Kompakt informieren
- Die klassischen Gebäudeautomationssysteme werden sich langsam verabschieden. Internet-basierte Systeme dringen weiter vor, trotz der oft noch fehlenden Sicherheitskultur.
- Schlagworte wie Cloud-Lösung und Big Data suggerieren enorme Wachstumsraten für „Connected Buildings“. Durch die Umwandlung dieser Massendaten in Nutzen stiftende Informationen erhofft sich die Branche neue Geschäftsfelder, möglicherweise auch neue Geschäftsmodelle rund um den Gebäudebetrieb.
- Eher unterschätzt werden dabei sicherheitsrelevante Aspekte sowie das juristische Neuland, denn noch ist nicht geklärt, wem die Gebäudedaten gehören, wie ein Nutzungsrecht aussehen könnte und inwieweit Komponentenhersteller in die Datennutzung einbezogen werden können.
- Insbesondere Produktionsbetriebe werden wenig Interesse am Data-Mining durch Dritte haben.
Der Markt für Gebäudemanagementsysteme der Kategorie „Connected Buildings“ wird künftig zweistellig wachsen und Honeywell Building Solutions (HBS) strebt an, die Marktführerschaft zu übernehmen. Gerald Gumprecht Abb. 2, Geschäftsführer HBS, Offenbach, sieht in der Entwicklung zu IT-vernetzten intelligenten Gebäuden auf der Basis von Cloud-Lösungen und Nutzen stiftenden Informationen aus Massendaten des Gebäudebetriebs – Fachsprech: Internet of Things – eine herausragende Ausgangsposition für sein Unternehmen.
Weltweit habe HBS bereits über 10 Mio. Gebäude mit sogenannten „Smart Devices“ ausgerüstet. Ziel sei, in diesem Bereich einen vergleichbaren Stellenwert wie Apple in der mobilen Kommunikation einzunehmen. Der Schlüssel zu diesem Markt sei eine offene Software-Plattform für die gewerkeübergreifende Gebäudeintegration, die intuitive Installation und Bedienung der Systeme mit Real-Time-Zugriff auf Daten sowie deren automatisierte Auswertung und Analyse.
Dabei werde HBS am Markt als eine Art „kleiner Generalübernehmer“ auftreten, wobei der Schwerpunkt auf komplexeren Projekten liege. Das Implementieren kleinerer Objekte komme mehr den Systemhäusern zu, so Gumprecht.
Mehr Kostentransparenz
Für Joachim Frosch, JEF-Automation, Altdorf, Spezialist für ganzheitliches Energiemanagement, gibt es eindeutige Triebkräfte, die den Markt für integrierte Gebäudeautomations(GA)-Systeme künftig positiv beeinflussen. So seien in Deutschland rund 75 % der etwa 1,5 Mio. Nichtwohngebäude energetisch sanierungsbedürftig. Deren Einsparpotenzial liege bei durchschnittlich 45 %, das entspreche 5 bis 7 Mrd. Euro/a geringeren Energiekosten.
Aktuell gehe man davon aus, dass weniger als 40 % der Nichtwohngebäude mit GA-Systemen ausgestattet sind. Typisch sei zudem, dass die vorhandenen GA-Systeme oft nicht professionell betrieben und die auflaufenden Daten meist ungenutzt abgelegt werden.
Grundsätzlich sei das fachliche Niveau in der Gebäudebewirtschaftungsbranche eher sinkend, zumal aktuell viele fachlich versierte Anlagenbetreiber in den Ruhestand gingen und keine Nachfolger verfügbar seien. Unter diesem Aspekt sei es wichtig, künftig leistungsfähigere und einfach zu bedienende GA-Systeme einzubauen. Als weitere Leistungsmerkmale künftiger Gebäudekonzepte nennt Frosch unter anderem:
- Verzicht auf proprietäre Systeme zugunsten offener Standards
- Einsatz IT- und nutzerfreundlicher Web-Technologie
- einfache Erweiterbarkeit bei Nutzungsänderungen und Technologiewandel
- einheitliche, gewerkeübergreifende Bedienung
- energetisches Zusammenspiel auf Raumebene zwischen Klimatechnik, Beleuchtung und Beschattung
- systemübergreifende Last- und Energieoptimierung
- einheitliches Alarm- und Störfallmanagement
- automatisierte Reports
Den geringen Stellenwert der Gebäudeautomation bei den Betreibern führt Frosch auf unzureichende Ausschreibungen, die Vergabe an den günstigsten Anbieter und die oft mangelhafte Ausführung ohne Übergabeprotokoll zurück. „Erwartung und Realität liegen in dieser Branche weit auseinander. Komplexe Aufgabenstellungen lassen sich damit nicht lösen.“
Frosch ist überzeugt, dass sich künftig Web- und IT-basierte Systeme in der Gebäudeautomation durchsetzen werden. Auch Cloud-Lösungen mit ausgelagerter Hardware und Abrechnung über die Zeit der Nutzung hätten gute Chancen am Markt.
Wichtiger als neue Technologien sei jedoch, mithilfe von Energiemanagementsystemen für mehr Transparenz bei den Energie- und Betriebskosten von Gebäuden zu sorgen Abb. 3. In anderen Ländern hätte sich beispielsweise die Betreiberstrategie „kontinuierliche Betriebskostensenkung“, englisch „continuous commissioning“, deutlich stärker als in Deutschland durchgesetzt. Wichtig sei es, die heute noch übliche Gewerketrennung zu überwinden und integrierte, synergetische Lösungen zu implementieren.
„Industrie 4.0 gewaltig im Vormarsch“
Früher gab es genug Personal, jedes Gewerk mit einem individuellen System und eigener Management-Software für MSR, Einbruchmeldung, Zutrittskontrolle, Videoüberwachung und Brandmeldung auszustatten. „Die Herausforderung ist, dass GA-Systeme immer mehr Daten produzieren, aber für die Bedienung immer weniger qualifiziertes Personal zur Verfügung steht“, sagt Michael Wanka, Vertriebsleiter HBS.
Deshalb sei die Zeit reif für vollintegrierte Systeme Abb. 4. „Vorbild für die neue Generation der Gebäudemanagementsysteme sind die Entwicklungen bei Industrie 4.0, die aktuell einen gewaltigen Schub erleben“, betont Wanka. „Wichtig ist, dass die IT hinter den Systemen reibungslos funktioniert und die Sicherheit der Systeme gewährleistet ist.“
Treibende Kraft für integrierte GA-Systeme sei die Sicherheitsbranche aufgrund der veränderten Sicherheitslage. Dabei gelte es beispielsweise, die Auswertungsprozesse effizienter zu gestalten anstatt noch mehr Überwachungskameras zu installieren Abb. 5. Cloud-Lösungen seien hier weit effektiver als die vor Ort installierte Hard- und Software, so Wanka. „Fortschritte in webbasierter Datenverarbeitung werden eine sichere Remotespeicherung für Sicherheitsanwendungen ermöglichen.“
Ein typisches Beispiel aus der Praxis sei das Smartphone in seiner Funktion als Benutzerausweis und zur Identifikation für gebäudetechnische Systeme, wie Zutrittskontrolle oder Raumautomation. Zur Verbesserung der Sicherheit gelte es, mehrere partielle Berechtigungsnachweise analytisch zu fusionieren, beispielsweise Gesichtserkennung, Verhaltensbiometrie, Stimmbiometrie, RFID, QR-Code und NFC / BLE (Bluetooth Low Energy / Near Field Communication).
Nach Einschätzung von HBS könne allein durch die Integration von Gebäudesystemen sowie die intelligente Vernetzung von Komponenten zum Internet der Dinge die Energie- und Betriebseffizienz von Gebäuden um 20 bis 30 % verbessert werden. Wichtig sei, die in integrierten Systemen anfallenden komplexen Massendaten (Big Data) mittels intelligenter Gebäudeautomation so nutzbar zu machen, dass daraus Empfehlungen und Optimierungsvorschläge generiert werden können.
Honeywell hat dazu die Command & Control Suite entwickelt, die praktisch alle in einem Gebäude vorhandenen Systeme, inklusive das Liegenschaftsmanagement, in einem System zusammenführt Abb. 4.
Selbstlernende Optimierungsstrategien
Auch wenn die Energiekosten aktuell nur gering steigen, haben Energiekostenprognosen bei vielen Unternehmen im Rahmen der Umsetzung von Energiemanagement- und Umweltvorgaben nach DIN EN 50 001 eine zunehmende Bedeutung. Der Fokus liegt des-halb auf der Integration von Zähl- und Messwerten sowie auf der Verarbeitung volatiler Energiekosten bei Erdgas, Elektrizität, Heizöl und ggf. Fernwärme bzw. Fernkälte, gepaart mit einem entsprechenden Technologie-Monitoring (Öl/Gas-Heizkessel, BHKW, Hackschnitzelfeuerung etc.).
Ulrich Schmöe, Energy Consultant Manager, HBS, warnt jedoch davor, Gebäudebetreiber mit zu vielen Daten zu belasten: „Energiemanagementsysteme dürfen nicht zum Datengrab mutieren, sie müssen handhabbar bleiben.“ Dashboards könnten dazu beitragen, Daten und Funktionen „geordnet“ mit den jeweils gewünschten Detailangaben aufzurufen. Wichtig seien automatisiert generierte, auf den Kunden bezogene zyklische Berichte.
Für Energiegroßverbraucher hat HBS das Tool VERA (Versatile Energy Ressource Allocation Tool) entwickelt, das Energiepreise in Echtzeit sowie Energieverbräuche, Steuerungs- und Regelungsparameter, Wettervorhersage und Wetterdatenmonitoring intelligent miteinander verbindet. Einen wesentlichen Fortschritt für den Gebäudebetrieb sieht Schmöe in selbstlernenden Optimierungsstrategien unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung eines Gebäudes.
Aktenordner haben ausgedient
Wer kennt sie nicht, die mit zahlreichen Bildschirmen bestückten Leitzentralen und Schrankwände voller Aktenordner mit Anlagenbeschreibungen und Wartungsanweisungen. Wehe, einer der lang gedienten Facility Manager geht in Rente und mit ihm das Know-how über die Eigenarten „seiner“ Anlagen. Nicht nur auf der Pressekonferenz von Honeywell wurde prognostiziert, dass mangels der jetzt in den Ruhestand gehenden Experten bei vielen Gebäuden ein geordneter Betrieb oft nicht mehr möglich ist.
Tobias Kalb, Leiter Außendienst HBS, gab einen Überblick, wie durch einen digitalisierten Service sichtbar bessere Ergebnisse beim Anlagenbetrieb bei verringerten Risiken generiert werden kann. Dazu zählen:
- Analysesoftware zur schnellen und umfassenden Problemlösung
- Wartungsfokus auf Anlagen und Installationen mit der höchsten Auswirkung auf den Gebäudebetrieb
- Visualisierung der Gebäude- und Wartungsleistung per Dashboard
- kontinuierliche Serviceverbesserung
- Lifecycle-Management per Risikominimierung und Kostenkontrolle durch Technologie-Roadmaps und Lifecycle-Analyse
Eine wichtige Funktion zur Erreichung komfortabler Raumtemperaturen sei beispielsweise eine App mit selektiver Zutrittsfunktion, die gleichzeitig auch personifizierte und geortete Meldungen über Temperaturwünsche an die Leitzentrale sendet.
Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de