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- Nur ein sehr kleiner Teil von etwa 10 % der Heizungsanlagen in Deutschland ist hydraulisch abgeglichen.
- Für den Sanierungsmarkt wichtige Förderprogramme haben den Hydraulischen Abgleich als Förderkriterium.
- Vielfach haben sich Eigentümer und Mieter an einen Energieverbrauch gewöhnt und stellen ihn nicht infrage.
- Bei der Heizungsoptimierung ist die Absenkung der Vor- und Rücklauftemperatur ein wichtiger Faktor. Ohne Hydraulischen Abgleich passiert das Gegenteil.
Rund 90 % aller Heizungsanlagen in Deutschland arbeiten weniger effizient als es möglich wäre, weil sie nicht hydraulisch einreguliert sind. Dieser Mangel wird häufig mit zwei zusätzlichen Fehlern kaschiert, weil sonst nicht in allen Räumen eine Mindest-Raumtemperatur erreicht würde: Die Leistung der Umwälzpumpe wird erhöht und/oder die Vorlauftemperatur angehoben. Beschweren sich die Nutzer, werden nur selten die Mängel abgestellt, im „Normalfall“ wird die Vorlauftemperatur weiter angehoben. Mit teuren Folgen: Der Energieverbrauch steigt – ohne einen Nutzen zu erzeugen. Im Gegenteil: In den überversorgten Räumen sinkt die Regelgenauigkeit, Wärmeüberschüsse werden abgelüftet.
Damit eine Heizungsanlage effizient arbeitet, ist der Hydraulische Abgleich die wichtigste Voraussetzung. Doch Endkunden wissen oft nichts von dieser Maßnahme, und viele Handwerker tun sich mit der vermeintlich komplexen Berechnung schwer, die richtige Empfehlung wird so viel zu selten ausgesprochen. Wenig förderlich ist auch die Situation in vermieteten Gebäuden, wo die Heizkosten in der Regel direkt an den Mieter weitergegeben werden. In Regionen mit hoher Wohnungsnachfrage besteht für Vermieter deshalb kaum ein Anreiz, Maßnahmen zur Energieeinsparung vorzunehmen.
Günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis
Bernd Scheithauer, Danfoss, Gründer und Autor des Internetportals http://www.hydraulischer-abgleich.de, wies auf die große Bedeutung des Hydraulischen Abgleichs für die Energiewende und Kosteneinsparungen hin: „Als essenzieller Baustein zur energetischen Systemoptimierung kann er theoretisch sofort flächendeckend umgesetzt werden und verfügt über ein unschlagbar günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis.“ Für Handwerker sei es wichtig, die Systemzusammenhänge bei jedem Haus individuell zu berücksichtigen, um den Hydraulischen Abgleich fachgerecht durchzuführen. Deshalb müsse jede Komponente einer Heizungsanlage einer Prüfung und gegebenenfalls Anpassung unterzogen werden.
Scheithauer: „Der Hydraulische Abgleich bedeutet nichts anderes, als dass „die richtige Wassermenge zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.“ Auf http://www.hydraulischer-abgleich.de vermittelt er das nötige Grundlagenwissen. Darüber hinaus stellt Danfoss verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, beispielsweise eine Datenscheibe zur Ermittlung der Herzkörperthermostat-Voreinstellwerte unter definierten Bedingungen oder die DanBasic-Software, mit der detaillierte Berechnungen durchgeführt werden können. Heizungsfachleute können auf http://www.dancademy.de Abb. 2 auch kostenlos Online-Kurse absolvieren, um sich fit für den Hydraulischen Abgleich zu machen. Das Angebot verzeichnete in den letzten zwei Jahren über 7000 Nutzer.
Heizkosten werden kaum hinterfragt
Wie groß die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist, schilderte Thomas Schönhoff vom Ingenieurbüro Prof. Dr. Loose, Berlin, anhand von Beispielen aus seinem Berufsalltag. „Wir werden erst gerufen, wenn nichts mehr funktioniert, obwohl meistens schon seit Jahren Handlungsbedarf besteht.“ Bei Altbauten würden die Heizkosten selbst bei extrem hohen Ausgaben nicht infrage gestellt, weil sich der Verbrauch in 40 Jahren nie geändert hat. Schönhoff hat aber oft festgestellt, dass er auch genauso lange unnötig viel zu hoch war. Geht etwas kaputt, würden in der Regel nur einzelne Komponenten ausgetauscht, ohne das Gesamtsystem zu überprüfen.
Nach Schönhoffs Einschätzung sind viele Faktoren dafür verantwortlich, dass es hinsichtlich der Heizungsoptimierung im Gebäudebestand nicht vorangeht, obwohl Produkte und Lösungen existieren. So verfüge die Gebäudewirtschaft nicht über die nötigen Fachkenntnisse, während Heizungsbauer aus Angst vor möglichen Reklamationen die Anlagenteile bei Reparaturen lieber überdimensionieren, anstatt zu optimieren. Auch dass die Vorschriften der EnEV nur für den Neubau gelten, stelle für Sanierungen ein Problem dar. „Allerdings können zu viele gesetzliche Zwänge auch nicht die Lösung sein, stattdessen sollte man auf Aufklärung und Anreize setzen“, schränkte Schönhoff ein. Hier sei auch die Industrie gefragt, Kommunikationslösungen zu entwickeln, um Handwerker und Endkunden gleichermaßen zu sensibilisieren.
Wichtig: Das Temperaturniveau senken
Auch Dr. habil. Joachim Seifert von der TU Dresden wies auf die große Bedeutung des Hydraulischen Abgleichs hin. Seinen Untersuchungen zufolge lassen sich im Einfamilienhaus Energieeinsparungen von bis zu 10 % erzielen, bei größeren beheizten Flächen und ausgedehnten Leitungssystemen könne dieser Wert sich noch erhöhen. Wichtig sei vor allem, das Temperaturniveau der Bestandsanlagen zu senken. Selbst die Solltemperaturen einer fachgerecht eingestellten Heizkurve seien für fast alle Stunden der Heizperiode viel höher als tatsächlich erforderlich. Auch neue Thermostate liefern seinen Forschungen zufolge einen wichtigen Beitrag: „Sehr alte Thermostate durch neue zu ersetzen, kann allein aufgrund der effizienteren Funktionsweise zu Einsparungen von bis zu 6 % führen.“ Verfügen sie über eine PI- oder PID-Regelung mit individuellen Anheizfunktionen, seien noch weitere 5 bis 10 % möglich. DR
Mehr Infos zum Thema im TGAdossier Hydraulischer Abgleich: Webcode 849
Kommentar
Um den Markt zu aktivieren, ist mehr Druck notwendig.
Dass sich über das Nachholen oder Erneuern des Hydraulischen Abgleichs wirtschaftlich attraktive Energieeinsparungen weitgehend ohne Anpassung des Nutzerverhaltens erzielen lassen, ist wissenschaftlich und im Feld mehrfach belegt worden. Trotz vieler Bemühungen der Branche ist es aber in den letzten 20 Jahren nicht gelungen, der Maßnahme den ihr gebührenden Stellenwert zu verschaffen.
Erst seit sanfter Zwang ausgeübt wird, tut sich etwas mehr. Angefangen hat es mit regionalen Förderprogrammen, danach auf Länderebene und seit einiger Zeit ist der Hydraulische Abgleich beim Marktanreizprogramm (BAFA) und bei vielen KfW-Förderprogrammen zur energetischen Gebäudemodernisierung eine nachzuweisende Fördervoraussetzung.
Noch zu wenige Handwerker haben seitdem das einzig Richtige getan und sich in Sachen Hydraulischer Abgleich qualifiziert. Andere sind noch viel weiter unten auf der Lernkurve und versuchen von ihren Lieferanten fertig ausgefüllte Dokumente zum Nachweis des Hydraulischen Abgleichs zu bekommen – schließlich könne man ja beim nächsten Projekt auch ein anderes Fabrikat ordern.
Die Ankopplung des Hydraulischen Abgleichs an andere energetische Sanierungsmaßnahmen ist ausdrücklich zu begrüßen. In diesen Fällen ist er sogar eine notwendige Voraussetzung, damit sich die geplanten Energieeinsparungen überhaupt realisieren lassen. Aufgrund der geringen Sanierungsquote bleibt aber so das größte Potenzial zu lange ungenutzt.
Ein wichtiger und richtiger Ansatz ist, den Hydraulischen Abgleich bei Endkunden bekannter zu machen, wie dies seit März 2012 über die Energieeffizienz-Kampagne „Meine Heizung kann mehr“ (http://www.meine-heizung.de) erfolgt. Es ist aber zu befürchten, dass in einer Periode mit ordentlich gefüllten Auftragsbüchern in den Planungsbüros und Handwerksbetrieben die Stimulation der Nachfrage nicht ausreichen wird, um den Markt ins Rollen zu bringen. Die Branche sollte darum auch darüber nachdenken, in Berlin noch mehr Klinken zu putzen, möglichst mit einem abgestimmten Konzept.
Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner