Ein Haus, das mehr Strom erzeugt, als seine Bewohner verbrauchen – für solche Plusenergiehäuser gibt es schon viele Beispiele. Studierende der Technischen Universität München (TUM) und der University of Texas at Austin (UTA) gehen jetzt einen Schritt weiter: Sie entwerfen und bauen ein Plusenergiehaus, das fast vollständig aus nachhaltigen Materialien besteht und Wasser effizient aufbereitet. Mit dem NexusHaus 1 treten sie als einziges Team mit deutscher Beteiligung im US-Wettbewerb Solar Decathlon 2015 an.
Das Konzept hat einen konkreten Hintergrund, denn wie Austin entwickeln sich viele Städte im Süden der USA: Die Bevölkerung wächst rapide. Bezahlbarer Wohnraum ist entsprechend knapp, insbesondere für Singles, Familien oder Geringverdiener. Eine Möglichkeit, die Zahl günstiger Wohnungen zu erhöhen, ist die Nachverdichtung: die Errichtung von Häusern auf bereits bebauten Grundstücken. Solche „Accessory Dwelling Units“ sind allerdings auf die bereits vorhandene Infrastruktur angewiesen und stellen die ohnehin prekäre Strom- und Wasserversorgung vieler amerikanischer Städte auf eine Belastungsprobe.
Studierende der TUM und der UTA 2 entwickeln nun ein Haus, das kostengünstig ist und dabei zentrale Kriterien der Kreislaufwirtschaft (cradle-to-cradle) erfüllt: Es deckt den Strom- und Wasserbedarf der Bewohner weitgehend selbst ab und besteht zum Großteil aus nachwachsenden beziehungsweise wiederverwendbaren Materialien. Das NexusHaus (Walkthrough-Video: www.bit.ly/tga1035) ist als eingeschossiger Pavillon konzipiert: Wohn- und Schlafbereich sind eigenständige Einheiten und modular nebeneinander angeordnet. Verbunden werden sie durch den „Nexus“ – ein zusätzlicher Raum, der je nach Bedarf als Wintergarten, überdachte Terrasse oder vergrößertes Wohnzimmer dient. Er sorgt zudem für angenehme Temperaturen: im Sommer als Teil des Lüftungssystems, im Winter als Puffer zwischen Außen- und Innenluft.
Das Wort „Nexus“ im Konzept steht aber nicht nur für den Verbindungsraum zwischen Wohn- und Schlafmodul. Es bezeichnet auch die Einbindung von Energie- und Wasserversorgung in das Wohnumfeld: Über PV-Module auf dem Flachdach gewinnt das NexusHaus so viel Strom, wie seine Bewohner für Beleuchtung, Haushaltsgeräte und ein Elektrofahrzeug benötigen. Für die Klimatisierung wird ebenfalls Solarstrom verwendet. Damit wird in Kombination mit einer Wärmepumpe der Wasserkreislauf gekühlt oder erwärmt. Ein thermisches Speichersystem verschiebt die Kühlung aus den Spitzenzeiten in die Nachtstunden mit geringerem Bedarf. Die Haustechnik wird über ein von den Studierenden entwickeltes Home-Management-System gesteuert.
Auch den Wasserbedarf der Bewohner soll das NexusHaus weitgehend selbst decken: Dafür wird Regenwasser in großen Speichertanks gesammelt und mithilfe eines Filtersystems auf Trinkwasserqualität aufbereitet. Die Studierenden untersuchen zudem neue Konzepte für „urban farming“, die Nahrungsmittelproduktion in der Stadt. Für die Bewässerung des Gartens wird das Wasser aus Waschmaschine, Waschbecken und Dusche genutzt. Zudem wird in einem Aquaponiksystem das Kondenswasser der Klimageräte aufbereitet: Das Wasser dient dabei zur Bewässerung von Nutzpflanzen. Speisefische liefern durch ihre Fäkalien die Nährstoffe für das angebaute Obst und Gemüse. Die Pflanzen filtern das Wasser und erhalten so den Lebensraum der Fische. Der Wasserbedarf aus dem öffentlichen Netz wird so deutlich reduziert. Auch das Grundwasser wird geschont – ein wichtiger Aspekt in einer Klimaregion, in der seit fünf Jahren die schwerste Dürre der vergangenen Jahrzehnte herrscht.
Seit März führen die Nachwuchsarchitekten in Austin erste Bauarbeiten am NexusHaus durch. Bis zum Sommer errichten sie die Wohn- und Schlafmodule und testen die Energie- und Wasserversorgung. Anschließend wird das Haus nach Irvine, Kalifornien, transportiert. Dort findet ab dem 8. Oktober 2015 das Solar Decathlon-Finale statt.