Es ist natürlich gewagt, wenn man angesichts der weltweiten Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie versucht, etwas Positives an ihr zu entdecken . Über 500.000 bestätigte Infektionen weltweit (27.03.2020) und immer schneller steigende Zahlen. Tausende Tote, Kontaktverbote, Reisebeschränkungen, Ausgangssperren, ein quasi eingestelltes öffentliches Leben, angeschlagene Aktienmärkte...
Momentan ist vieles nicht mehr so, wie wir es bisher kannten und vieles so, wie es vorher nicht vorstellbar war. Ein Realität gewordener Katastrophenfilm, keine Fiktion, sondern brutale Wirklichkeit. Das Coronavirus hat die Welt in den Ausnahmezustand versetzt. Es wird uns mit drastischen Auswirkungen gezeigt, wie fragil und auch gefährlich die globalisierte Welt ist. Das Virus hat nahezu alle Grenzen auf dem Erdball in einer vorher kaum vorstellbaren Geschwindigkeit überwunden. Es wird leider noch viele menschliche Tragödien geben, das Leid wird sich vervielfachen.
Die Menschen rücken zusammen
Doch die Menschen beschäftigt noch eine andere Angst: Wie stark werden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sein: Bei großen Industrieunternehmen, Mittelstand, Handwerksbetrieben, Freiberuflern, Dienstleistern, Gastronomen, Hotelbetrieben, Fluggesellschaften und, und, und...
Die Bundesregierung hat schnell finanzielle Hilfen bereitgestellt und weitere in Aussicht gestellt, doch können sie alles abfedern und wirklich jeden rechtzeitig erreichen? Es wird wohl nicht ausbleiben, dass Menschen ihren Arbeitsplatz oder ihre bisherige Existenzgrundlage verlieren.
Niemand kann voraussagen, wie lange die Sars-CoV-2-Krise die Welt beherrschen wird und wie das Virus schlussendlich zurückgedrängt oder sogar besiegt werden kann. Wochen, Monate oder sogar Jahre könne die Pandemie lauf Experten dauern.
Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer. Die Solidarität in der Bevölkerung wächst, sie rückt im Geiste und in kleinen Taten zusammen, obwohl wir ja den direkten Kontakt zu anderen vermeiden sollen – nein müssen. „Social distancing“ ist das Gebot der Stunde. Es wird jetzt stark darauf ankommen, wie Unternehmen, Firmen und Institutionen mit der Krise umgehen. Gewinnorientierung muss jetzt etwas in den Hintergrund treten und ein menschliches Miteinander in den Vordergrund treten.
Unsere Freiheit ist eingeschränkt – und das ist gut so
Doch wie wird es nach dem noch nicht absehbaren Ende der Coronavirus-Pandemie weitergehen? In den alten Trott vor der Krise zurückzufallen, wäre der falsche Weg. Wir lernen momentan – gezwungenermaßen – die menschlichen Grundbedürfnisse neu kennen. Wir haben mehr Zeit für die Zeit geschenkt bekommen, weil bis dato als selbstverständlich geltende Freiheiten eingeschränkt sind. Plötzlich reden die Menschen weniger übereinander sondern mehr miteinander, wenn auch oft nur per Telefonie ein Gedankenaustausch möglich ist. Es werden Besorgungen für ältere Nachbarn erledigt, zahlreiche Freiwillige melden sich, wenn irgendwo Not entsteht...
Über den Sinn des Lebens nachdenken
Tatsächlich bietet der Ausnahmezustand eine große Chance, dass jeder Einzelne und die Weltgemeinschaft – Politiker und Industrieunternehmen – ihr Verhalten überdenken. Das beginnt bei Warenströmen und Konsumgelüsten. Brauchen wir rund um die Uhr Kiwis, Erdbeeren und exotische Südfrüchte im Supermarkt? Müssen wir fürs (verlängerte) Wochenende mit Billigtarifen in die Toskana jetten, statt heimische Sehenswürdigkeiten oder unsere Natur zu erkunden? Muss es eine einwöchige Familienreise mit Flug nach Dubai sein, um von dort eine Kreuzfahrt anzutreten? Müssen Unternehmen ihre Rendite steigern, koste es was wolle? Ist Wachstum wirklich das wichtigste Ziel?
Wir wurden gerade sehr abrupt und gründlich geerdet. Warum aber sollte es nicht möglich sein, wenigstens ein bisschen von dieser Erdung in das Leben nach dem Ende der Sars-CoV-2-Krise mitzunehmen. Mehr Menschlichkeit statt Ellenbogengesellschaft. Mehr miteinander, mehr füreinander. Mehr Respekt für die Natur und die natürlichen Ressourcen unserer Erde. Es ist uns allen zu wünschen.
Dietmar Stump, Worms im März 2020