Kompakt informieren
- Die Potenziale der gewerkebezogenen Automation sind annähernd ausgeschöpft. Zusätzliche Effekte für Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz erfordern eine standardübergreifende Vernetzung.
- Für die Übertragung von Zuständen und Messwerten eignet sich besonders die batterielose Funktechnologie. Die Informationen können über die EnOcean-Technologie gewerkeübergreifend zur Verfügung gestellt werden. Die weitergehende Vernetzung erfolgt über Standards wie KNX, LON, BACnet, Ethernet/IP oder WLAN.
- Selbstlernende Systeme sind durch intelligente Algorithmen in der Lage, den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln und die Anlagen vorausschauend zu steuern. Erste Lösungen werten auch Äußerungen der Nutzer aus.
Die Automation von Heizung / Lüftung / Klima und Licht hat sich jeweils als abgegrenzter Bereich entwickelt. Die Potenziale der einzelnen Lösungen sind dabei annähernd ausgeschöpft. Heute müssen die Grenzen zwischen den Gewerken aufgelöst werden, um unterschiedliche Steuerungen zu einem intelligenten Gesamtsystem zu verbinden. Erst durch eine standardübergreifende Vernetzung lassen sich zusätzliche Effekte für Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz erzielen.
Die Voraussetzung dafür liegt in offenen Schnittstellen, die bestehende Systeme nahtlos miteinander verbinden. Dafür müssen sich Hersteller aus ihrem Inseldenken lösen. Organisationen wie die EnOcean Alliance haben es sich deshalb zum Ziel gesetzt, Technologien zu öffnen und die Integrationshürden durch einheitliche Spezifikationen geringzuhalten. Damit bieten sie Herstellern die notwendige Grundlage, um Lösungen, die auf verschiedenen Standards basieren, zusammenzuführen.
Herstellerübergreifende Lösungen
Seit 2012 ist der batterielose Funk als offener, internationaler Standard ISO/IEC 14543-3-101) definiert, der speziell für Anwendungen mit sehr niedrigem Energieverbrauch und Energy Harvesting optimiert ist. Er deckt die standardisierten Protokoll-Ebenen Physical, Data Link und Network Layer ab. Für die Applikationsebene definiert die EnOcean Alliance einheitliche Anwendungsprofile (EnOcean Equipment Profiles, EEPs), sodass Lösungen unterschiedlicher Hersteller in einem System zusammenarbeiten können. Aktuell steht die Version EEP 2.6 zur Verfügung, die Profile für zusätzliche Anwendungen beispielsweise zur Luftgüte-Messung, für Smart Metering oder Warnsensoren abdeckt.
Allgemeine Sprache
Diese Interoperabilität hat die EnOcean Alliance mit einer generischen Sprache für batterielose Funklösungen weiterentwickelt. Generic Profiles definieren dabei allgemein gültige grammatikalische Regeln, nach denen Daten für batterielose Funkanwendungen aufbereitet werden. Mit dieser allgemeinen Sprache kann ein und dasselbe Produkt verschiedene Anwendungen abbilden. Dabei teilt es dem Empfängersystem im Einlerntelegramm seine Funktionen und das Format der Datenkommunikation selbst mit. Die Anwendung wiederum informiert den Sensor, welche Werte sie benötigt oder verarbeiten kann. Falls Geräte bidirektional arbeiten, können beide die Kommunikationsformate in einem Dialog festlegen.
Dadurch lassen sich beispielsweise Multifunktionssensoren, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Präsenz erfassen, flexibel für verschiedene Applikationen einsetzen. Der gleiche Sensor kann damit sowohl in einer kalten als auch warmen Umgebung die gewünschten Temperaturbereiche messen. Bei Bedarf lassen sich Feuchtigkeit oder auch An- respektive Abwesenheit von Personen ohne zusätzliche Sensoren in die Anwendung mit einbinden. Das erleichtert die Systemplanung und erlaubt eine spätere Funktionserweiterung ohne zusätzlichen Aufwand auf der Sensorseite.
Vernetzung der Standards
Die batterielose Funktechnologie eignet sich besonders für die Übertragung von Zuständen und Messwerten von drahtlosen Schaltern und Sensoren sowie für Aktoren. Die generierten Informationen stehen dann sowohl für die Licht-, Jalousie- oder auch die Heizungssteuerung zur Verfügung. Die weitergehende Vernetzung erfolgt jedoch nicht über den batterielosen Funk, sondern über andere Standards wie KNX, LON, BACnet, Ethernet/IP oder WLAN. Über offen definierte Schnittstellen können Gateway- und Softwareanbieter die verschiedenen Standards miteinander vernetzen.
Zur Interpretation der Daten aus batterielosen Funknetzwerken kommt eine Middleware wie EnOcean Link zum Einsatz. Sie extrahiert die Werte aus batterielosen Funktelegrammen und stellt die benötigten Daten für weiterverarbeitende Anwendungen zur Verfügung. Dabei berücksichtigt sie gleichermaßen den Protokoll-Stack des batterielosen Funks sowie die Anwendungsprofile EEPs beziehungsweise Generic Profiles.
Die Middleware Abb. 2 erhält die Sensorinformationen als UART-Datenstrom (Universal Asynchronous Receiver Transmitter) und identifiziert die Inhalte anhand des jeweiligen standardisierten Profils. Im nächsten Schritt erfüllt sie alle sicherheitsrelevanten Aufgaben, wie die Datenverschlüsselung und extrahiert anschließend die ursprünglichen Sensordaten. Danach decodiert die Software diese Rohdaten in tatsächliche Werte und stellt sie als anwendungsfertige Ausgabedaten für das weiterverarbeitende System bereit. Zudem bindet sie neue batterielose Geräte automatisch mit den entsprechenden Einlern- und Speicherinformationen ein.
Dynamischer Systemaufbau
Eine solche Vernetzung der Standards über offene Schnittstellen eröffnet neue Anwendungsszenarien in der Gebäudeautomation. Wurde bislang der Großteil der verfügbaren Informationen innerhalb eines Gewerks ausgetauscht, lässt sich der Kommunikationsfluss jetzt über die verschiedenen Teilbereiche der Gebäudetechnik hinweg nutzen. Dadurch können Systeme in Zukunft direkt und situationsunabhängig auf Sensordaten aus verschiedenen Gewerken zugreifen, darauf basierende Berechnungen durchführen und Aktoren intelligent steuern. Die dafür notwendigen Netzwerke aus Sensoren, Aktoren und Prozessoren lassen sich dynamisch nach Bedarf bilden und modifizieren.
Wiederverwendung von Daten
Die dezentral erfassten Daten sind damit nicht mehr auf lokale Anwendungen begrenzt, sondern können für unterschiedliche Applikationen wiederverwendet werden. So können zum Beispiel die Informationen von Präsenzsensoren zur Lichtsteuerung gleichzeitig als Basis dienen, die Klimatisierung zonengenau und präsenzabhängig zu steuern. Kommen Multifunktionssensoren zum Einsatz, lassen sich weitere Faktoren, wie die vorhandene Lichtintensität oder die Luftgüte, über dieselben Geräte in die Automation einbinden. Diese weiterentwickelten Paradigmen der Datennutzung legen den Grundstein zur künstlichen Intelligenz in der Gebäudeautomation.
Mit einer standardübergreifenden Architektur lassen sich darüber hinaus zusätzliche Funktionen umsetzen, beispielsweise Cloud-basierte Datenspeicherung und -verarbeitung sowie mobiler Fernzugriff auf die Informationen über mobile Endgeräte. Die Vorteile einer solchen Vernetzung sind dabei vielfältig. Zum einen stehen dem System mehr Informationen zur Verfügung. Das ermöglicht eine präzisere Analyse der Ist-Situation anhand verschiedener Parameter und damit auch eine genauere Steuerung, die vorhandene Gegebenheiten und den tatsächlichen Bedarf besser berücksichtigt.
Zentrale Steuereinheiten führen die verschiedenen Daten zusammen und steuern Aktoren basierend auf einem durch Sensoren gemessenen Ist-Zustand und einem vorgegebenen Soll-Zustand. Sie verknüpfen also die Sensoren und Aktoren miteinander zu einem integrierten Regelnetzwerk. Diese Steuereinheiten können physisch lokal vorhanden sein oder virtuell durch eine bestehende Infrastruktur umgesetzt werden.
Hohe Flexibilität durch Cloud-Dienste
Insbesondere bei daten- oder rechenintensiven Anwendungen beziehungsweise Situationen, in denen die Anforderungen an die Speicherung und Verarbeitung von Daten stark schwanken, kann die Zentralisierung oder Auslagerung der Verarbeitungs- und Speicherressourcen, also der Steuereinheit, auch an Cloud-basierte Dienste erfolgen Abb. 3. Die Informationen werden in externen Rechenzentren zentral verarbeitet. Danach leiten Gateways die entsprechenden Befehle oder Informationen zu den jeweiligen Sensoren und Aktoren im System weiter.
Der entscheidende Vorteil des Internet-basierten Ansatzes liegt in der hohen Flexibilität. So lassen sich verschiedene Cloud-Dienste für den individuellen Bedarf nutzen, ohne dass die Rechenleistung vor Ort zur Verfügung gestellt werden muss. Zudem lässt sich das System später auch einfacher mit neuen Funktionen erweitern. Für den sicheren Datentransfer sorgen Verschlüsselungs- und Authentifizierungsverfahren.
Intelligente und selbstlernende Systeme
Je enger die verschiedenen Gewerke miteinander verzahnt sind, desto besser kann sich das System auf sich verändernde Situationen einstellen und entsprechend reagieren oder anhand eines wiederkehrenden Musters bereits vorab die optimalen Einstellungen wählen. Ziel ist es, dass der Mensch so wenig wie möglich eingreifen muss. Zwar gibt er Sollwerte vor, das System soll sich jedoch selbstlernend an verschiedene Parameter anpassen können. Intelligente Algorithmen nutzen dabei die erfassten Daten, um den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln und mit vorgegebenen Werten in Einklang zu bringen.
Anhand der Heizungssteuerung lässt sich das gut verdeutlichen. Intelligente Systeme wie alphaEOS Abb. 4 verfügen über Algorithmen, die Aufheiz- und Abkühlvorgänge analysieren und dadurch die bauphysikalischen Eigenschaften eines Gebäudes bestimmen können. Auf Basis dieser Informationen kann die zentrale Steuerung die Heizstrategie ohne gebäudespezifische Programmierung optimieren. Gleichzeitig können lokale Wetterdaten über einen Cloud-Service und die Personenanzahl in einem Raum einbezogen werden, um die tatsächlich benötigte Energie für eine optimale Aufheizphase zu bestimmen.
In öffentlich genutzten Gebäuden ebenso wie in der privaten Wohnungswirtschaft lässt sich über den Tagesverlauf ein deutliches Nutzungsmuster der Räume erkennen. Diese regelmäßig auftretenden Schwankungen dienen Lösungen wie en:key Abb. 5 dazu, die Aufheiz- und Abkühlungsphasen zeitlich an den Rhythmus der Gebäudenutzung anzupassen.
So existiert in den Büroräumen bereits zu Arbeitsbeginn die gewünschte Komforttemperatur. Dadurch wird weder unnötig Energie durch eine zu frühe Aufheizphase verschwendet, noch der Komfort der Nutzer durch eine zu späte Aktivierung der Heizung eingeschränkt. Feuchtigkeitssensoren liefern zusätzliche Daten, um in den Phasen der abgesenkten Raumtemperatur ein Maximum an Energieeinsparung zu gewährleisten, ohne dass Feuchtigkeitsschäden entstehen können. In einem integrierten System fließen alle diese Informationen in die Heizungssteuerung für eine optimale, auf verschiedene Kriterien abgestimmte Raumtemperatur, ein.
Optimierte Steuerung in Echtzeit
Je stärker sich bestehende Systeme öffnen, desto eher bereiten sie den Weg für eine gewerkeübergreifende Datennutzung. Erste Lösungen gehen in der intelligenten Vernetzung deshalb schon einen Schritt weiter: Neben der Anzahl der Personen in einem Raum berücksichtigen sie Äußerungen wie „hier ist es aber warm“, „die Luft ist feucht“ oder „das Licht blendet“. Diese situationsabhängigen, nicht vorhersehbaren Parameter bringen sie in Einklang mit den gemessenen Sensordaten sowie vordefinierten Werten und berechnen in Echtzeit die jeweils optimale Steuerung. Es entsteht eine Balance zwischen dem aktuellen Komfort der Nutzer und der Energieeinsparung.
VDMA-Fachverband AMG Wachstumsmarkt Gebäudeautomation
Der deutsche Markt für Gebäudeautomation ist 2013 um 2,3 % auf rund 1,5 Mrd. Euro gewachsen. Erwartet hatte die Branche ein Plus von bis zu 3 %.
Das Systemgeschäft wuchs 2013 um knapp 4 %. „Das ist ein klares Zeichen, dass die Integration der Gewerke an Bedeutung gewinnt“, sagt Michael Schmidt, Vorsitzender des Vorstands des VDMA-Fachverbandes Automation und Management für Haus und Gebäude im VDMA (AMG). Im Vergleich zum Systemgeschäft verlief das Produktgeschäft verhaltener.
Die Umsätze der Branche entwickeln sich aber stabil. Rückläufigen Preisen im Produktgeschäft stehen steigende Mengen gegenüber. Auf einer längeren Zeitachse entwickelt sich die Branche kontinuierlich nach vorne. Schmid: „Für 2014 prognostiziert der Fachverband AMG anhand der Erwartungen der Bauwirtschaft ein Wachstum von bis zu 4 % im Bereich Gebäudeautomation.“
Potenzial gibt es auch noch beim Energieeinspar-Contracting, hier blieb 2013 der Markt insgesamt schwach. Trotz intensiver Bemühungen der Industrie, das Finanzierungsmodell voranzutreiben, kam Contracting auch bei öffentlichen Aufträgen nicht stärker zum Einsatz.
In China, Indien und Russland ist die Nachfrage nach Gebäudeautomation groß. Entsprechend wuchsen die Märkte dort 2013 deutlich. In Europa zeigten die Märkte in den letzten Monaten eine stabile Entwicklung, die allerdings laut Fachverband AMG noch weit von einem Aufschwung entfernt ist. http://www.vdma.org/amg
Andreas Schneider
ist Chief Marketing Officer der EnOcean GmbH, https://www.enocean.com/de/