Kompakt informieren
- Das Gebäude der Zukunft erfordert gewerkeübergreifende IT-Infrastrukturen, die für die Datenverarbeitung, die gesamte Haustechnik und Bereiche der Sicherheitstechnik eingesetzt werden können.
- Die heutige Gebäudeautomation wird durch eine selbstlernende Prozesssteuerung ersetzt, die die Optimierung bestehender Abläufe anstoßen oder sogar selbstständig umsetzen kann.
Über IT-Anwendungen kommunizieren Sensoren mit Aktoren. Heizung, Klimatisierung, Beleuchtung, Zugangskontrolle sowie Aufzugstechnik werden so flexibel gesteuert und können direkt auf die Versorgung von Arbeitsplätzen, Büros, Hotelzimmern und Wohnungen ausrichten. Unterschiedliche Nutzerverhalten und Szenarien lassen sich in kürzester Zeit an unterschiedliche Bedarfssituationen anpassen – ohne dafür gleich einen Programmierer zu beauftragen.
Informationssicherheit, Power-over-Ethernet (PoE), Beacons, Cloudservices … – wer sich mit der Gebäudeautomation (GA) der Zukunft beschäftigen will, wird heute unweigerlich mit Themen konfrontiert, die bei der Steuerung der Gebäudetechnik und der Gebäudeleittechnik (GLT) bisher nicht im Vordergrund standen. So hatten auch die sich erst orientierenden Teilnehmer der Sonderveranstaltung „IT-Infrastrukturen für das Gebäude der Zukunft“ der ComConsult Akademie viel neues Fachwissen zu verarbeiten.
Mit der gewerkübergreifenden Digitalisierung über das Internetprotokoll (Internet Protocol, IP; Netzwerkprotokoll) werden Büro- und GLT-Welten vereint. Die Nutzung der Kaffeemaschine kann über die vereinte Technik abgerechnet werden oder Gäste über einen „wegweisenden Teppich“ zum Besprechungsraum geführt werden.
Technik per HeatMap steuern
Und das Gebäude der Zukunft kann durch die Sammlung und Auswertung der anfallenden Datenmengen als Datensammler neue Geschäftsmodelle und Mehrwerte hervorbringen, war man sich in Köln und Bonn sicher. Zum Beispiel auf dem Weg zu neuen mobilen Arbeitswelten könne eine HeatMap Personenaufkommen im Gebäude analysieren und Heizung, Lüftung, Kälteerzeugung und Beleuchtung schon bevor Istwerte den Sollwerten davonlaufen bedarfsgerecht ansteuern oder Belegungspläne der Räume in Echtzeit abbilden. Intelligentes Ausfallmanagement durch Monitoringprozesse könnten Wartungszyklen vorschlagen und kritischen Verschleiß von Anlagenteilen rechtzeitig signalisieren.
Künftig stehe der Planer damit vor ganz neuen Fragen, ob er die IP-Adresse des Aufzuges logisch im Netz der Beleuchtung platzieren sollte oder welche Firewall-Regeln zwischen der Kaffeemaschine und der zentralen SAP-Datenbank einzurichten sind.
Hartmut Kell, Leiter des Competence Center IT-Infrastrukturen der ComConsult Beratung und Planung GmbH, stellte eine gewerkeübergreifende Universal-Verkabelung für ein Gebäude zur Diskussion. Grundsätzlich könnten Gebäudeplaner als Planungshilfe die Norm DIN EN 50 173 für IT-Verkabelungen verwenden. Im Überarbeitungsentwurf DIN VDE 0800-173-6 (September 2017) für DIN EN 50 173-6/VDE 0800-173-6 (Ausgabe Mai 2014) wird der Anwendungsbereich auf verteilte Gebäudedienste unter anderem Energiemanagement und Alarmierung erweitert. Unterschieden werde hierbei in Diensteverteilungsverkabelung und Versorgungsbereichsanschlussverkabelung.
Wo steht die Digitalisierung in der GA?
Klaus Dederichs, Associate Partner Drees & Sommer SE, ist sich sicher: Ein Smart Commercial Building mit nahtloser Benutzerfreundlichkeit schafft Mehrwerte für den Nutzer. Mit dem cube Berlin (www.cube-berlin.de), ein Projekt der CA Immo, Wien, („Das schlauste Gebäude Europas“) am Berliner Hauptbahnhof, werde ein zukunftsweisendes Smart Commercial Building entstehen, das alle disruptiven1) Technologien vereinigt und einen großen Nutzen für die Mieter des Gebäudes darstellt.
„Wir planen aktuell noch wie vor 25 Jahren. Beim TGA-Planer werden aber künftig neben Cyber-Security-Konzepten auch künstliche Intelligenz im Lastenheft stehen. Die Architekten sind dem Thema sehr aufgeschlossen, denn das intelligente Gebäude unterstützt den architektonischen Entwurf, kommuniziert mit den Nutzern und ermöglicht die Optimierung von Prozessen. In der Zukunft werden wir mittels App und Sprachsteuerung das Gebäude bzw. seine Funktionen bedienen und auf Bedienelemente wie Schalter verzichten können“, prognostiziert Dederichs.
„In der Gebäudeautomation werden durch disruptive Technologien selbstlernende Brain Technik (künstliche Intelligenz) und Prozesse vernetzt. Dank neuer Technologien, wie all-in Sensoren, Trackingsysteme, EnOcean-Funktechnologien, Beacon-Steuerung, BIM-Anwendungen etc. wird die künftige BACnet-Welt mitdenken und ohne Schalter oder proprietäre Bussysteme auskommen. Einfach nachgerüstet ermöglichen sie eine neue interaktive Gebäudetechnik. In der Folge werden kabelgebundene Fühler, KNX und Co. nur noch geringfügig, etwa für Smart-Home-Anwendungen, benötigt“, beschreibt Dederichs.
So beschreibt Dederichs, was Gebäude der Zukunft leisten können und müssen: „Mithilfe von Sensoren Big Data alleine zu besitzen, bringt keine Vorteile. Erst die Datenauswertung und ihre Anwendung können einen Mehrwert für das Unternehmen generieren. Unsere heutigen Gebäude leisten das nicht, denn sie haben lediglich eine Gebäudeautomation und Gebäudeleittechnik, die bestimmte Hardwaresysteme miteinander verknüpft. Eine Prozesssteuerung ist mit dieser Systematik nicht möglich. Ein sogenanntes Gehirn eines Gebäudes stellt hingegen etwas Neues dar und kann als selbstlernendes System die Optimierung bestehender Abläufe anstoßen oder sogar selbstständig umsetzen.“Uwe Manzke, Berlin
Fußnoten
1) Duden: „ein Gleichgewicht, ein System o. Ä. zerstörend“. Wikipedia: Eine disruptive Technologie (englisch to disrupt „unterbrechen“) ist eine Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängt (abgerufen am 14. November 2017).
" class="chapter-heading">Veranstaltungs-Tipp
Die Themenwelt IT-Gebäudeautomation gewinnt weiter an Fahrt. Die ComConsult Akademie plant am 28.02. und 01.03.2018 in Bonn eine weitere, zweitägige Veranstaltung zum Thema „IT-Infrastrukturen für das Gebäude der Zukunft“: Welchen Infrastruktur-Bedarf erzeugt das Gebäude der Zukunft? Wie erfolgt eine effiziente, flexible und Gewerke-übergreifende Infrastruktur-Planung? Wie setzen Mehrwert-Dienste in einzelnen Gewerken auf die Basis-Schicht von Infrastruktur auf? www.comconsult-akademie.de
“Neue Anwendungsfelder durch intelligente GLT“
Teilnehmer der Veranstaltung „IT-Infrastrukturen für das Gebäude der Zukunft“ Dirk Heimberg, im IT-Infrastrukturbereich für den Neubau der Universitätsmedizin Göttingen unterwegs, sieht die kommenden Herausforderungen in der modalen Planung von TGA und IT.
Manzke: Herr Heimberg, wie dicht war die Veranstaltung an der Praxis bzw. wie dicht ist die Praxis am beschriebenen Gebäude der Zukunft?
Heimberg: Die gelungene Veranstaltung fasste alle wichtigen technischen Details für unseren Klinikneubau zusammen. Damit die Mehrwerte der gegenwärtigen Technik und künftige Technologiesprünge in der Informations- und Telekommunikationstechnik realisiert werden können, setzten wir bereits in der Planung auf eine Zusammenführung der TGA und der IT. Nach unserer Überzeugung ist IT heute die maßgebliche Grundlagentechnologie, auf deren Basis ehemals vollkommen getrennte technische Infrastrukturen untereinander vernetzt werden.
Im Krankenhausbetrieb ist eine deutliche Vernetzung und technologische Konvergenz von Zentral-IT, Medizintechnik, Gebäude- und Anlagentechnik (Heizung, Klima, Lüftung, Beleuchtung, Funk- und Infrarotfernbedienungen, Verbrauchsdatenerfassung von Zählern, Laststeuerung, Multimediaraumsteuerung), Arbeitsplatzversorgung (inklusive VoIP, Videokommunikation, Computer Telephony Integration) sowie Sicherheitstechnik (Überwachung, Zugangskontrolle, Bewegungsmelder) zu verzeichnen.“
Manzke: Was war besonders interessant?
Heimberg: Die Vielfalt der angesprochenen Themen. Ich würde mir wünschen, dass vieles davon künftig noch stärker in den Fokus der Fachplaner gerät.
Manzke: Was sind im Krankenhaus weitere Treiber für ein Zusammenwachsen von TGA und IT?
Heimberg: Die Kernprozesse der Krankenversorgung sind nicht mehr nur direkt von den Systemen der Zentral-IT abhängig, sondern auch indirekt, über implizite IT-Abhängigkeiten medizintechnischer und gebäudetechnischer Anlagen. Unter anderem wird auch die Kommunikation zwischen den Sensoren/Aktoren und einer Steuerungsinstanz zu einem zentralen Baustein in der Funktionsfähigkeit des Krankenhausbetriebs. Durch eine intelligente GLT ergeben sich neue Anwendungsfelder.
Begründet in meiner Herkunft als Planer von Kommunikationsinfrastrukturen, ist es aus meiner Sicht essenziell, dass für die Herausforderung der Informationssicherheit in „Gebäuden der Zukunft“ die sicheren und mandantenfähigen IT-Netze im Access- und Rechenzentrumsbereich als Vorbild genutzt werden.
Manzke: Vielen Dank für das Gespräch.