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- Die TGA für die neue Konzernzentrale der Deutsche Börse AG wurde besonders sorgfältig geplant und auf Basis von Verbrauchs- und Lastprofilen der bisher genutzten Immobilien dimensioniert.
- Trotzdem gab es anfangs deutliche Abweichungen zwischen geplantem und tatsächlichem Bedarf, ebenso konnten die in der Planung abgeschätzten Verbrauchswerte in den ersten Betriebsmonaten nicht erreicht werden.
- Nach dem Vorliegen der ersten Verbrauchsdaten wurde (planmäßig) ein Energiemanagement gestartet.
- Auf dieser Basis und alle sechs Wochen stattfindenden Energiegipfeln wurden z. B. Sollwerte neu festgelegt, die Steuermatrix der Erzeuger angepasst und zahlreiche Optimierungen vorgenommen, mit denen die Energiekosten signifikant verringert und die Energieverbräuche deutlich unter das Niveau vergleichbarer Gebäude gesenkt wurden.
Im November 2010 zog die Deutsche Börse von ihrem bisherigen Standort in der Finanzmetropole Frankfurt am Main in den Vorort Eschborn um. Die neue Konzernzentrale – der 90 m hohe Komplex The Cube Abb. 1 – besteht aus zwei sich gegenüberliegenden L-förmigen Hochhäusern, die auf 21 Stockwerken über insgesamt knapp 62 000 m2 Bruttogeschossfläche verfügen.
Für das Gebäude wurde von den Fachplanern ein maßgeschneidertes Energiekonzept auf Basis von Verbrauchs- und Lastprofilen der bisherigen Immobilien der Börse entwickelt. Der integrale Planungsansatz, der in der Konzeptphase der Planung zwar etwas mehr Zeit in Anspruch nahm, hat sich durch einen kosten- und energieeffizienten Betrieb bereits vielfach wieder amortisiert.
Der Ansatz des Energiekonzeptes Abb. 2 ist die Deckung des ganzjährig hohen Kältebedarfs durch zwei Absorptionskältemaschinen. Da damit auch während des Sommers Wärmeenergie zu Kühlzwecken benötigt wird, bestand eine ideale Ausgangslage für den Einsatz der Kraftwärmekopplung. Die Börse ist mit den beiden installierten Blockheizkraftwerken (BHKW) in der Lage, neben einem Großteil der Wärme auch mehr als die Hälfte des eigenen Strombedarfs selbst zu erzeugen – für insgesamt 2700 Arbeitsplätze.
Für die Ausarbeitung der Regelung fanden in der Konzeptphase der Planung etliche Besprechungen zwischen dem zukünftigen Mieter und den Gebäudeautomationsexperten von Sauter statt. Thomas Meisegeier von Sauter: „Dabei wurden die Regelungsstrategien bereits im Detail besprochen und auf Kundenwünsche sowie maximale Energieeffizienz angepasst.“ So wurden beispielsweise die Wärmerückgewinnung und die Luftbefeuchter für die Zu- und Abluft schon von Beginn an mit optimierten Regelungsstrategien gesteuert.
Energiemanagement-Meetings
Das Kontrollzentrum für die umfangreiche Anlagentechnik bildet die Gebäudeautomation von Sauter mit 45 000 Datenpunkten einschließlich Energiemanagementsystem (EMS) zur Datenerfassung von insgesamt 400 Zählern. Die gewünschte Verbrauchskontrolle wird durch die fortlaufende Auslesung der Zähler über M-Bus durch das EMS erreicht.
Die EMS-Möglichkeiten – Alarmierung, Reporting und Auswertung der Verbräuche – sind Grundlage von internen Besprechungen zum Anlagenbetrieb und die Vorher-Nachher-Vergleiche umgesetzter Optimierungen. Dies geschieht im Rahmen der Energiemanagement-Meetings, die seit 2010 in einem sechswöchigen Zyklus mit allen Verantwortlichen durchgeführt und zur Definition, Abstimmung und Weiterverfolgung von Aufgaben genutzt werden.
„Die Gruppe Deutsche Börse engagiert sich umfassend für den Umweltschutz. Ein wichtiger Bestandteil sind dabei auch die fortlaufenden Energiemanagement-Meetings, mit denen wir für einen optimalen Gebäudebetrieb im Cube sorgen wollen“, erklärt Thomas Schramm vom Facility Management der Deutsche Börse AG die Hintergründe dieses Vorgehens.
Eine kontinuierliche Vorgehensweise ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg der Optimierung. Aufgrund des komplexen Zusammenspiels der Anlagentechnik sowie des engen Wärme- und Kälteverbunds lassen sich Optimierungspotenziale nicht immer auf den ersten Blick erkennen.
Im Cube sind neben den beiden gasmotorischen BHKW mit jeweils 844 kWel und 842 kWth einschließlich Notkühler sowie den beiden Absorptionskältemaschinen auch ein Brennwert- und ein Niedertemperaturheizkessel mit insgesamt 2336 kWth, eine zentrale Solarkollektoranlage, zwei Kompressionskältemaschinen, vier Rückkühlwerke mit Freikühlmöglichkeiten und ein Zortström-Wärmeverteiler, der hydraulisch Wärmeerzeuger und -abnehmer miteinander verbindet, installiert. Schramm: „Da die enorm hohen Anforderungen einer LEED-Platin-Zertifizierung erfüllt werden sollten, sind zwar viele dieser Anlagen im Vorfeld theoretisch optimiert worden. Allerdings ist dies nur bis zu einem gewissen Grad im Vorhinein möglich. Die restliche Arbeit muss im Betriebsalltag erledigt werden.“
Herausforderungen der Einregulierung
Trotz sorgfältiger Planung hat sich die erwartete zukünftige Steigerung des IT-Kältebedarfs im Alltag der Börse nicht bewahrheitet. Ein nicht unwesentlicher Grund hierfür ist die allgemeine Entwicklung der IT-Technik zu mehr Energieeffizienz, die in der Konzeptphase noch nicht abzuschätzen war.
Dadurch sind die zur Kälteerzeugung eingesetzten Maschinen Abb. 3 nun deutlich überdimensioniert. Die ursprünglich angedachte Regelungsstrategie führte zu einem stark taktenden und damit relativ ineffizienten Betrieb. Die vorhandenen Speichervolumina auf der Kälte- sowie der Heizungsseite stellten sich in Relation zur Größe der Erzeugungseinheiten als zu klein heraus. Das Zeitverhalten der Systeme ist dadurch hochdynamisch. „Aus diesem Grund mussten gerade zu Beginn erhebliche regelungstechnische Schwierigkeiten überwunden werden“, berichtet Meisegeier.
Die Gebäudeautomation und die Regelung sind leistungsstark und durch die freie Programmierbarkeit äußerst flexibel. Dieser Flexibilität sind nur dann Grenzen gesetzt, wenn Maschinen und Anlagen bauseits mit einer eigenen Regelung ausgeführt sind – was in The Cube bei einigen Anlagen der Fall ist. Die Möglichkeiten der Gebäudeautomation sind hier auf die Erteilung der Betriebsfreigabe reduziert.
Weder ein Eingriff in die Einstellungsparameter, noch eine Analyse und Optimierung des Betriebs anhand der Auswertung von Trenddaten sind möglich. Zum Abändern von Parametern ist meist der Wartungsdienst notwendig, die Einleitung eines detaillierten Optimierungsprozesses ist äußerst aufwendig und wirtschaftlich meist nicht darstellbar. Um im Bereich der Verbrauchsanalyse nicht an Grenzen zu stoßen, wurde die vorhandene Verbrauchserfassung über das EMS weiter ausgebaut. Während sich anfangs ca. 55 % des Stromverbrauchs detailliert zuordnen und damit analysieren ließen, ist dies nach der Installation weiterer Zähler nun für etwa 88 % möglich.
Kontinuierliches Energiemanagement
Nach den ersten Betriebsmonaten und den ersten vorliegenden Verbrauchsdaten konnte das aktive Energiemanagement im Frühjahr 2011 beginnen. Schnell zeigte sich, dass die in der Planung abgeschätzten Verbrauchswerte in der Praxis nicht erreicht werden. Ursache dafür waren aber auch die um 150 bis 200 % längeren Nutzungszeiten des Gebäudes, beispielsweise in Etagen, die mit klimatisierten „Händlertischen“ ausgestattet wurden, sowie veränderte Anforderungen, die einen direkten Vergleich der Verbrauchswerte verhinderten.
Um den Energieverbrauch zu reduzieren, wurde zunächst mit einer ganzheitlichen Analyse aller Medien beziehungsweise Energieträger begonnen. Aufbauend auf der Verbrauchsbasis wurden von KFR-Consult anschließend Einsparmöglichkeiten erarbeitet.
Im ersten Schritt wurde die Steuermatrix der Erzeuger angepasst: „Dabei handelt es sich um einen aufwendigen und andauernden Prozess, dessen Erfolg oder Misserfolg sich erst in der Beobachtung von Betrieb und Verbrauch zeigt“, erläutert Meisegeier. Zudem wurden die Sollwerte in der Kälteversorgung – Raumsollwerte sowie Systemtemperaturen – angehoben und sichergestellt, dass sämtliche Pumpen nur nach Bedarf betrieben werden.
Außerdem stellten die Verantwortlichen, soweit möglich, sukzessive von konstanten auf variable Massenströme um und definierten die Systemtemperaturen so, dass ein maximaler Erzeugungswirkungsgrad erreicht werden konnte. Dies kommt auch dem Einsatz der freien Kühlung zugute, deren Deckungsanteil nun 25 % an der gesamten erzeugten Kälteenergie ausmacht. Die Verbrauchswerte im Jahr 2014 bestätigen diese Vorgehensweise; die Maßnahmen führten gemeinsam zu einer Reduktion des Kälteverbrauchs um knapp 40 %.
Optimierter Einsatz der BHKW
Darüber hinaus musste die Betriebsweise der beiden BHKW Abb. 4 überdacht werden, da die im ursprünglichen Betrieb häufigen Starts einen hohen Verschleiß bedeuteten, der das Wartungsintervall verkürzt.
Verschiedene Maßnahmen wurden zur Verbesserung der Betriebsweise umgesetzt. Die Rangfolge der Wärme- und Kälteerzeuger wurde umstrukturiert, sodass bei zwischenzeitlichen Spitzenlasten nicht sofort ein BHKW oder eine Absorptionsmaschine starten. Meisegeier: „Die Blockheizkraftwerke kommen nur noch bei Volllast zum Einsatz, im Teillastbetrieb wird nach der Optimierung der Brennwertheizkessel genutzt. Die Restwärme der BHKW, deren Vorlauftemperatur bei > 90 °C liegt, wird nun auch für die Warmwasserbereitung verwendet.“
Überschüssige Energie wird nach Möglichkeit in den Puffern der Sonnenkollektoren gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt zu Heiz- oder Kühlzwecken verwendet. Die etwas langwierige Einregulierung des Zortström-Verteilers Abb. 5 konnte ebenfalls erfolgreich abgeschlossen werden. Die BHKW sind durch diese Maßnahmen wesentlich besser ausgelastet. Die optimierte Betriebsweise führt zu einem ausgeglichenen BHKW-Betrieb, der es ermöglicht, mehr als die Hälfte des gesamten Gebäude-Strombedarfs selbst zu erzeugen. Nur 3 bis 6 % des BHKW-Stroms wird noch ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Die knapp 5000 MWh/a selbst erzeugten Stroms reduzieren die jährlichen Betriebskosten gegenüber einem Strombezug über das öffentliche Netz um über 500 000 Euro/a.
Ausblick
Eine Reduktion des Wärmeverbrauchs um 20 % und des Kälteverbrauchs um knapp 40 % sind die herausragenden Ergebnisse von drei Jahren aktiven Energiemanagements. Schramm: „Ohne aktives Energiemanagement wäre dieses Ziel nicht erreicht worden. Das ist besonders angesichts der sehr komplexen und im Hinblick auf die Wärme- und Kälteerzeugung stark verzahnten Anlagentechnik ein Erfolg.“ Erfahrungen aus anderen Gebäuden zeigen sogar, dass die Entwicklung eher gegenläufig ist, wenn kein Energiemanagement aktiv betrieben wird. So sind die erzielten Einsparungen sogar noch deutlich höher zu bewerten.
Die Grundsteine für die Energie- und Kosteneffizienz des Gebäudes The Cube wurden in der Planung gelegt, darunter das Energiekonzept mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, die sehr gut gedämmte Gebäudehülle und die leistungsfähige Gebäudeautomation mit EMS. Meisegeier: „Würde man das Gebäude nochmals bauen, würde man wahrscheinlich einige der Erzeuger in der Leistung kleiner wählen und die Energiebereitstellung modular aufbauen. Damit wäre eine optimale Betriebsweise auch im Teillastbetrieb einfacher umzusetzen und die Effizienz noch etwas höher.“
Im Großen und Ganzen passt aber alles: Die Verbräuche, Energiekosten und Emissionen des Gebäudes sind deutlich niedriger als in vergleichbaren Bürogebäuden. Das Energiekonzept führt außerdem zu mehr Versorgungsunabhängigkeit und zu einem reduzierten CO2-Ausstoß.
Schramm: „Um den effizienten Gebäudebetrieb langfristig sicherzustellen, werden wir auch zukünftig die Betriebsweisen der Anlagen und die damit verbundenen Verbräuche und Kennwerte kontinuierlich auswerten, beurteilen und gegebenenfalls optimieren.“ Demnächst soll auch der Volumenstrom des Heißwassers an den Absorbtionskältemaschinen variabel gestaltet und so die Temperatur im Rücklauf und damit die Notrückkühlleistung für die BHKW gesenkt werden. „Die wesentlichsten Umsetzungen sind damit gemacht und die Weichen für einen optimierten Gebäudebetrieb gestellt. Für die Zukunft besteht die Hauptaufgabe immer stärker darin, die erreichte Energieeffizienz auch bei einem sich immer wieder verändernden Gebäudebetrieb aufrecht zu erhalten“, so Meisegeier.
Wichtig für TGA-Planer, Anlagenbauer und Bauherren
TGA-Planer: Auch bei guten Planungsgrundlagen lassen sich der Leistungsbedarf und die Medienverbräuche eines Nutzgebäudes für eine längere Nutzungsperiode nicht exakt bestimmen. Über eine modulare Energiebereitstellung kann flexibel auf Abweichungen und Änderungen reagiert werden.
Anlagenbauer: Bei komplexen TGA-Anlagen ist für einen energieeffizienten Betrieb eine mehrjährige Inbetriebnahme mit Optimierungen erforderlich. Wichtige Grundlagen dafür sind eine flexibel programmierbare Gebäudeautomation, ein Messkonzept und ein Energiemanagementsystem.
Bauherren: Niedrige Energieverbräuche und -kosten lassen sich nicht allein durch ein entsprechendes Energiekonzept gewährleisten. Vielmehr ist ein kontinuierliches Energiemanagement erforderlich, über den der Anlagenbetrieb optimiert und an Nutzungsänderungen anpasst wird.
Fachsymposium am 9. November 2016 Dreiklang aus Konzept, Umsetzung und Betrieb
Am 9. November 2016 findet das Fachsymposium „Dreiklang aus Konzept, Umsetzung und Betrieb. Vision, Ziel oder Wirklichkeit?“ statt, das sich mit der Energieeffizienz der Deutschen Börse in Eschborn auseinandersetzt. Bei der Veranstaltung im Hotel Mercure FFM Eschborn Ost zeigen sechs hochkarätige Referenten auf, wie herausragende Architektur, zukunftsweisende Gebäudetechnik und Energiemanagement im Gebäudebetrieb zusammen wirken:
- Dipl.-Ing. Martin Koban, Geschäftsführer KFR-Consult GmbH: Erfahrungen mit aktivem Energiemanagement
- Dipl.-Ing. Architekt Matthias Koch, Prokurist KSP Jürgen Engel Architekten GmbH: Nachhaltigkeit in der Architektur
- Dipl.-Ing. (M.Sc.) Lutz Miersch, Office Director, Baumann Consulting, Frankfurt: Einfluss der LEED-Kriterien auf die Konzeption
- Ing. Dieter Leipoldt, Geschäftsführer Inovis Ingenieure GmbH: Zukunftsweisende Energiekonzepte
- Patrick Neu, Mitglied der Geschäftsleitung Sauter-Cumulus GmbH und Leiter Sauter Systems: Gebäudeautomation und Energiemanagement
- Marcus Pfeifer, Mitglied der Geschäftsleitung der Groß & Partner Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH: Voraussetzungen der Projektentwicklung
Weitere Informationen zum Symposium und Anmeldung: www.sauter-cumulus.de/fachsymposium und www.facility-manager.de/dreiklang