Anforderungen an sicherheitstechnische Anlagen, insbesondere zur Brandmeldung und Alarmierung, werden immer komplexer. Denn Brandschutzplaner setzen zunehmend auf gewerkeübergreifende Funktionen. Die grundsätzlichen Schutzziele, welche die Anlagen erfüllen müssen, ändern sich dabei jedoch nicht: Gefahren frühzeitig erkennen, Personen warnen und die Flucht- und Rettungswege sichern. Unabhängige Sachverständige unterstützen durch neutrale Prüfungen bereits während der Planung und Errichtung der Anlagen, um deren Wirksamkeit und Betriebssicherheit zu verbessern.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Weniger als ein Drittel der im Jahr 2023 von Sachverständigen der verschiedenen TÜV-Gesellschaften geprüften sicherheitstechnischen Anlagen waren mängelfrei. Die festgestellten Mängel haben sehr unterschiedliche Gründe, zumeist ist gar nicht die Anlagentechnik selbst betroffen.
■ Eine Analyse der Mängel an Brandmelde- und Alarmierungsanlagen und ihrer Ursachen sowie eine statistische Vergleichsauswertung zeigen, dass sich mit planungs- und baubegleitenden Prüfungen die Mängelquote um mehr als 80 % verringern lässt: Der zweite Blick eines neutralen Dritten bietet dabei ein zusätzliches Sicherheitsnetz.
Die Mängelstatistik des TÜV-Verbands zeigt eine kontinuierlich hohe Quote von mängelbehafteten sicherheitstechnischen Anlagen in Gebäuden. Die Daten basieren auf den Prüfergebnissen von Sachverständigen der verschiedenen TÜV-Gesellschaften. Berücksichtigt sind dabei die Ergebnisse der Prüfungen von baurechtlich geforderten sicherheitstechnischen Anlagen in Sonderbauten.
Neben größeren Wohn- und Geschäftshäusern sind das beispielsweise Kliniken, Pflegeheime, Schulen, Hochschulen, Kongresshallen, Stadien, Industriebauten, Parkhäuser sowie Hotels. Geprüft wurden nicht nur die technischen Einrichtungen für den Brandschutz, sondern auch sicherheitsrelevante Elektroanlagen wie für die Sicherheitsbeleuchtung oder die Stromversorgung von sicherheitsrelevanten Verbrauchern.
Von den 2023 knapp 70 000 im laufenden Betrieb und über 13 000 weiteren vor Inbetriebnahme geprüften Anlagen waren nur 29,0 % der Anlagen mängelfrei. An 43,9 % wurden geringfügige Mängel erkannt. Mehr als ein Viertel (27,1 %) der sicherheitstechnischen Anlagen hatten wesentliche Mängel, die ihre Wirksamkeit und Betriebssicherheit einschränkten. Der Trend der letzten Jahre zeigt einen dauerhaft hohen, tendenziell steigenden Anteil mängelbehafteter Systeme – trotz der wiederkehrenden Prüfungen alle drei beziehungsweise alle sechs Jahre.
Hintergründe von Mängeln auf dem Prüfstand
TÜV SÜD hat vor diesem Hintergrund die eigenen Prüfberichte im Hinblick der Hintergründe der auftretenden Mängel analysiert, um die kontinuierlich hohe Quote an mängelbehafteten Systemen mithilfe der am Bau Beteiligten zu senken. Der Fokus lag dabei auf Brandmelde- und Alarmierungsanlagen. Dabei zeigten sich folgende Tendenzen:
Besonders häufig:
Besonders häufig treten gemäß den ausgewerteten Prüfberichten Mängel auf, welche nicht die Anlagentechnik selbst – sondern deren Dokumentation sowie die Integration der Anlagen in den abwehrenden Brandschutz beeinflussen. Verbreitet sind vor allem Mängel, welche die Einsatztaktik der Feuerwehr negativ beeinflussen. Dazu zählen fehlerhafte Feuerwehrlaufkarten, unzureichende Zugangsmöglichkeiten sowie fehlendes Hilfsmaterial.
Auch die technische Dokumentation hat oft Defizite. Es fehlen Unterlagen oder Bauvorlagen, die für die ordnungsgemäße Prüfung notwendig wären, da erst daraus die zentralen Anforderungen an die Anlagen hervorgehen. Ein Soll-Ist-Abgleich der vorhandenen Anlagen ist ohne die Dokumentation nicht möglich.
Häufigster Grund für Mängel bezogen auf die Anlagen selbst ist unzureichendes Betriebsmanagement. Fehlende Anpassung der Anlagentechnik an Umnutzungen von Räumen oder kleinere bauliche Veränderungen führen dazu, dass bei der Prüfung Mängel festgestellt werden.
Mittlere Häufigkeit:
Mängel mit mittlerer Häufigkeit werden vor allem durch unzureichende Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, aber auch Planungs- und Ausführungsfehler verursacht. Betroffen sind dabei vor allem gewerkeübergreifende Schnittstellen, z. B. an Brandfallsteuerungen. Hinzu kommen Defizite in der Auslegung, Montage und Ausführung der Kabel- und Leitungsanlage sowie beim Funktionserhalt von Verteilern im Brandfall. Problematisch ist auch die Spannungsversorgung der Anlagen, beispielsweise beim Einsatz überalterter Akkumulatoren.
Geringe Häufigkeit:
Nur in den seltensten Fällen sind Mängel auf den tatsächlichen technischen Defekt von Anlagenkomponenten zurückzuführen. Beispiele hierfür sind Ausfälle von automatischen Meldern und Handfeuermeldern, Probleme bei der Weiterleitung und Funktion von Alarm- und Störmeldungen sowie Mängel an den Anzeige- und Bedienungseinrichtungen der Brandmeldeanlage. Grund hierfür ist, dass derartige Defekte in modernen Anlagen meist durch automatische Prüfeinrichtungen erkannt und bereits bei turnusmäßigen Wartungsmaßnahmen behoben werden.
Zentrale Einflussfaktoren: Alter und Umgebung
Mängeln bei den Alarmierungseinrichtungen von Brandmeldeanlagen nehmen mit Alter der Systeme zu. Umgekehrt verhält es sich bei den Kabel- und Leitungsanlagen, weil Mängel in diesem Bereich häufig nach den ersten Prüfzyklen behoben werden. Nach zwei bis drei Prüfzyklen bleibt die Anzahl der Mängel konstant. Der Grund: Einige Mängel, insbesondere in unzugänglichen Bereichen, sind kaum zu beheben.
Je größer das Gesamtsystem, desto mehr Mängel bestehen bezogen auf die Anordnung von automatischen Meldern, auf die Spannungsversorgung und bei den Brandfallsteuerungen. Jedoch verbessert sich die Qualität der Dokumentation mit zunehmender Systemgröße. Auch der Umgang mit Alarm- und Störmeldungen ist dann statistisch gesehen besser.
Unter anspruchsvollen Umgebungsbedingungen, etwa in Industrieanwendungen mit hohen Temperaturschwankungen und vermehrter Verschmutzung, steigt die Anzahl der Defekte bei automatischen Meldern und bei der Spannungsversorgung. Dies liegt nicht nur an der höheren Belastung der Komponenten, sondern mitunter an der fehlerhaften Auswahl bezogen auf die spezifischen Betriebsbedingungen.
Auch die Mängel bei Brandfallsteuerungen nehmen zu. Der Anteil der Mängel bei der Leitungsanlage und der Anordnung automatischer Melder ist allerdings geringer, weil hier oft spezielle Melder wie Rauchansaugsysteme oder linienförmige Rauchmelder zum Einsatz kommen, die nach den Erfahrungen der Experten meist sorgfältiger projektiert werden als punktförmige Melder.
Brandfallsteuerung und Vernetzung
Die Komplexität von Brandfallsteuerungen wächst überproportional zum Komplexitätsgrad des Bauvorhabens. Dies gilt sowohl für die Planung als auch die Projektierung, Programmierung, Inbetriebnahme und Prüfung. Besonders komplex ist hierbei mitunter die Koordination der Schnittstellen im Rahmen von Prüfungen, da die Funktionen durch mehrere Sachverständige bewertet werden. Beispielsweise prüft ein Sachverständiger bei der Brandmeldeanlage, ob das Sensor-Signal am Schaltschrank einer angesteuerten Rauch-Wärme-Abzugsanlage (RWA) ankommt. Ob diese Anlage im Falle des Eingangs der Brandmeldung die korrekte Reaktion ausführt, liegt im Prüfumfang des Sachverständigen der RWA.
Auch wenn diese Regelungen bei korrekter Umsetzung im Regelfall ausreichen, zeigt die Praxis, dass das Vorgehen durch die Vielzahl an Schnittstellen und komplexeren Anforderungsszenarien mängelanfällig ist. Hier sollten gewerkeübergreifende Schnittstellen geplant und projektiert werden. Probleme verursacht hier auch der hohe Anteil an Software-Funktionen, die teils fehlerhaft umprogrammiert werden.
Es fehlt immer wieder an Systemintegration, die vor allem bei komplexen Bauvorhaben frühzeitig zu klären ist. Sinnvoll ist eine separate Prüfung mit einem separaten Bericht – beispielsweise nach VDI 6010 – für das bestimmungsgemäße Zusammenwirken der Anlagen. Dabei können zudem sicherheitsrelevante Systemfunktionen beispielsweise nach Betriebssicherheitsverordnung oder aus weiteren anzuwendenden Regelwerken berücksichtigt werden.
Ähnliches gilt für ein koordiniertes Inbetriebnahme-Management. Die Praxis zeigt, dass in der Endphase der Inbetriebnahme häufig die Zeit für die erforderlichen Tests übergreifender Anlagenfunktionen fehlt. Kritisch ist dies, da sicherheitstechnische Anlagen im Normalbetrieb „ruhende“ Anlagen sind. Fehlfunktionen beim gewerkeübergreifenden Zusammenwirken fallen bei unzureichenden Prüfungen somit erst auf, wenn es zum realen Gefahrereignis im Gebäude kommt.
Planungs- und baubegleitend prüfen
TÜV-SÜD-Statistiken zeigen, dass planungs- und baubegleitende Prüfungen die Mängelquote um mehr als 80 % verringern. Besonders kritische Mängel werden wirksam reduziert, beispielsweise in Bereich der Kabel- und Leitungsanlage sowie der fehlerhaften Anordnung von automatischen Meldern oder dem Umgang mit Störungs- und Alarmmeldungen sowie Managementfunktionen. Weiterhin sind auch deutlich weniger Mängel im Bereich der technischen Dokumentation festzustellen.
Weil die Kosten für die Behebung eines Fehlers exponentiell steigen, je später dieser entdeckt wird, sind planungs- und baubegleitende Prüfungen besonders sinnvoll, um Risiken, als auch Kosten vorzubeugen. Weil TGA- und Elektroplaner mit immer komplexeren Projekten konfrontiert sind, profitieren sie vom zweiten Blick eines neutralen Dritten, der ein zusätzliches Sicherheitsnetz bietet. Bei der Auswahl geeigneter Partner ist hierbei die Expertise und Erfahrung entscheidend für den Erfolg.
Der Blick aufs Ganze ist entscheidend
Ein regelmäßiges Prüfen des Zusammenwirkens aller Brandschutzmaßnahmen ist grundlegend für die Gebäudesicherheit. Das sollte nach der Planungsphase und Projektierung auch durch Experten vor Ort geschehen. Genau das geschieht allerdings immer wieder nur unzureichend oder entfällt sogar. TÜV SÜD empfiehlt Betreibern von sicherheitstechnischen Anlagen, diese mindestens einmal jährlich begehen zu lassen, auch wo Remote-Services und digitale Prüfungen zum Einsatz kommen. Nur wenn die betrieblichen und die Umgebungsbedingungen mit betrachtet werden, sind die Gebäudebetreiber und -nutzer auf der sicheren Seite. Ein modernes Instandhaltungsmanagement und technische Lösungen sind weitere Eckpfeiler für sichere und wirtschaftliche Brandmeldesysteme.
Checkliste für Betreiber sicherheitstechnischer Anlagen
Planung und Vernetzung
● Frühzeitige Festlegung eines „Systemintegrators“ zur Koordination von Schnittstellen
● Durchführung eines Vollprobetests nach VDI 6010 und übergreifende Sicherheitsmatrixprüfung durch Sachverständige
Einbindung unabhängiger Experten
● Unabhängige Sachverständige frühzeitig in Planung und Errichtung einbinden
● Qualitätsverbesserung, frühzeitige Mängelerkennung, Kostenreduktion durch Vermeidung von Rück- und Umbaumaßnahmen
Wartungs- und Instandhaltungsmanagement
● Regelmäßige Begehungen aller sicherheitstechnischen Anlagen durch unabhängige Sachverständige
● Durchführung eines übergreifenden „Brandschutz-Checks“ zur frühzeitigen Problemerkennung
Dokumentenmanagement und Transparenz
● Einsatz einer Prüfpflichten- und Dokumenten-Datenbank zur Sicherstellung aktueller Dokumentationen
● Nutzung von Dashboards zur Live-Einsicht des Wartungszustands und Beurteilung der Instandhaltung
Übergreifendes Betreiber- und Prüfpflichten-Management
● Objektspezifische Berücksichtigung zusätzlicher Anforderungen über regulatorische Mindeststandards hinaus
● Berücksichtigung von Cyber-Security-Aspekten, insbesondere bei komplexen Gebäuden und Anlagen
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