Kompakt informieren
- Um am wachsenden Smart-Building-Markt teilzuhaben und einen Nutzen für die eigenen Geschäftstätigkeiten zu generieren, können sich TGA-Fachplaner als Know-how-Träger und Integrator positionieren.
- Spezifisches Fachwissen für die TGA-Planung im Bereich Smart Building ist bisher nur sehr eingeschränkt in den Unternehmen vorhanden und wird meist durch einige wenige spezialisierte, lokale Planungsbüros abgedeckt.
- Im Rahmen des Forschungsprojekts SmartBuilding wurde die Erschließung des Geschäftsfelds Smart Building aus unternehmensstrategischer Sicht erarbeitet. Das Ergebnis ist ein dreistufiges Vorgehen, das bei der Erschließung des Geschäftsfelds unterstützt und Unternehmen der TGA-Branche als Handlungsleitfaden dient.
In einer gemeinsamen Umfrage des Forschungsinstituts für Rationalisierung e. V. an der RWTH Aachen (FIR) und des International Performance Research Instituts (IPRI) wurde u. a. die zukünftige Relevanz verschiedener Akteure innerhalb der TGA-Branche für den Bereich Smart Buildings erhoben. Das Ergebnis zeigt es deutlich: Innerhalb der Branche wird die zukünftige Relevanz von General- bzw. Fachplanern als sehr hoch (66 %) eingeschätzt. Übertroffen wurde diese in einer Auswahl von elf Akteuren lediglich von Unternehmen der Gebäudeautomation (67 %) bzw. von Softwareanbietern und IT-Systemintegratoren (85 %).
Die steigende Relevanz von Planungstätigkeiten begründet sich aus der steigenden Komplexität von TGA-Komponenten, deren gewerkeübergreifender Interaktion und Abhängigkeit sowie deren zunehmender Anbindung an gebäudetechnische Leitsysteme des Facility Managements. Nicht zuletzt ein Blick auf die steigende Anzahl von integrativen Leitsystemen großer Hersteller, beispielsweise Schneider Electric, Spie oder Johnson Controls bestätigt diesen Trend.
Somit steht unweigerlich die Frage im Raum, wie sich TGA-Fachplaner positionieren können (müssen), um an dieser Entwicklung teilzuhaben und einen Nutzen für die eigenen Geschäftstätigkeiten zu generieren. Die Antwort erscheint dabei so trivial wie sie gleichfalls komplex ist: Als Know-how-Träger und Integrator.
Spezifisches Fachwissen für die TGA-Planung ist im Bereich Smart Building bisher nur sehr eingeschränkt in den Unternehmen vorhanden und wird meist durch einige wenige spezialisierte, lokale Planungsbüros abgedeckt. Ein umfassendes Wissen über die aktuelle technologische, politisch-regulatorische und marktseitige Entwicklung ist in den Unternehmen oft nur wenig bis gar nicht oder nur personenspezifisch vorhanden.
Eine unternehmensstrategische Auseinandersetzung oder gar Umsetzungsplanung vor dem Hintergrund Smart Building ist in vielen kleinen und mittelständischen Planungsunternehmen schlichtweg nicht vorhanden. Des Weiteren spielt das Thema Integration eine wesentliche Rolle. Die Interaktion verschiedener Gewerke bedingt für die Planungsunternehmen ein breiteres Fachwissen in Bezug auf die Wechselwirkung einzelner Komponenten, deren Steuerung sowie deren Integration in ein ggf. einheitliches Leitsystem.
Wegbereiter für das Smart Building
Der Entwicklungsschritt für die TGA-Fachplaner, hin zu einem Wegbereiter des Smart Buildings, ist für die Unternehmen jedoch keinesfalls trivial und mit einem Transformationsprozess verbunden, welcher in Bezug auf die eingesetzten zeitlichen, personellen und finanziellen Mittel aktiv organisiert werden muss.
Im Rahmen des Forschungsprojekts SmartBuilding, durchgeführt durch das FIR und IPRI, unter Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi)1), wurde dieser Transformationsprozess untersucht und damit übergeordnet die Erschließung des Geschäftsfelds Smart Building aus unternehmensstrategischer Sicht erarbeitet. Das Ergebnis ist ein dreistufiges Vorgehen, welches bei der Erschließung des Geschäftsfelds systematisch unterstützt und für Unternehmen der TGA-Branche als Handlungsleitfaden dient. Die einzelnen Entwicklungsschritte zeigt Abb. 2.
Definition des Begriffs Smart Building
Bevor detaillierter auf die einzelnen Schritte eingegangen wird, soll die bereits eingangs erwähnte definitorische Unschärfe des Begriffs Smart Building aufgelöst werden. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Definitionen recherchiert und in der folgenden Definition konsolidiert:
„Ein Smart Building ist ein Zweckgebäude, das aktiv gesteuert, dessen physische wie digitale Infrastruktur vollständig integriert und dessen Nutzung in Bezug auf Zuverlässigkeit, Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit optimal gestaltet ist.“
Die Definition stellt dabei insbesondere in Bezug auf die vollständige Integration der physischen wie digitalen Infrastruktur die höchste Ausbaustufe des intelligenten Gebäudes dar. Sie dient somit als Vision und Zielbild für die zukünftige Entwicklung. Darüber hinaus sind die Nutzungsdimensionen Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund einer sich zunehmend verschärfenden Kostendiskussion dem Thema Kosteneffizienz nachgeordnet. Im Folgenden werden die einzelnen Entwicklungsschritte thematisiert und kurz vorgestellt.
Strategische Positionierung im Geschäftsfeld Smart Building
Zunächst gilt es durch die Analyse der eigenen Unternehmenssituation und der -umwelt die aktuelle Positionierung als TGA-Fachplaner transparent zu machen. Unterstützende und bewährte Methoden sind dabei beispielsweise die SWOT- oder Szenario-Analyse. Beide ermöglichen aufgrund ihrer generischen Ausrichtung sowohl eine Betrachtung der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten als auch die Betrachtung externer Faktoren wie technologische oder politisch-regulatorische Entwicklungen oder das Verhalten von Konkurrenten oder branchennahen Akteuren.
Aufbauend auf einer transparenten Situation über die eigene Unternehmensposition gilt es, die zukünftige Positionierung zu definieren. Hilfreiche Leitfragen sind dabei vor allem solche einer nutzerzentrierten Natur, die die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt stellen. In Anlehnung an Gassmann et al. [1] sind dies exemplarisch:
- Wer sind unsere Zielkunden heute und in Zukunft?
- Was für Planungsleistungen wollen wir zukünftig unseren Kunden anbieten?
- Welchen Nutzen/Wert liefern wir dadurch unseren Kunden?
- Wie stellen wir diese Leistungen her?
- Welche strategischen Partnerschaften mit anderen Unternehmen unterstützen diese Entwicklung?
Darüber hinaus haben sich weitere Werkzeuge wie der Business Model Canvas [2] als Möglichkeit zur Strukturierung des bestehenden und zukünftigen Geschäftsmodells in vielen Branchen und Unternehmen etabliert. Dabei erfolgt die Gestaltung des Geschäftsmodells anhand von neun Segmenten: Wertversprechen, Kundenbeziehung, Kundengruppen, Schlüsselpartner, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselressourcen, dem Erlös- sowie dem Umsatzmodell. Eine weiterführende Beschreibung sowie Templates und Hinweise zur Anwendung des Business Model Canvas sind kostenfrei im Internet zu finden [3].
Kompetenzaufbau und Barrieren im Transformationsprozess
An die Analyse und Beschreibung des zukünftigen Geschäftsmodells schließt sich die Bewertung der eigenen Kompetenzen und deren bedarfsgerechte Erweiterung an. Im Rahmen des Forschungsprozesses wurde dazu ein „Smart Building Competence Screening“ entwickelt, welches die entscheidenden Kompetenzen und Fähigkeiten in den Kategorien
- Business-Domänenwissen,
- Storytelling-Fähigkeiten,
- Modellierungs- und Analyse-Fähigkeiten,
- Data-Engineering-Fähigkeiten und
- Informatik-Fähigkeiten
zusammenfasst. Für eine detaillierte Ausführung zum „Smart Building Competence Screening“ wird an den im Herbst 2017 erscheinenden Abschlussbericht verwiesen. Weitere Informationen sowie der Abschlussbericht sind dann hier zu finden [4].
Neben dem Aufbau personenindividueller Kompetenzen für spezifische Funktionen ist die Entwicklung, hin zum Planungsunternehmen für das digitalisierte Gebäude, jedoch auch mit zahlreichen Barrieren verbunden. Im Rahmen der eingangs erwähnten Studie wurden Barrieren insbesondere in der ausreichenden Qualifikation und im Aufbau von Know-how von Mitarbeitern und Kunden gesehen sowie eine ausreichende Unterstützung der Geschäftsführung und der Führungskräfte.
Dagegen wurden finanzielle Möglichkeiten und auch die notwendige Technologiereife nicht als maßgebliches Hemmnis von den Umfrageteilnehmern eingestuft. Als Erfolgsfaktoren wurden vielmehr eine konsequente Ausrichtung der Unternehmensstrategie auf das Thema Smart Building genannt sowie die Öffnung nach außen, beispielsweise für strategische (Entwicklungs-)Partnerschaften, Kooperationen und Innovationswettbewerbe.
Agiles Projektmanagement und Steuerung
Ist die strategische Ausrichtung definiert – und sind ggf. notwendige Kompetenzen der Mitarbeiter aufgebaut und mögliche Barrieren durch geeignete Maßnahmen reduziert oder aufgehoben – gilt es durch ein geeignetes Projektmanagement den Aufbau des Geschäftsfeld Smart Building zu erschließen und zu steuern.
Dazu eignen sich insbesondere agile Projektmanagementmethoden. Also Methoden, die entgegen einer Wasserfalllogik wie im konventionellen Projektmanagement auf die iterative Erarbeitung in kurzen Zyklen, sogenannten Sprints, setzen. Dabei werden die gesamten Anforderungen des Projekts in kleine, handhabbare Teilstücke zerlegt.
Zahlreiche Studien bestätigen dabei den Erfolg agilen Projektmanagements. So werden beispielsweise unternehmensübergreifende Faktoren, wie eine bessere Wirtschaftlichkeit und die bessere Anpassung an Veränderungen sowie auf Projektebene eine höhere Transparenz und ein geringeres Risiko der Zielerreichung genannt [5].
Darüber hinaus gilt es, den Aufbau neuer Planungsdienstleistungen im Bereich Smart Building zielgerichtet zu steuern. Bewährte Instrumente sind dabei bspw. die Balanced Scorecard. Das Konzept reduziert die Komplexität auf die vier wesentlichen Perspektiven Finanzen, Prozesse, Potenziale und Kunden. Dabei werden neben klar zu definierenden Zielen jeweils eine Kennzahl zur Messung der Zielerreichung herangezogen sowie ein Zielwert und geeignete Maßnahmen zu deren Erreichung definiert. Die Steuerung erfolgt somit für den Aufbau neuer Planungsdienstleistungen strukturiert und transparent und liefert exakte Kenngrößen zur Zielerreichung.
Die genannten Entwicklungsschritte unterstützen Akteure innerhalb der TGA-Branche aktiv im Aufbau des Geschäftsfelds Smart Building. Sie dienen dabei als Leitfaden, um den Transformationsprozess aktiv und erfolgreich zu gestalten. Dieser Weg bietet für die Fachplaner die Möglichkeit, neue Planungsdienstleistungen anzubieten und sich als kompetenter Ansprechpartner für ihre Auftraggeber zu positionieren.
Ohne Zweifel: Eine kurzfristige Abkehr vom Status quo für Planungsstandards und der verbauten Komponenten wird sicherlich nicht über Nacht geschehen. Dennoch gilt es für die TGA-Fachplaner, die Weichen zu stellen, um im Wettrennen um das intelligente Gebäude nicht abgehängt zu werden.
Literatur
[1] Gassmann, O.; Frankenberger, K.; Csik, M.: Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. München: Carl Hanser Verlag, 2013
[2] Osterwalder, A.; Pigneur, Y.; Wegberg, J.: Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Frankfurt: Campus Verlag, 2011
[3] Business Model Canvas – Grundlagen und Templates, www.startplatz.de/startup-wiki/business-model-canvas , aufgerufen am: 30.06.2017
[4] Forschungsprojekt SmartBuilding – FIR, www.fir.rwth-aachen.de/forschung/forschungsprojekte/SmartBuilding-18858-n , aufgerufen am: 30.06.2017.
[5] VersionOne: The 11th Annual State of Agile Report. Atlanta: VersionOne Inc.m, 2017
Fußnoten
1) Das IGF-Vorhaben 18858 N der Forschungsvereinigung FIR e. V. an der RWTH Aachen, Campus-Boulevard 55, 52074 Aachen, wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Boris Alexander Feige
studierte Wirtschaftswissenschaften und Luft- und Raumfahrttechnik. Seit 2013 ist er am FIR e. V. an der RWTH Aachen tätig. Dort baut er als stellvertretender Bereichsleiter den Bereich Business Transformation auf und beschäftigt sich intensiv mit Initiierungsstrategie der digitalen Transformation sowie der Entwicklung von Digitalisierungsstrategien. www.fir.rwth-aachen.de