-Jahre gab es noch 4 Mio.
Zudem habe die Mietbelastung der Haushalte enorm zugenommen. So stiegen die Mieten für Neubauwohnungen in Berlin und Essen zwischen 2010 und 2020 um rund 75 %. Auch in Städten wie Braunschweig (+ 53 %) oder Dortmund (+ 62 %) mussten die Menschen für Neubaumieten beim Erstbezug immer tiefer in die Tasche greifen. Bei den Bestandsmieten gab es ebenfalls starke Zuwächse. In Gelsenkirchen etwa stiegen sie binnen zehn Jahren um 56 %, in Erfurt um 46 %. Und in Berlin forderten Vermieter bei der Wiedervermietung von Wohnungen seit 2010 bis zur Einführung des Mietendeckels über 45 % mehr Miete, so die IG BAU.
Wohnungsbau nicht als politisches Beiboot betrachten
Feiger: „Die wohnungsbaupolitische ‚Performance‘ von Bundesminister Horst Seehofer passt nicht zu den Zielen, mit denen die Bundesregierung in Sachen Wohnungsbau gestartet ist. Egal, wer ihm nachfolgt: Hier ist politisch eine Riesenbaustelle und noch viel, viel Luft nach oben.
Statt den Wohnungsbau als politisches Beiboot zu betrachten, brauchen wir in der kommenden Legislaturperiode endlich ein kraftvolles und starkes eigenes Bau- und Infrastrukturministerium. Der Wohnungsbau braucht in der neuen Bundesregierung eine andere Priorität und mehr Durchsetzungsvermögen – auch gegenüber den Bundesländern.“
Als konkretes Beispiel nennt Feiger die Förderung des sozialen Wohnungsbaus: „Es kann nicht sein, dass einzelne Bundesländer die ohnehin viel zu knappen Bundesmittel, die sie bekommen, um für mehr Sozialwohnungen zu sorgen, zur Sanierung ihrer Haushalte einsetzen.“
Mit Blick auf die Bundestagswahl 2021, appellierte Feiger an CDU und CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen sowie an die Linken, die Schaffung eines eigenständigen Bundesbau- und Infrastrukturministeriums konkret in die Bundestagswahlprogramme mit aufzunehmen. Dies wäre ein deutliches und wichtiges Signal, um dem Wohnungsbau künftig den notwendigen Stellenwert zu geben. ■
Siehe auch:
Materialengpässe und Preissteigerungen befürchtet
TGA-Themenseite Bundestagswahl 2021