Können Gebäude von selbst sparen lernen? Forscher der Empa sind davon überzeugt. In einem Experiment fütterten sie eine neue selbstlernende Heizungssteuerung mit Daten aus dem vergangenen Jahr und mit der aktuellen Wettervorhersage. Daraufhin konnte die „smarte“ Steuerung das Verhalten des Gebäudes einschätzen und vorausschauend handeln. Ergebnis: Mehr Komfort, weniger Energiekosten.
Produktionsstätten, Flughafenterminals und Bürohochhäusern werden vielfach schon heute mit automatisierten „vorausschauenden“ Steuerungen für die Heizungs- und Klimatechnik ausgerüstet. Sie arbeiten zumeist mit speziell für das Gebäude berechneten, vorprogrammierten Szenarien, hohe Energieeinsparungen sind aus Nachrüstungen und der Optimierung thermisch träger Heiz- und Kühlsysteme (z.B. Betonkerntemperierung) belegt. Für kleine Wohngebäude ist eine solche Einzelprogrammierung jedoch zu teuer bzw. unrentabel.
Einer Gruppe von Empa-Forschern gelang nun erstmals der Beweis, dass es auch einfacher geht: Die intelligente Heiz- und Kühlsteuerung muss nicht unbedingt programmiert werden, sie kann ebenso gut selbst aus den Daten vergangener Wochen und Monate das Sparen lernen. Programmierende Fachleute sind nicht mehr nötig. So soll die Spartechnik bald auch für kleine Gebäude und Wohnungen verfügbar sein.
Das entscheidende Experiment fand im Empa-Forschungsgebäude NEST statt. Die Forschungsunit UMAR (Urban Mining and Recycling) bietet dafür optimale Voraussetzungen: Eine große Wohnküche ist symmetrisch von zwei Studentenzimmern eingerahmt. Beide Zimmer sind je 18 m2 groß. Die gesamte Fensterfront schaut nach Ostsüdost – zur Vormittagssonne – hin. Die UMAR-Unit wird über eine mit Wasser durchströmte Deckenverkleidung aus Edelstahl temperiert. Die Heiz- und Kühlleistung lässt sich für die einzelnen Räume über die jeweilige Ventilstellung berechnen.
Schlauer kühlen – dank Wetterbericht
Da Projektleiter Felix Bünning und sein Kollege Benjamin Huber nicht auf die Heizperiode warten wollten, starteten sie bereits im Juni 2019 ein Kühl-Experiment. Die Woche vom 20. bis 26. Juni begann mit zwei sonnigen, aber noch relativ kühlen Tagen, dann kam ein bewölkter Tag, zum Schluss brannte die Sonne über Dübendorf, die Außentemperatur blieb knapp unter 40 °C. In den beiden Schlafzimmern sollte die Temperatur tagsüber 25 °C und nachts 23 °C nicht überschreiten. Ein herkömmliches Thermostatventil besorgte die Kühlung in einem Zimmer. Im anderen Zimmer arbeitete die experimentelle Steuerung, die Bünning und Huber mit ihrem Team entworfen hatten. Die künstliche Intelligenz war mit Daten der letzten zehn Monate gefüttert worden – und sie kannte die aktuelle Wettervorhersage von MeteoSchweiz.
Mehr Komfort mit 25 % weniger Energie
Das Ergebnis fiel überaus deutlich aus: Die intelligente Heiz- und Kühlsteuerung hielt sich deutlich genauer an die Komfortvorgaben und brauchte hierfür rund 25 % weniger Energie. Dies lag vor allem daran, dass am Vormittag, wenn die Sonne in die Fenster schien, vorausschauend gekühlt wurde. Das mechanische Thermostat im Zimmer gegenüber reagierte hingegen erst dann, „wenn die Temperatur durch die Decke ging“: Zu spät, zu hektisch und mit voller Leistung. Im November 2019, in einem kühlen Monat mit wenig Sonne, viel Regen und Wind, haben Bünning und Huber das Experiment wiederholt. Schon vor dem Abschluss der Auswertung war sich Bünning sicher, dass die vorhersagende Heizungsregelung auch hier gepunktet hat.
Er und sein Team haben bereits den nächsten Schritt vorbereitet: Um das System im realen Umfeld zu testen, haben sie einen Feldversuch in einem Mehrfamilienhaus mit 60 Wohnungen geplant. Vier der Wohnungen werden mit der intelligenten Heiz- und Kühlsteuerung ausgerüstet. Bünning: „Ich glaube, dass neue, auf Machine Learning basierende Regler eine riesige Chance sind. Mit dieser Methode können wir mit relativ einfachen Mitteln und den gesammelten Daten eine gute, energiesparende Nachrüstungslösung für bestehende Heizungen konstruieren.“ ■