Der Neubau eines Bürogebäudes, das auch als Wohngebäude nutzbar ist, zeigt, welche Anforderungen beim nachhaltigen Bauen zu berücksichtigen sind und wie man bei hochkomplexen Projekten effizient und zielführend zusammenarbeitet.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Für das Bürohochhaus Westlight wurde auf die weiterhin genutzten zwei Untergeschosse der ursprünglichen Bebauung eine neue Fundamentplatte gesetzt und darauf ein Gebäude mit verdreifachter Fläche errichtet.
■ Durch die integrierte Projektabwicklung wurde auch die LEED-Gold-Zertifizierung vereinfacht.
■ Ein Stützensystem in Skelettbauweise kommt ohne tragende Wände aus. Das ermöglicht dauerhaft einen flexiblen und individuellen Mieterausbau und hierbei unterschiedlichste Arbeitsformen.
■ Die Haustechnik des Gebäudes ermöglicht auch die künftige Nutzung als Wohngebäude.
Unmittelbar neben dem Berliner Zoo entstand mit dem Westlight ein auffälliges Bürohochhaus für zeitgemäßes Arbeiten. Der Neubau des Architektenduos Almut Grüntuch-Ernst und Armand Grüntuch ersetzt die rötliche Rotunde des ehemaligen Hauptsitzes der Berliner Volksbank und prägt den Eingang zur City West. Das kristalline Gebäude ermöglicht flexible Grundrisse und verspricht für Nutzer und Passanten eine erweiterte Erfahrung des Stadtraums.
Das Architekturbüro Grüntuch Ernst Architekten konnte sich 2015 in einem Wettbewerb um die Planung des neuen Bürogebäudes an der Budapester Straße 35 gegen die Konkurrenz durchsetzen. Dabei bestand die Herausforderung darin, Vorschläge für den Umgang mit dem Bestandsgebäude einzubringen, gleichzeitig jedoch neue Anforderungen an die moderne Arbeitsumgebung zu berücksichtigen. Eine Sanierung des bestehenden Gebäudes sahen die Architekten jedoch aus bautechnischer Sicht, aufgrund veralteter und aufwendiger Haustechnik sowie fehlenden Potenzials für zeitgemäßes Arbeiten als nicht zielführend an.
Der Entwurf für den Neubau von Grüntuch Ernst überzeugte zudem durch technisch intelligente Lösungen. „Eine neue Gründung hätte immensen Aufwand erfordert, da der Keller des Altbaus, in dem der Safe und die Haustechnik untergebracht waren, zwei Geschosse unter das Erdgeschossniveau bis ins Grundwasser hineinreichte“, erläutert Architekt Armand Grüntuch.
Die Lösung: Die Haustechnik wurde auf ein Drittel des Volumens reduziert und auf das Dach verlagert. Damit reichte für das neue Gebäude ein Untergeschoss für die Technik aus und es konnten u. a. 110 Stellplätze untergebracht werden. Grüntuch: „So konnten wir eine neue Fundamentplatte auf die alte setzen und damit den ganzen Kern verschieben, das Haus also neu orientieren und flexible Grundrisse schaffen.“ Auf dem bestehenden Fundament des Altbaus entstand so ein 60 m hohes Gebäude mit 15 Obergeschossen und größerer Dichte, womit die Fläche von vormals 8500 m2 auf 25 000 m2 verdreifacht werden konnte (mietbare Fläche: ca. 19 500 m2).
Integrierte Projektabwicklung
Bei diesem hochkomplexen Projekt, das zudem eine flexible Handhabung erforderte, setzten die Projektbeteiligten auf ein kollaboratives Bauprojektverfahren (IPD, „Integrated Project Delivery“). Hierbei werden alle relevanten Beteiligten von Beginn an miteinbezogen. Dank der integrierten Projektabwicklung wurde unter anderem auch die Erreichung der LEED-Gold-Zertifizierung erleichtert, die beim Projekt „Westlight“ von Beginn an gefordert war. Dazu wurde ein Auditor von Anfang an hinzugezogen, der bereits während des Planungsprozesses entsprechende Bewertungen durchführte und Hinweise zu Verbesserungen gab.
Geschickte Raumaufteilung
Um eine flexible Raumnutzung zu ermöglichen, beruht der Neubau auf einem Stützensystem in Skelettbauweise. Da es keine tragenden Wände gibt, lässt sich die Raumaufteilung in jeder Etage unterschiedlich gestalten. Rein visuelle Trennungen ermöglichen dabei, auch mit Einzelbüros den Blick für das große Ganze zu erhalten und eine offene Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
„Die Idee des Panoramas ist prägend für das Gebäude insgesamt – sowohl nach innen wie auch nach außen. So tritt man aus dem Fahrstuhl zunächst in einen großzügigen Bereich mit einem wunderbaren Ausblick auf die Stadt, die einen im Raum und im Gebäude verortet“, erklärt Architektin Almut Grüntuch-Ernst. Große offene Flächen wurden auch in den Flurbereichen geschaffen, wo etwa Konferenzen oder Vorträge stattfinden können. Das kombiniert konzentriertes Einzelarbeiten und kommunikative Zonen.
Grüntuch-Ernst: „Die Balance zwischen diesen beiden Arbeitsformen ist ja schon lange ein Thema. Mittlerweile haben wir dank Digitalisierung gemerkt, dass konzentriertes Einzelarbeiten fast überall möglich ist. Umso wichtiger wird die Förderung des Teamspirits mittels Stimulierung kreativer Aspekte: etwa durch Kaffee-Ecken, Außenräume und die Möglichkeit für Arbeitsgruppen, sich den Raum anzueignen. Die Co-Working-Szene hat bereits eingefordert, dass der Arbeitsort aussehen soll wie ein Zuhause. Auch wir wollten einen Ort schaffen, der gleichermaßen für Arbeit und Wohnen denkbar ist.“
Flexibel nutzbar: Arbeiten oder Wohnen
Eine Besonderheit des Neubaus an der Budapester Straße ist zudem seine flexible Nutzung als Büro- und Wohngebäude. Dafür muss es sowohl kleinteilig als auch großräumig vermietet werden können, es braucht ein Lärmschutzkonzept und Haustechnik, die unterschiedliche Nutzungen ermöglicht.
Grüntuch: „Auch die nötige Raumhöhe muss natürlich von vornherein eingeplant und die Kerne müssen so gestaltet werden, dass das Gebäude wandelbar ist. Auf dem Dach und an den Schnittstellen zu den Nachbargebäuden haben wir deshalb Terrassen, an den Seitenflächen und der Rückseite Austritte eingeplant.
Auch natürliche Belüftung gehört zu den Ansprüchen an komfortables Wohnen. Darum lassen sich neben der mechanischen Belüftung die Fenster überall manuell öffnen, das sorgt für mehr Wohlbefinden der Nutzer.“
Nachhaltigkeit: 100 Jahre vorausdenken
Das Bürohochhaus ist in mehrfacher Hinsicht Ausdruck von Nachhaltigkeit: Es wurde dreimal so viel Arbeitsfläche bereitgestellt wie beim Vorgängerbau, in zentraler Lage, ohne grünes Umland zu versiegeln. Darüber hinaus ermöglichen wandlungsfähige und damit zukunftsfähige Arbeitskonzepte sowie die mögliche Umnutzung je nach Bedarf einen besonders nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.
Die lange Nutzungsdauer ist Teil des architektonischen Konzepts: Statt rein auf digitale Technologien zu setzen, die eventuell schnell veralten, nutzten die Architekten bei der Planung des Westlight analoge bauliche Komponenten. Grüntuch: „Um nachhaltig zu sein, muss ein Gebäude nicht nur über 35, sondern über 100 Jahre oder länger Bestand haben können, indem es wechselnden Anforderungen gerecht wird. Dafür muss es sowohl kleinteilig als auch großräumig vermietet werden können, es braucht ein Lärmschutzkonzept und Haustechnik für unterschiedliche Nutzungen.“
So kommen im Neubau auch moderne Wassersysteme zum Einsatz, die Trinkwasser jederzeit gefiltert, gekühlt, still oder sprudelnd bereitstellen und damit lange Transportwege und Plastikflaschen überflüssig machen. Die robusten und langlebigen Waschtisch-Armaturen des Gebäudes sind zudem mit einer wassersparenden Technologie ausgestattet, die den Wasserdurchfluss auf 5,7 l/min begrenzt. Damit steht das Gebäude an der Budapester Straße nicht nur optisch, sondern auch in Bezug auf Lebensdauer und Haltbarkeit seinem Edelsteinvorbild in nichts nach.
„Alle Fäden in einer Hand halten“
Für das Projekt Westlight – Bürohochhaus Budapester Straße 35, Berlin – verantwortete die HL-Technik Engineering GmbH, München, die Planung der Technischen Gebäudeausrüstung. Prof. Dr.-Ing. e. h. Klaus Daniels, Gesellschafter der HL-Technik Engineering GmbH, gab der TGA+E-Redaktion Auskunft zur Zusammenarbeit bei der Projektplanung und -realisierung.
TGA+E: Herr Professor Daniels, wie funktionierte die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Beteiligten beim Projekt Westlight?
Daniels: Die Zusammenarbeit war sehr professionell. Seitens Grüntuch Ernst Architekten war ein sehr erfahrener Projektleiter eingeschaltet, der „alle Fäden in der Hand hielt“. Durch laufende Abstimmungsgespräche trieb er das Projekt gut organisiert voran. Dies war insbesondere sehr wichtig, da das Objekt in der gesamten Laufzeit vom Planungsbeginn bis zur Fertigstellung zweimal verkauft wurde. Die Leistungsphase „Bauleitung und Mieterausbau“ wurde durch Flienert Ingenieure, Berlin durchgeführt.
TGA+E: Haben Sie bereits Erfahrungen mit dem kollaborativen Bauprojektverfahren IPD (Integrated Project Delivery) aus Projekten, die mit dem noch oft existierenden „Silodenken“ weniger erfolgreich gewesen wären?
Daniels: Mit kollaborativen Bauprojektverfahren haben wir infolge unserer langjährigen Planungstätigkeit viele Erfahrungen gesammelt und können feststellen, dass nur durch eine sehr straffe Führung durch eine erfahrenen Projektleiter bzw. Architekten der Erfolg eines Projektes gewährleistet wird. Andernfalls kommt es sehr schnell zu unnötig lange laufenden Unstimmigkeiten, die für alle Projektbeteiligten mühsam und kostenrelevant werden.
TGA+E: Die LEED Gold-Zertifizierung als gemeinschaftliches Ziel forderte alle am Projekt beteiligten Gewerke ressourcenschonend zu planen und zu bauen. Welche Kriterien hatte die Haustechnik zu erfüllen?
Daniels: Beim Projekt „Westlight“ war eine LEED Gold Zertifizierung von vornherein gefordert. Insofern wurde ein Auditor von Anfang an mit eingeschaltet, der während des Planungsprozesses laufende Bewertungen durchführte und Hinweise gab, was zur Erreichung des Ziels zu verbessern war. Bei der Gebäudetechnik haben wir von Beginn an darauf geachtet, zu unterschiedlichen Nutzungsbereichen mit geringsten Betriebskosten zu kommen.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielte dabei, dass der gesamte Bau natürlich belüftbar ist. Dadurch kann das Gebäude über längere Zeit ohne Beheizung und Kühlung betrieben werden. Zudem sind die Heiz - und Kühldecken zum Erreichen gewünschter Raumtemperaturen kleinteilig regelbar. Die gewünschten Außenluftmengen pro Person wurden an CO2-Pegel von unter 1000 ppm angepasst, wodurch übertriebene Luftwechsel vermieden wurden.
TGA+E: Die Haustechnik des Neubaus wurde trotz dreifacher größerer Fläche auf ein Drittel des Volumens reduziert und auf das Dach verlagert. Wie konnte das realisiert werden?
Daniels: Das ursprüngliche Gebäude der Volksbank wurde ebenfalls von HL-Technik geplant und beinhaltete die gesamte Gebäudetechnik des aufgehenden Hochbaus in zwei Untergeschossen. Diese Untergeschosse mussten beibehalten und wurden zum Teil neuen Nutzungen (Lager / Parken / Energietechnik) zugeführt. Um dies zu erreichen, wurden die wesentlichen RLT-Zentralen auf das neue Dachgeschoss verlegt, inklusive der Kälteanlage mit Rückkühlwerken. Hierdurch wurden die TGA-Flächen in den Untergeschossen stark verkleinert, sodass die Neu-Nutzungen möglich waren.
TGA+E: Welche besonderen technischen Herausforderungen in Einklang mit hohen ästhetischen Anforderungen mussten Sie während der Mieterausbauten erfüllen?
Daniels: Die besonderen gestalterischen Ansprüche ergaben sich von vornherein aus den Vorgaben von Grüntuch Ernst Architekten und zum Teil aus den späteren Vorgaben des Innenarchitekten des Hauptnutzers und konnten mit dem von Anfang an gewählten Techniksystemen gut gelöst werden. Darum gab es lediglich im Bereich des Mieterausbaus des Hauptmieters geringe Anpassungen, die noch lösbar waren.
TGA+E: Social Distancing hat verdeutlicht, wie wertvoll der direkte menschliche Kontakt ist. Wie funktionieren aktuell die Abstimmungsprozesse zwischen Planung, Projektsteuerung, Generalunternehmer und ausführenden Firmen?
Daniels: Planungsprozesse laufen nur dann schnell und reibungslos ab, wenn von vornherein eine klare Führung durch die Architekten oder Projektleiter vorgenommen wird. Dabei ist es unumgänglich, dass Besprechungen persönlich mit allen Planungsbeteiligten erfolgen, um Missverständnisse und Fehlplanungen zu vermeiden. Nach unseren Erfahrungen ist dies im Homeoffice nicht zu leisten.
Weitere Infos
www.grohe-objekt.de
www.gruentuchernst.de
www.hl-technik.de
www.the-westlight.de